Immer wieder kehren Teufner zu ihren Wurzeln zurück

06.12.2015 | TPoscht online
Helene Thöny-Zürcher

In den letzten Jahren zeichnet sich ein auffallender Trend ab: Immer öfter kehren Menschen, die in Teufen aufgewachsen sind, später wieder zu den Stätten ihrer Jugendzeit zurück. Was zieht sie zurück? Wir haben mit fünf Rückkehrerinnen und Rückkehrern gesprochen und stellen sie vor.

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Johannes und Iris Schläpfer. Foto: MW

Von Teufen nach Trogen und zurück

Johannes und Iris Schläpfer lebten bis März 2014 in Trogen in einem grossen Appenzellerhaus nahe bei der Kantonsschule. Nachdem Sohn Philipp und Tochter Helen nicht mehr zuhause wohnten, war der eigentliche Grund für ihre Rückkehr nach Teufen vor allem der Wunsch nach einer Änderung der Wohnverhältnisse. Zufällig hörten sie 2005 von der geplanten Überbauung unterhalb der Hauptstrasse, angrenzend an die katholische Kirche. Es vergingen aber noch neun Jahre, bis sie dort ihr neues Domizil beziehen konnten.

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Johannes Schläpfer Schönenbühl 1966.

Johannes Schläpfer ist zusammen mit seinen sechs Geschwistern im Schönenbühl aufgewachsen. Seine Familie als ehemalige Inhaberin der Weberei Schläpfer ist in der Dorfgeschichte sehr präsent. Vater Willi Schläpfer hatte ab 1969 für vier Jahre auch das Amt des Gemeindehauptmanns inne. Iris Schläpfer lebte einige Jahre in Niederteufen. Nach dem Germanistik- und Geschichtsstudium nahm Johannes Schläpfer seine Lehrtätigkeit 1983 an der Kantonsschule Trogen auf. Als Ausserrhoder Kantonsbibliothekar von 1986–1998 zeichnete er während zehn Jahren als Redaktor der «Appenzellischen Jahrbücher» verantwortlich. Seit 1997 ist er Prorektor, seit Sommer 2015 offizieller Stellvertreter des Rektors der Kantonsschule.

Iris Schläpfer-Wochner arbeitet seit zwanzig Jahren als Leiterin der Kantonsschulmediathek ebenfalls in Trogen. Iris und Johannes Schläpfer lernten sich in ihrer Primarschulzeit beim Skikurs am «Jägereihügeli» kennen. Sie sind immer noch ein glückliches Paar und geniessen das neue Leben in ihrem vertrauten Dorf. Was beide sehr schätzen, sind vermehrte Begegnungen mit Kollegen und Freunden, sei es bei einer gemütlichen Einkehr, am Jahrmarkt oder am Silvester auf dem Dorfplatz. Natürlich erinnern sie sich oft an frühere Zeiten, zum Beispiel als der Schüler Johannes im Restaurant Schönenbühl jeweils einkaufen musste und ein Ei nur gerade 12 Rappen kostete.

Johannes Schläpfer betreibt seit Jahren Ahnenforschung und er ist erstaunt, wie viele Häuser in Teufen von seinen Vorfahren gebaut worden sind. Bei dieser grossen, weitverzweigten Familie wird es noch dauern, bis der Stammbaum vollendet sein wird.

Mägi Walti

Helen und Andreas Baumann-Bleuler
Helen und Andreas Baumann-Bleuler. Foto: ms

Von Teufen nach Zürich und zurück

Helen Baumann-Bleuler ist vor 18 Monaten mit ihrer Familie nach Teufen zurückgekehrt. Nur unweit ihres Elternhauses in Niederteufen lebt sie nun glücklich mit ihrem Ehemann Andreas und den Kindern Alina (3 Jahre) und Nils (6 Monate). Helen ist mit sieben Jahren zusammen mit ihren Eltern (ihre Mutter ist ebenfalls in Teufen aufgewachsen und war damals auch eine «Rückkehrerin») und ihren beiden Brüdern nach Teufen gezogen.

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Helen Bleuler Geburtstag 1985.

