
Ursula und Herbert von Burg machen Ferien in den USA – und erleben die Farbpracht des Indian Summer. Fotos: zVg
Regierungskrise
Wir freuten uns vor allem auf den Besuch der Nationalpärke in Maine, New Hampshire und Vermont. Dort ist der Herbst die Hauptreisezeit, viele in- und ausländische Touristen reisen wegen der Farbenpracht der Wälder und der abwechslungsreichen Landschaften an. Und dann geschieht das Unerwartete. Exakt am Tag unseres Eintreffens im Acadia National Park wird der Government Shutdown ausgerufen. Was tun? Vor Ort herrschte grosse Unsicherheit. Besucherzentren blieben zum Teil geschlossen, wer anwesend ist, weiss auch nicht mehr als wir. Also suchen wir Infos im Internet. Wir erhalten die Meldung: Der National Park bleibe so zugänglich als möglich, gewisse Leistungen könnten aber eingeschränkt sein. Welche das sind, bleibt unklar.
Da man einen Nationalpark im Gegensatz zu einem Museum nicht einfach absperren kann, gehen wir wandern. Das ist himmlisch und ruhig, da die Autos nicht alle Strassen nutzen dürfen. Am nächsten Tag stellt sich heraus, dass der Zutritt mit dem Auto doch möglich ist, allerdings ohne Eintritt zu bezahlen. Es werden nämlich diejenigen Beamten nach Hause geschickt, die Eintrittstickets verkaufen. Die Ranger hingegen sind vor Ort. Wo liegt da der tiefere Sinn, fragen wir uns.
Für die White Mountains informiert der US Forest Service weniger neutral: Die radikalen linken Demokraten haben einen Regierungs Shutdown verursacht, die Pärke sind deshalb zum Teil geschlossen. Schuldzuweisung statt Information – das tönt nicht nach einer schnellen Lösung!

Leaf peeping
Die Natur bleibt gottlob von der Politik unberührt. Das farbige Laub ist wunderschön, die Landschaften weit und es hat genügend Platz für die vielen Touristen, die das Schauspiel erleben wollen. «Leaf peeping» nennt sich das hier. Zu unserem Erstaunen treffen wir kaum Europäer. Die allermeisten Touristen sind Amerikaner aus allen möglichen Staaten, dazu Inder und Japaner.
Als Tourist ist man gehalten, nicht über Politik zu sprechen. Der Shutdown bietet aber Anlass, uns mit amerikanischen Touristen auszutauschen. Ein Ehepaar fasst die Lage so zusammen: Unser Problem ist nicht der Shutdown, unser Problem ist der Präsident. «We are embarassed», wir schämen uns für die amerikanische Politik. Das hörten wir ein paarmal. Übrigens haben wir in den zwei Wochen noch keine einzige MAGA-Mütze gesehen; weder in einem Geschäft noch auf einem Kopf. Zwar sind alle Staaten von Neuengland demokratisch, aber es befinden sich zahlreiche Amerikaner aus allen möglichen Staaten hier in den Ferien und es hat sicherlich Republikaner dabei. Vielleicht sind das diejenigen, die uns sagen: Das ist sowieso alles nur Theater. Das betrifft nur die Politiker, das normale Leben geht einfach weiter.
Alltag
Ausserhalb der Nationalpärke ist von der Regierungskrise nicht viel zu spüren oder zu lesen. Es gibt nämlich nirgends gedruckte Zeitungen zu kaufen, nicht mal in New York oder Boston. Die Kioske auf den Trottoirs heissen zwar immer noch Newsstand, verkaufen aber alles andere als News. Dagegen gibt es unglaublich viele Shops, die Cannabis anbieten. Und das Geschäft läuft. Man riecht es in den Strassen der Städte. Offenbar gönnt man sich den einen oder anderen Joint, trotz der hohen Lebenshaltungskosten. Die Lebensmittelpreise sind nämlich vergleichbar mit Schweizer Preisen. Was uns auch auffällt: Die Sensibilität für Umweltthemen ist tief. Überall Wegwerfgeschirr, Recycling nur in kleinen Ansätzen, Photovoltaik sieht man auf dem Land in grösseren Feldern, aber kaum auf Hausdächern. Vielleicht sehen wir auch deshalb kaum E-Autos? In NY allerdings sehen wir den Tesla Cybertruck.

Halloween
Im Oktober sind nicht nur die Wälder wunderschön farbig, es reifen auch die Kürbisse und Halloween steht bevor. Ich muss zugeben, dass ich hier einen positiveren Zugang zu diesem Brauch gefunden habe. Halloween wird während Wochen zelebriert. Die Vorgärten sind mit Kürbissen und Blumen geschmückt, dazwischen tummeln sich Skelette, Gespenster und Fledermäuse. Ganze Szenen werden aufgebaut und es wird gewetteifert, wer die schönsten Dekorationen hat. Das ist ein gelebter Brauch, weit mehr als eine Nacht mit erbettelten Süssigkeiten, wie es bei uns zu sehen ist.
Wir werden noch vor Halloween wieder zu Hause sein. Hoffentlich. Falls die Fluglotsen wieder Lohn bekommen. Ich freue mich auf die Schweiz, vor allem auf gesunde und frische Lebensmittel. Wenn ich hier zum wiederholten Mal nur zwischen Fastfood und Fastfood wählen kann, kommt mir immer wieder folgender Witz in den Sinn: Wenn ich sehe, was die Amerikaner essen, verstehe ich, weshalb sie vor dem Essen beten.
