«Ich bleibe positiv»

05.12.2020 | Timo Züst
Peter_Lemmenmeier (2)
Peter Lemmenmeier, Geschäftsführer der Stagelight AG, posierte bereits im April für ein Foto. Die Stagelight AG mit Sitz in Herisau ist von der Corona-Pandemie besonders stark betroffen. Das Unternehmen bietet Showtechnik an und hat aufgrund der abgesagten Veranstaltungen kaum Aufträge. Der Teufner Peter Lemmenmeier ist Geschäftsführer und Gründer. Die TP hat ihn zum Gespräch getroffen. Guten Tag Herr Züst, nun sind wir also wieder hier. Guten Tag Herr Lemmenmeier. Genau. Unser letztes Gespräch war im April. Und leider sind meine Vorhersagen von damals nicht wirklich eingetroffen … Stimmt. Sie hatten auf eine baldige Erholung der Lage und auf erste Grossveranstaltungen im Herbst gehofft. Natürlich war das damals schon eine optimistische Einschätzung. Dass die Massnahmen aber so lange so einschneidend bleiben, hätte ich wirklich nicht erwartet. Im Sommer wären Anlässe mit bis zu 500 Personen erlaubt gewesen. Konnten Sie den einen oder anderen Auftrag verbuchen? Ab dem ersten Lockdown bis Ende Juni war sozusagen überhaupt nichts los. Wir haben lediglich einen «eigenen Anlass» im Casino Herisau ausgerichtet – als Lehrlingsarbeit. Da hat sogar eine Band gespielt und gleichzeitig ein Musikvideo aufgenommen. Natürlich ohne Publikum. Aber einen finanziell wirksamen Auftrag gab es keinen. Und Juli, August und September? Da spürten wir erste Lichtblicke. Zwar verliefen unsere Versuche, mit Grossveranstaltern alternative Anlässe aus dem Boden zu stampfen im Sand, aber … … wie meinen Sie das? Nun, wir sagten uns: Okay, 500 Leute sind erlaubt. Warum suchen wir mit unseren Partnern nicht nach Alternativen? Kleine Konzerte mit Schweizer Bands zum Beispiel. Oder eine Konzert-Reihe. Und, und, und. Möglichkeiten hätte es viele gegeben. Aber wir mussten realisieren, dass kaum jemand bereit war, überhaupt etwas anzureissen. Und falls doch, scheiterte es meist an der Kalkulation. Das gilt beispielsweise für das angedachte «Auto-Konzert» vom Open Air Frauenfeld. Aber es gab trotzdem etwas zu tun? Zum Glück, ja. Sehr erfreulich und wertvoll waren die Aufträge des St. Galler Stadtparlaments und des Ausserrhoder Kantonsrates. Da sie nicht in ihren gewohnten Räumlichkeiten tagen konnten, mussten die alternativen Säle (Kreuzbleiche / Speicher) entsprechend ausgerüstet werden. Ausserdem durften wir das «Theater Spektakel» in Zürich und den «Prix SVC» in der Ostschweiz machen. Insgesamt ist das zwar immer noch ein Bruchteil der Aufträge, die wir normalerweise in der Festival-Saison haben. Aber es hat uns positiv gestimmt. Wie schneiden die Monate seit Lockdown bisher finanziell ab? Mit Ausnahme vom August – da gab es eine schwarze Null – schreiben wir jeden Monat Minus. Und das trotz der wirkungsvollen Finanzhilfen. Die Unterstützungen von Bund und Kanton kommen also an? Mir ist sehr wichtig zu betonen, dass die Finanzhilfen wirksam, unbürokratisch und effektiv sind. An erster Stelle steht dabei die Kurzarbeit. Ohne sie hätte ich meine 30 Mitarbeitenden unmöglich bis heute halten können. Sie mussten noch niemanden entlassen? Nein. Ich halte an meiner Aussage vom Frühling fest: So lange ich auf die Kurzarbeitsentschädigungen zurückgreifen kann, wird das auch nicht passieren. Allerdings muss ich bereits einen Weggang kompensieren. Und das ist auch eine Angst in so einer Situation: Wie lange bleiben meine Leute, wenn sie nichts zu tun haben? Worauf können Sie sich nebst der Kurzarbeit stützen? Ich habe auch auf die Corona-Kredite zurückgegriffen. Erst die zinslosen 500’000 Franken und später ein grösseres, umsatzabhängiges Darlehen. Bei letzterem sind Anfang des kommenden Jahres bereits die ersten Rückzahlungsraten fällig. Aber das ist mir recht. Schliesslich habe ich nicht vor, diese Schulden ewig mitzutragen. Dazu kommen Mietzinsreduktionen. Besonders erfreulich und sehr wertvoll waren auch die Finanzspritzen aus der Kulturentschädigung und ein grosszügiger Beitrag der Steinegg Stiftung. Sie haben Geld von der Kulturentschädigung erhalten? Ja. Natürlich ging dem viel Bürokratie voraus. Wir mussten unsere Zahlen der vergangenen drei Jahre offenlegen. Etwas, das einem als Unternehmer eher unangenehm ist. Aber ich sagte mir: Da musst du jetzt über deinen Schatten springen. Wie viel haben Sie bekommen? Wir haben inzwischen eine Teilzahlung erhalten. Ein namhafter Betrag. Errechnet wurde er auf Basis der Mietkosten unseres Equipments für reine Kulturanlässe – eine Raiffeisen-GV fiel also beispielsweise nicht ins Gewicht. Und dann wurde noch Diverses abgezogen, inklusive bereits bezogener Unterstützungsgelder wir der Kurzarbeit. Nichtsdestotrotz: Die Hilfe ist sehr willkommen und ich bin dafür dankbar. Und diese Beträgt sind «à fonds perdu»? Genau. Im Gegensatz zu den angesprochenen Darlehen.