Als Schülerin der Kantonsschule Trogen wollte sie Primarlehrerin werden. Kurz vor der Matura nahm sie dann an einem Informationstag speziell für junge Frauen an der ETH Zürich teil. Was als lustiger Ausflug und Abwechslung zum Kanti- Alltag gedacht war, endete mit einem neuen Berufswunsch: Lebensmittelingenieurin. Dieser Beruf stach ihr zuerst v.a. wegen der langen und ausgefallenen Bezeichnung ins Auge, überzeugte sie dann aber schnell durch die Kombination mehrerer naturwissenschaftlicher Fächer (die sie schon immer faszinierten) und den vielfältigen Arbeitsmöglichkeiten nach der Ausbildung.

Das Studium war nicht nur beruflich die richtige Wahl, sondern auch aus privater Sicht. Sie verliebte sich in ihren Mitstudenten Andreas Baumann (ursprünglich aus Stein), den sie zwar von der Kanti und aus dem TV Teufenbereits gut kannte, in Zürich aber offenbar nochmals ganz neu kennenlernte. 2007 heirateten die beiden in Teufen (zivil) und Stein (kirchlich).

Nach dem Studium fand Helen bei Lindt & Sprüngli in Kilchberg (ZH) einen echten «Schoggi»-Job, wo sie bis heute (seit der Geburt der Kinder allerdings nur noch Teilzeit) arbeitet. In der Forschungs- und Entwicklungsabteilung hilft sie u.a. bei der Entwicklung neuer Produkte, bei der Verbesserung bestehender Prozesse oder bei der Konzipierung und Inbetriebnahme neuer Anlagen mit. Während ihrer 16-jährigen Abwesenheit lebte Helen in der Region Zürich, wobei sie während dieser Zeit oft bei den Eltern und Schwiegereltern in Teufen und Stein zu Besuch war. Winterthur war zuletzt der praktische Mittelpunkt zwischen Kilchberg und Uzwil, wo Andreas bei der Firma Bühler arbeitet.

Mit den Kindern wuchs dann aber der Wunsch, aus der Stadt hinaus und zurück ins Appenzellerland und in die Nähe der Eltern und Schwiegereltern (die beide bei der Kinderbetreuung unterstützen) zu ziehen. Nach langem Abwägen entschieden sich Helen und ihre Familie, zurück nach Teufen zu ziehen und den langen Arbeitsweg (den sie selber etwas «verrückt» findet) in Kauf zu nehmen. Zwischen Teufen und Kilchberg pendelt sie mit dem Zug. Den Rückzug nach Teufen bereut Helen überhaupt nicht. Nach all den Jahren in der Anonymität der Stadt geniesst sie es besonders, in unserem Dorf Leute zu treffen, die sie kennt. Die wunderschöne Lage von Teufen zwischen Bodensee und Alpstein ist perfekt. Kurz: Es fühlt sich richtig gut an, wieder hier zu sein!

Marlis Schaeppi

Philip Reich (4)
Philip Reich. Foto: AG

Von Teufen nach Kanada und zurück

Er spielt Hockey und liebt Donuts, Angeln auf dem See im kanadischen Magnetawan vermisst er, aber er mag auch die Nähe zur Stadt und zu den Bergen, hier an seinem jetzigen Wohnort in Niederteufen. Seine Heimat ist Kanada, doch die Verbindung zu Teufen ist spürbar. Aufgewachsen ist Philip Reich in Magnetawan in Kanada, etwas nördlich von Toronto. Seine Eltern führen dort ein Motel.

Teufen kannte er bis vor sechs Jahren von seinen Ferienaufenthalten bei den Grosseltern, Emmi und Sebastian Wagner, die in Niederteufen leben. Und doch verbindet ihn etwas mit Teufen, vielleicht ist es die Mutter, vielleicht die Grosseltern, vielleicht aber auch weil er die Überschaubarkeit den grossen Weiten von Kanada vorzieht.

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Philip Reich (6J.) in der Stube der Grosseltern.

