
Der Regierungsrat hat sich für indirekte Formen der Medienförderung ausgesprochen. Foto: kk
Hanspeter Strebel, im Auftrag des Kantons
Am letzten Montag im August dürften die Revisionsarbeiten an der Ausserrhoder Kantonsverfassung nach fast siebenjähriger aufwändiger Vorarbeit zum Abschluss kommen, bevor die Stimmbevölkerung das letzte Wort haben wird. Die Opportunität eines Medienartikels sowie die politischen Rechte mit Details zum Mischwahlverfahren werden nochmals für Diskussionen sorgen.
Nach der zweitägigen Lesung im Februar letzten Jahres, in der der Kantonsrat bereits stark an der Mehrheitsfähigkeit des epochalen Werks arbeitete, machten sich der Regierungsrat und die vorbereitende Kommission daran, einzelne auch in der rege genutzten Volksdiskussion kontrovers verbliebenen Punkte nochmals eingehend zu prüfen und allenfalls konsensfähiger zu machen. Dies, um die ganze Verfassung nicht bei ihrer allerletzten Volkshürde zu einem fatalen Absturz zu bringen. Die Regierung schwenkt in den meisten Punkten auf die Version der Kommission ein.
Keine Staatsaufgabe
In der ersten Lesung wurde nach längerer Debatte ein Antrag der SP mit 37 zu 26 Stimmen angenommen, der den Regierungsrat anhielt, die Möglichkeiten zur Förderung des regionalen Journalismus nochmals zu überdenken. Dabei wurde aber mehrfach betont, dieses auch auf nationaler Ebene in letzter Zeit immer wieder diskutierte Thema der Medienförderung dürfe «keinesfalls eine Staatsaufgabe» werden. Ausserrhoden hatte 2022 mit einem besonders deutlichen Nein zum vom Bund in einer Volksabstimmung ins Auge gefassten Massnahmenpaket zu Gunsten der Medien seinen Standpunkt zu diesem Thema ausgedrückt. Dem wurde mit Blick auf den seither noch erhöhten Spardruck begründeten massiven Abbau von Medienstellen entgegengehalten, «das zunehmende Verschwinden regionaler Medien und der Abbau von seriöser Regional- und Lokalberichterstattung könne die Demokratie gefährden».
Indirekte Massnahmen
Eine direkte Medienförderung lehnt der Regierungsrat vor dem Hintergrund der gebotenen staatlichen Wettbewerbsneutralität weiter klar ab. Er sieht aber einen gangbaren Weg in indirekten Massnahmen für Rahmenbedingungen wie beispielsweise eine mögliche Subventionierung von Medienabos für junge Bürgerinnen und Bürger oder die Förderung von Ausbildungsprogrammen für junge Berufseinsteiger.
Der vorgeschlagene Medienartikel verzichtet auf Einzelheiten und enthält nur einen Grundsatz, dass sich Kanton und Gemeinden «für die Unabhängigkeit und Vielfalt der Medien einsetzen». Die mögliche Unterstützung einzelner Massnahmen wird mit einem «Kann-Artikel» ergänzt. Gefördert werden im Weiteren die Stärkung der Medienkompetenz von Jugendlichen, denn dies gehöre zum staatlichen Bildungsauftrag.
Kommissionsmehrheit lehnt ab
Die Mehrheit der vorberatenden Kommission will von diesem nach Meinung des Regierungsrats «gangbaren Kompromiss» nichts wissen und wird sich in zweiter Lesung mit 6:3 Stimmen für die ersatzlose Streichung des ganzen Artikels einsetzen. Der Vorschlag verfehle das zentrale Anliegen des Parlamentsauftrags, nämlich die konkrete Stärkung des regionalen und lokalen Journalismus. Aber auch die Kommission setzte sich vor ihrem Entscheid nochmals intensiv mit dem Thema auseinander. Dies gipfelt in einem Minderheitsantrag, der dem Plenum vorgelegt wird und an der Fassung der Regierung angelehnt ist, aber die Absätze anders ordnet und teilweise etwas umformuliert.
Dieser Artikel wird kaum zu einem «Stolperstein» für die ganze Verfassung werden, aber es ist interessant zu sehen, wer sich angesichts der langen Vorgeschichte in dieser Auseinandersetzung durchsetzen wird. Denn schon in der vorgängigen breit aufgestellten Verfassungskommission wie auch in der Volksdiskussion, wo sich eine eigens gebildete überparteiliche «IG Ja zu unseren Medien» geäussert hatte, die auf eine entsprechende Formulierung der bernischen Kantonsverfassung verwies, zeigt sich, dass durchaus ein Thema vorliegt, das gewissen Kreisen «unter den Nägeln brennt».
