Für einmal führt der Gemeindepräsident das Interview mit der TP über das Telefon. Auch im Gemeindehaus gilt Maskenpflicht. Foto: Reto Latzer
An seiner Sitzung vom 20. Oktober befasste sich der Gemeinderat auch mit der Idee der «Gemeinde Mittelland». Sie ist eine Interpretation des Gegenvorschlags der Ausserrhoder Regierung zur Volksinitiative «Starke Ausserrhoder Gemeinden» (die Details lesen Sie hier). Der Gemeinderat signalisiert, dass er die radikalste Variante mit vier Ausserrhoder Gemeinden klar ablehnt. Gemeindepräsident Reto Altherr erklärt im Interview warum.
Herr Altherr, als wir Sie um dieses Interview baten, willigten Sie unter der Bedingung ein, dass immer klar ist, welchen Hut Sie gerade anhaben. Welche gibt es?
In dieser Frage trage ich zwei Hüte. Einerseits den des Gemeindepräsidenten von Teufen. In dieser primären Funktion gebe ich nun auch dieses Interview. Aber bei diesem kantonalen Thema trage ich auch noch den Hut als Präsident der Ausserrhoder Gemeindepräsidentenkonferenz.
Und inhaltlich widersprechen sich diese Rollen?
Nein. Aber in gewissen Fragen kann es vorkommen, dass die Prioritäten der zwei Gremien – Gemeinderat und Gemeindepräsidentenkonferenz – etwas unterschiedlich sind.
Nun, erst zum Gemeinderat. Die gestrige Medienmitteilung macht deutlich, dass man sich gegen die radikalste Variante mit vier Ausserrhoder Gemeinden stellt. Einstimmig?
Wir publizieren keine internen Abstimmungsergebnisse. Wir waren uns aber in der Stossrichtung einig.
Die Gründe?
Wir als Gemeinde Teufen stehen aktuell sehr gut da – sowohl finanziell als auch infrastrukturell. Wir streben deshalb von uns aus keine Fusion an, und lehnen eine solche ab, wenn sie die Attraktivität unserer Gemeinde schmälern könnte. Aber uns ist auch bewusst, dass es im Kanton Gemeinden gibt, die sich in einer anderen Lage befinden. Deshalb sind wir offen für Diskussionen und begrüssen es, dass der Regierungsrat diese angestossen hat.
Anders gesagt: Weitere Kooperationen wären denkbar?
Wir arbeiten in einigen Bereich schon heute eng mit anderen Gemeinden zusammen. Über eine Intensivierung solcher Kooperationen kann man natürlich diskutieren – genau wie über den Gegenvorschlag des Regierungsrates im Allgemeinen. Wie gesagt: Wir sind diskussionsoffen, wollen aber nicht riskieren, dass Teufens Attraktivität abnimmt.
Die Knacknuss bei einem Zusammenschluss wäre der Steuerfuss.
Genau. Bei einer Fusion könnte sich dieser bei uns in Teufen nur in eine Richtung bewegen: nach oben. Da Teufen der mit Abstand grösste Einzahler in den Kantonalen Finanzausgleich ist, wäre damit ein gewaltiges Risiko verbunden. Denn wenn einige der wichtigsten Steuerzahler aufgrund einer massiven Anpassung des Steuerfusses Teufen und Ausserrhoden verlassen würden – was ich befürchten muss – würde das ein Loch in die Finanzen des ganzen Kantons reissen.
Braucht es denn bei vier Ausserrhoder Gemeinden überhaupt noch einen Finanzausgleich?
Auf jeden Fall. Bei dieser Frage herrscht kantonaler Konsens. Die Steuerkraft ist im Vergleich von Hinter-, Mittel- und Vorderland einfach zu unterschiedlich, als das darauf verzichtet werden könnte.
Dass das die Gemeinde Teufen so sieht, ist offensichtlich. Wechseln wir doch noch einmal den Hut: Wie war die Stimmung in der Gemeindepräsidentenkonferenz?
Das empfand ich als eindrücklich: Als der Gegenvorschlag des Regierungsrates dort besprochen wurde, kam die Thematik der Relevanz Teufens für den Finanzausgleich rasch auf – ohne mein Zutun. Natürlich gab es in diesem Gremium aufgrund der unterschiedlichen Gemeindevertretungen keine einstimmige Meinung zum Vorschlag der Regierung. Aber es war offensichtlich, dass der Kanton die Steuerkraft von Teufen nicht gefährden darf.
Nun gibt es noch weitere Faktoren, die zur Attraktivität Teufens beitragen: Infrastruktur, ÖV-Anbindung, Stadtnähe, kulturelles Angebot, Schulen und, und, und. Ein beschauliches Dorf, das fast alles bietet. Wäre diese Wahrnehmung bei einer Fusion auch gefährdet?
Insbesondere der emotionale Aspekt darf beim Thema Gemeindefusionen nicht ausser Acht gelassen werden. Ein Zusammenschluss würde die Identität von Teufen schwächen. Aber auch die reine Grösse der neu geschaffenen Gemeinde bringt einige Veränderungen mit sich. Auch in der Beziehung zwischen Bürger und den politischen Gremien. Je grösser die Gemeinde, desto schwieriger ist es, die Bürgernähe im Alltag zu leben.
Als Gemeindepräsident von Teufen haben Sie nicht gerade wenig zu tun. Könnten Sie sich überhaupt vorstellen, eine Gemeinde Mittelland zu präsidieren?
(Lacht). Gemäss Appenzeller Zeitung bin ich dafür schon zu alt… Rein theoretisch ist das sicher möglich. Andernorts wird das schliesslich auch gemacht. Aber die Aufgabe ist dann natürlich eine andere – die Flughöhe verändert sich sofort.
Während des Lockdowns im Frühjahr sagten Sie uns, dass Ihr E-Mail-Postfach mit Anfragen von Bürgern überläuft und Ihr Telefon dauernd klingelt. Diese Kommunikation wäre dann wohl nicht mehr Chefsache …
Nein, das ginge dann schlicht nicht mehr in diesem Ausmass. Die Wege würden länger, es bräuchte mehr zwischengeschaltete Stellen. Das schiere Arbeitsvolumen macht das unumgänglich. Das betrifft die gesamte Verwaltung.
Viele sind aber auch der Meinung, die Verwaltung würde effizienter.
Meiner Erfahrung nach arbeiten die Gemeindeverwaltungen in Ausserrhoden heute schon sehr effizient. Das liegt auch daran, dass man in den Bereichen, in denen Kooperationen sinnvoll sind, bereits welche geschaffen hat. Sicher gibt es immer Verbesserungspotenzial. Aber man darf nicht vergessen, dass eine grössere Gemeinde auch Mehraufwände mit sich bringt.
Die viel diskutierte Variante 1 im Gegenvorschlag des Regierungsrates spricht von vier Ausserrhoder Gemeinden – die anderen beiden Varianten sind weniger radikal. Gibt es einen guten Mittelweg?
Sowohl der Gemeinderat Teufen als auch die Gemeindepräsidentenkonferenz begrüssen es, dass der Regierungsrat diese Diskussion anstrebt. Und der Regierungsrat spricht auch in der radikalen Variante 1 nicht von einer «Gemeinde Mittelland». Er nennt im Vernehmlassungsentwurf zur Verfassung gar keine Namen. Vielleicht kommen auch noch ganz neue Interpretationen ins Spiel? Zum Beispiel Funktionsräume statt historische Bezirksstrukturen? So oder so: Mittelfristig müssen die Strukturen angepasst werden. Dass darüber nun debattiert wird, ist deshalb ein gutes Zeichen. tiz