Vor zwanzig Jahren wanderten seine Eltern mit ihm und seinem jüngeren Bruder nach Kanada aus. In einem Dorf mit 300 Einwohnern sei er aufgewachsen, erzählt der 24-jährige Philip Reich in akzentfreiem Schweizerdeutsch. Das Gemeindegebiet sei mehr als doppelt so gross wie Appenzell Ausserhoden und habe eine Bevölkerungsdichte von weniger als drei Personen pro Quadratkilometer (in AR sind es 220 Personen/km2). «Natürlich hat es viel Platz, Natur und die Weite, von der man oft hört, doch das hat nicht nur Vorteile», sagt er. Der Schulweg etwa dauerte mit dem Schulbus eine Stunde. Freunde traf man vorwiegend in der Schule, da alle sehr verstreut lebten.

Nach seinem Schulabschluss mit achtzehn Jahren reiste er in die Schweiz, zu seinen Grosseltern. «In Kanada gibt es keine Berufslehren, das System ist anders aufgebaut. » Und so entschloss er sich, eine Lehre als Schreiner in der Schweiz zu machen. Es sei Zufall, dass er in Teufen gelandet sei, bei seinen Grosseltern, sagt Philip Reich. Doch im Gespräch wird klar, dass es nicht ganz so zufällig war. «Die Berge, die Stadt, alles ist in kurzer Zeit erreichbar, auch Freunde zu treffen ist einfacher hier in der Gegend», sagt er. Das scheint Philip Reich besonders zu mögen, dass eben alles nicht so weit verstreut liegt wie in Kanada.

Im Moment arbeitet er als Schreiner. In seiner Freizeit spielt er Basketball in einem Club in Appenzell und wenn es die Zeit zulässt, trifft er sich mit Freunden zum Hockey Spielen in St.Gallen. «Das Fischen auf dem See vermisse ich schon – einfach mal rausfahren und die Angel ins Wasser halten.» Auch Donuts von Tim Hortons oder eine Spezialität der Kanadier: «Poutine» – Pommes mit Schmelzkäse und Bratensauce.

Wo er sich später mal niederlassen werde, wisse er noch nicht. Im Moment gefällt es ihm hier in Teufen. Zurück in sein Heimatdorf in Kanada möchte er sicher nicht. «Es hat sich so viel verändert.»

Alexandra Grüter-Axthammer

Helene Thöny-Zürcher
Helene und Niklaus Thöny-Zürcher. Foto: ep

Familie Zürcher mit Hansueli, Helene und Walter, 1963.

Von Teufen nach Langwies und zurück

Das Stubenbuffet steht noch am gleichen Platz wie «früehner», als Helene Zürcher mit ihren beiden Brüdern im Sammelbühl aufwuchs, inmitten von Vögeln, Hühnern, und Kaninchen, welche ihr Vater, Briefträger Ueli Zürcher, hegte und pflegte. Helene lernte Damenschneiderin und nahm in Arosa ihre erste Stelle an. Sie hatte Heimweh, denn ihr Stundenlohn von Fr. 1.70 erlaubte ihr nicht, jedes Wochenende nach Hause zu fahren. Zum Glück gab es Mutters Schulkollegin im Restaurant Bahnhof, Langwies, die Helene oft besuchte und ihr zur Hand ging.

Bald kehrte Niklaus Thöny, ein junger Landwirt aus dem Dorf, fleissig ein im «Bahnhof » und übers Jahr, 1968, entführte er die 21-jährige Helene in sein Heimetli am stotzigen Hang, mit Blick auf den Langwieser Viadukt. Und stotzig seien auch ihre ersten Jahre als Bergbäuerin gewesen: «Ein kleines Hüsli mit zwei Schlafzimmern und einer munzigen Küche ohne Wasser, dafür mit dem launischen Schwiegervater als Hausgenossen und einigen «Dorfwiibern», die mich spüren liessen, dass ich keine Ihrige sei, sondern eine Fremde aus dem Unterland.»

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Das Ehepaar Zürcher mit Hansueli, Helene und Walter, 1963.