Mischsystem bleibt
Einverstanden ist der Regierungsrat dagegen mit dem neuen Vorschlag der Kommission zum ebenfalls intensiv diskutierten Wahlverfahren für den Kantonsrat. Sie hält indes ebenfalls am bisher praktizierten Mischsystem von Majorz und Proporz fest. Einig ist man sich, dieses Wahlsystem nicht mehr den Gemeinden zu überlassen. Dagegen lehnt die Kommission die vom Regierungsrat vorgeschlagene Sitzzahl von fünf Gemeinden ab, die zu diesem Wechsel genötigt werden. Danach wären neben Herisau (bisher) auch Teufen, Speicher und Heiden «Proporzgemeinden» geworden. Der Kommission geht dieser Vorschlag zu weit. Sie erweitert dieses Sitzquorum auf neun, womit nur Herisau bleibt und die drei anderen genannten Gemeinden vorläufig beim Majorz blieben; es sei denn, es kommen Fusionen mit Nachbargemeinden. Die Kommission erklärt sich überzeugt, dass dies den bundesrechtlichen Anforderungen besser entspricht und leichter verständlich ist. Wohl dürfte es sich auch hier um einen Vorschlag mit Blick auf die Mehrheitsfähigkeit der gesamten Verfassung handeln. Der Regierungsrat stimmt dieser Abschwächung der Durchsetzung des Proporzes (wohl eher zähneknirschend) zu.
Vieles scheint klar
Weitere sich im Vorfeld als besonders kontrovers herauskristallisierte Themenbereiche wie Präambel (insbesondere die Gottesanrufung), Klimaschutz- und Energieartikel, Wahl und Benennung des Landammannamts wurden vom Kantonsrat in erster Lesung nach intensiver Diskussion so klar entschieden, dass weder Regierungsrat noch vorberatende Kommission Veranlassung sahen, darauf zurückzukommen und neue Anträge zu stellen. Die Volksdiskussion wurde mit 43 Beiträgen besonders intensiv genutzt. Dabei wurde der Entwurf aber keineswegs grundlegend in Frage gestellt. Wo möglich, berücksichtigte der Regierungsrat die (teils mehr redaktionellen) Anliegen oder bemühte sich in seiner nochmals recht ausführlichen Zusatzbotschaft um Klärung.
Gültig ab 2027
Auch wenn es dem Kantonsrat unbenommen ist, neue Anträge zu stellen oder auf einzelne Artikel zurückzukommen, dürfte die Diskussion in der am 25. August als einzigem Traktandum stattfindenden zweiten Lesung doch einen finalen parlamentarischen Schlusspunkt hinter das aufwändige Werk setzen. Allerdings hat ein politisch besonders gewiefter Beobachter in der Volksdiskussion vor dem Hintergrund der bereits jahrelangen Vorbereitungsarbeiten unter dem Motto «Qualität statt Zeitdruck» auf die Möglichkeit einer dritten Lesung hingewiesen.
Eine solche zeitliche Verzögerung wird es kaum geben. Das Datum der Volksabstimmung wird nach Zielangabe des Regierungsrats noch dieses Jahr (voraussichtlich Ende November) stattfinden. Die eidgenössischen Räte müssen die neue Kantonsverfassung anschliessend gewährleisten. Die Inkraftsetzung ist per 1. Januar 2027 vorgesehen.
Und das Stimmrechtsalter 16?
Ein vermuteter «Stolperstein» der Verfassung liegt im Bereich der politischen Rechte, nämlich die Senkung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre und die Einführung des Ausländerstimmrechts. Das zeigte sich nicht nur in der ersten Lesung, sondern auch in der Volksdiskussion. Der Regierungsrat reagierte auf diesen Umstand mit dem Vorschlag, diese Punkte separat mit einem Eventualantrag zu entscheiden.
Die Kommission ist nun bestrebt, trotz grundsätzlicher Unterstützung der Erweiterung der politischen Teilhabe, eine rechtliche Unsicherheit zu klären, da es sich um zwei getrennte Themen handle, die nach ihrer Auffassung einer allfälligen Stimmrechtsbeschwerde kaum standhielte.
Sie unterstützt die Regierung mit dem Vorschlag des Eventualantrags für das Ausländerstimmrecht. Für die Senkung des Stimmrechtsalters schlägt sie einen separaten Urnengang vor; unabhängig des Entscheids über die gesamte Verfassung. Zur Ermöglichung dieser Aufteilung wird zu Beginn der zweiten Lesung über eine Motion der Kommission abgestimmt. Die Regierung soll bei Erheblicherklärung dem Kantonsrat «zeitnah» eine separate Vorlage für das Stimmrechtsalter 16 unterbreiten.