Das Unternehmen

Die Stagelight AG mit Sitz in Herisau ist spezialisiert auf Veranstaltungstechnik im Bereich Licht, Audio und Video. Die Saison beginnt im März mit diversen GV und HVs. Nach einer Verschnaufpause im Mai finden von Juni bis August anschliessend diverse Grossanlässe statt, die von Stagelight betreut werden. Zu den bekanntesten gehören das Open Air St. Gallen, das Open Air Frauenfeld oder das Gurtenfestival. Im vergangenen Jahr feierte Stagelight ihr 30-jähriges Jubiläum. Seit der Gründung ist das Unternehmen stetig gewachsen: von zwei auf 30 Mitarbeitende. Dazu kommen während der Hauptsaison von März bis August rund 30 freie Angestellte (meist Selbstständige).
Zurück zum operativen Geschäft. Sie sprachen von aufkeimender Hoffnung im Sommer. Wir waren damals guter Dinge. Es fühlte sich nach Aufbruch an. Mittlerweile wissen wir natürlich, dass wir falsch lagen. Seit dem zweiten «Teil-Lockdown» ist wieder tote Hose. Ist der Dezember in normalen Jahren ein einträglicher Monat? Nicht so sehr wie der Sommer oder die GV-Saison Anfang Jahr. Aber sonst haben wir jeweils noch gut zu tun, ja. Ein paar Beispiele: Weihnachtsanlass von Stadler Rail, Humorfestival Arosa, Spengler Cup und Vorbereitungsarbeiten fürs WEF. Traditionell eher schwach sind bei uns Januar und Februar. Normalerweise können wir diese Flauten mit den Umsätzen des Vorjahres überbrücken. Aber heuer wird das natürlich doppelt schmerzen. Damit wären wir wieder bei den Zukunftsprognosen. Allzu rosig sehen diese leider nicht aus. Die ersten Raiffeisen-GVs wurden bereits abgesagt. Immerhin: Viele Banken wollen ihre Versammlungen nach wie vor durchführen. Darauf hoffen wir natürlich. Denn für uns ist jeder Auftrag wertvoll – auch mit einer begrenzten Anzahl Zuschauer. Werden diese gestreamt? In vielen Fällen, ja. Solche Aufträge hatten wir in diesem Jahr einige. Mit dem Ausbau unserer Video- und Streaming-Technik haben wir definitiv aufs richtige Pferd gesetzt. Die jüngste Info-Veranstaltung der Gemeinde Teufen zum Voranschlag 2021 wurde auf Video aufgenommen und später ins Internet gestellt. Könnten Sie so etwas auch streamen? Aber klar! Dieser Auftrag würde mich als Teufner besonders freuen. Die GV-Saison wackelt also bereits. Was erwarten Sie generell fürs 2021? Werden die Festivals ihre bereits publizierten Line-Ups wirklich einladen können? Schwierig zu sagen. Meine Meinung: Fifty-Fifty. Es geht dabei ja nicht nur um die Schweizer Corona-Politik, sondern um den globalen Umgang mit dem Virus. Für die Schweizer Festivals sind nicht nur die Schweizer Musiker wichtig. Die meisten stützen sich hauptsächlich auf internationale Acts. Wenn diese nicht einreisen können oder wollen, ist der ganze Anlass gefährdet. Wie also wird 2021 veranstaltungstechnisch? Ich vermute besser als 2020 aber noch lange nicht wie 2019. Direkt gefragt: Würde Ihr Unternehmen ein zweites 2020 überhaupt überleben? Nein. Zumindest wären wir danach nicht mehr das gleiche Unternehmen. Wir müssten in einen radikalen Überlebensmodus umschalten. Sprich: Verkaufen, was sich verkaufen lässt. Und das ist keine «echte» Strategie. Aber ich bleibe positiv. Ich gehe nicht davon aus, dass das nächste Jahr gleich schlimm ist. Nur schon deshalb, weil wir doch unmöglich ewig so weitermachen können. Protestieren Sie nach Feierabend also nicht gegen die Corona-Schutzmassnahmen? Definitiv nicht (lacht). Natürlich gibt es in der Branche Stimmen, die mehr Widerstand fordern. Aber ich habe immer abgelehnt. Wie kann ich auf der einen Seite die Hilfsangebote der Regierung annehmen und auf der anderen Seite demonstrieren? Ich bin schon der Ansicht, dass wir längerfristig einen anderen Umgang mit dem Virus finden müssen. Aber auf die Barrikaden zu gehen, ist jetzt nicht sinnvoll. Etwas enttäuscht bin ich aber über die ausbleibende Entschädigung für Mitarbeitende in arbeitgeberähnlicher Stellung, da besteht noch Handlungsbedarf. Klar ist: Die kommenden Monate werden wir als Unternehmen sicher noch überleben. Dann schauen wir weiter. tiz

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