Besonders streng war es im Winter, wenn Niklaus ausser Haus bei der Rhätischen Bahn arbeitete, während Helene Vieh, Haushalt, Kinder und Schneemassen zu bewältigen hatte. Sie erinnert sich: «Mit einer einfachen Schleuder musste ich mehrmals täglich den Weg pfaden, damit wir überhaupt zu Fuss ins Dorf gelangten. » Es sei ihr heute ein Rätsel, wie sie das alles geschafft habe damals, sagt sie. Später sei es dann besser geworden und auch schöne Zeiten hätten sie gehabt, viel Freude mit den Buben Niklaus und Hansueli, unvergessliche Alpsommer im Fondei.

Als ihre Mutter vor drei Jahren starb, wurde Helene von ihren Brüdern ermuntert, das Elternhaus zu übernehmen und wieder ins «Unterland» zu ziehen. Denn in der Zwischenzeit hatte Sohn Hansueli den Betrieb übernommen. Und Niklaus, war er bereit, sich noch verpflanzen zu lassen und mit seiner Helene ins Appenzellerland zu kommen?

Er war es, fand sich rasch zurecht und lernte auf seinen täglichen Einkehrgängen schon einige Einheimische kennen. Den Bündnerdialekt und ihr herzliches Lachen hat Helene mitgebracht in die alte Heimat. Viele Bekanntschaften von früher hat sie wieder aufgefrischt und neue sind dazu gekommen, auf den Wandertouren der Senioren, wo sie regelmässig dabei ist.

Erika Preisig

Matthias Jäger
Matthias Jäger

Von Teufen um die halbe Welt und zurück

Nach der Matura verliess Matthias Jäger Teufen in Richtung Zürich. Das Leben überholte seine ursprüngliche Idee, nach dem Studium ins Appenzellerland zurückzukehren. Er blieb vorerst als Berufsschullehrer in Zürich. Zwischen zwei Stellen wollte er etwas anderes machen, mal weg von Zürich, und liess sich für zwei Jahre auf ein Entwicklungsprojekt im ländlichen Bangladesch ein.

Aus den zwei Jahren wurden 30, auf Bangladesch folgte Nepal, dann eine Phase als Berater in Zürich mit Aufträgen in Asien, Afrika und dem ehemaligen Ostblock. Acht Jahre im Balkan waren die letzte berufliche Station. Die Notwendigkeit, sich mit der Pensionierung auch geographisch nochmals neu orientieren zu müssen, ist einer der Preise für das Leben mit dem enormen Reichtum an Begegnungen.

Wohin also? Nach Zürich wo Freunde und Tochter wohnen, nach Buchs zur Partnerin, oder dorthin, wo er herkam? Dass ihm Lilly Jäger, die Mutter, ihr Häuschen an der Steinerstrasse überliess und ins Untere Gremm zog, erleichterte seinen Entscheid. Nun wohnt Matthias Jäger seit bald einem Jahr wieder in Teufen, in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem Elternhaus, dem ehemaligen Schulhaus Blatten.

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Matthias Jäger (links) mit den Geschwistern Peter und Vreni, 1956

Für ihn fühlt sich das nicht wie eine Rückkehr an, sondern wie ein neues, spannendes Projekt mit viel Vertrautem, aber noch mehr Unbekanntem. So betrachtete er z.B. die Entschädigungsaffäre neugierig und interessiert durch die Brille und mit der Distanz des internationalen Beobachters, gleichzeitig aber mit viel grösserer Nähe und Betroffenheit als auf beruflichen Stationen. Dabei sah er die entgleiste Praxis durchaus, aber sein korruptionserprobtes Sensorium gab umgehend Entwarnung.

Langjährige Erfahrung mit wirklich schlechter Regierungsführung und schwachen Institutionen richtete seinen Blick schnell auf das Positive, die letztlich funktionierenden Institutionen, die engagierten Menschen auf beiden Seiten der Konfliktlinie, die Rolle der Tüüfner Poscht, das eher unnötige Ausmass von Skandalisierung und Eskalation. Matthias Jäger lässt auf sich zukommen, in welcher Balance zwischen Internationalem und Lokalem sich sein persönliches Altersprojekt weiter entwickeln wird.

Notiert: Erika Preisig

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