Sepp Zurmühle
Wer kam noch nie am Eckhaus an der Battenhusstrasse 4 vorbei und hat sich gefragt, was diese Firma wohl macht? Dabei bietet die Remo AG für jede mechanische Fragestellung rund um Motoren, Gelenkwellen, Hydraulik, Fahrzeugelektrik und auch CNC-Fertigungstechnik seit 1951 individuelle Lösungen an. Am Samstag, 11. September, gibt es die Gelegenheit hinter die Kulissen des Traditionsbetriebes zu blicken.
Tag der offenen Tür
«Goht nöd, gits nöd.» Mit diesem Satz bringt Geschäftsführerin Daniela Leirer beim Rundgang durch den Betrieb das Leitmotiv des Unternehmens auf den Punkt. «Unzählige Garagisten, Baugeschäfte, Landmaschinenwerkstätten, Transportunternehmen, Eisenbahnbetriebe, aber auch private Fahrzeug- und Anlagebesitzer, waren in den letzten 70 Jahren schon ein- oder x-Mal froh, wenn ihnen jemand einen alten Motor oder ein mechanisches Werkstück entweder reparieren oder stellvertretend ein neues, exakt passendes Ersatzteil anfertigen konnte. Genau das ist das Kerngeschäft der Remo AG. Bei vielen – vor allem älteren – Fahrzeugen, Maschinen und Anlagen können Ersatzteile nicht einfach von der Stange gekauft werden. Oft sind es sogar ‘exotische’ Raritäten aus der ganzen Welt, z.B. geliebte Oldtimer-Fahrzeuge oder -Schiffe, die ihren Dienst versagen, weil eine oder mehrere mechanische, bzw. elektrische Komponenten defekt sind. Hier kommen wir ins Spiel.»
Mechanik vom Feinsten
In den verschiedenen Produktionsräumen der Remo AG stehen dicht gedrängt unzählige Geräte, Spezial-Maschinen und Werkzeuge. Mechanische Teile werden sandgestrahlt, gewaschen, gedreht, gefräst und ausgebüchst, mit höchster Präzision flach- oder rundgeschliffen, geschweisst, gepresst, ausgewuchtet, keilbahngestossen oder erodiert. Auch auf die computergesteuerte CNC-Bearbeitung und -Fertigung von Klein- bis Mittelserien von Präzisionsteilen hat sich die Remo AG spezialisiert. Dazu gehört die Anfertigung von Prototypen und individuellen Einzelteilen.
Honen hat nichts mit Hohn zu tun
«Haben Sie den Begriff ‘Honen’ schon einmal gehört und wissen Sie was damit gemeint ist?» Die rote Maschine in der Ecke neben dem Raumeingang kann es. Mittels verschiedenen Werkzeugaufsätzen – welche eher an die Arbeit eines Kaminfegers erinnern – können z.B. die runden Innenwände von Zylindern (Kolbenlaufflächen von Verbrennungsmotoren oder Hydraulik-Bauelementen) selbst-zentriert, form- und massgenau, ausgeschliffen werden.
Motoren komplett revidieren
Das historische Kerngeschäft ist die Revision von Verbrennungsmotoren. Dort steht ein alter Schiffsmotor – Volvo Penta, 6 Zylinder, 1971 – mit Ventilschaden. Gleich daneben der fast 100-jährige 6 Zylinder LKW-Motor eines Sauer Lastwagens, Baujahr 1928. Das vom Eigentümer mitgelieferte Bild des roten Lastwagens, welcher Baumstämme transportierte, ist am Lagergestell befestigt.
Unter der Leitung von Kurt Fässler arbeiten Irfan Osmani und Armin Schwab in der Abteilung Motoren / Zylinderschleifwerk. Sie alle engagieren sich seit mehr als 20, bzw. gar 30 Jahren in der Firma Remo AG. Irfan Osmani hebt soeben – mittels eines kleinen Hebekrans – einen blitz-blank gereinigten 4 Zylinder Motorblock aus dem 80 Grad heissen Ultraschall-Wasserbad.
Danach geht’s ans Zusammenbauen. Die anderen revidierten Ersatzteile des VW Scirocco Sportcoupés 1987 liegen auf der Werkbank bereit. Der Motorblock wird kopfüber eingespannt, die Auflager eingeölt, die Kurbelwelle eingelegt, mit Schrauben fixiert, mittels Drehmomentschlüssel mit 70 Nm festgeschraubt und die reibungsarme, spielfreie Drehung der Welle von Hand geprüft… Der revidierte Zylinderkopf mit oben liegender Nockenwelle liegt zur Montage bereit. Wunderbar sind die perfekt eingepassten Ein- und Auslassventile und der 100% plan geschliffene Sitz der künftigen Zylinderkopfdichtung zu sehen.
Gelenkwellen und Hydraulik
Viele Antriebe und Kraftübertagungen aller Art bei Fahrzeugen und Baumaschinen funktionieren über Gelenk-, Doppelgelenk- und Kardanwellen oder via Hydraulik-Zylinder. «Beim Defekt eines solchen Bauteils muss es meist sehr schnell gehen. Viele Kunden wollen möglichst unverzüglich weiterarbeiten können», schildert Fabian Müller, stv. Abteilungsleiter die Situation. «Revidieren wir die alte Antriebswelle oder bauen wir schneller und je nach Schadenfall günstiger eine neue?» Zusammen mit dem Kunden wird die Vorgehensweise definiert. Hugo Kränzlin führt die Abteilung. «Häufig ist das Anfertigen einer neuen Gelenkwelle, Kolbenstange oder ganzen Hydraulikzylindern schneller und unter dem Strich günstiger oder einfach die einzige mögliche Lösung».
Beeindruckend für den Besucher der Remo AG sind die meist von Hand beschrifteten, kleinen bis richtig grossen, Ersatzteile in den Lagergestellen. Die Haupt-Komponenten werden weltweit eingekauft, die Rohre auf Länge angepasst, eingepresst, verschweisst usw. Zum Service gehört zudem die Komplettrevision von ganzen Hydraulik-Systemen.
Lehrling übernimmt die Fahrzeug-Elektrik
2010 konnte die Remo AG den Bereich Fahrzeug-Elektrik der St. Galler Firma Stieger-Bosch AG übernehmen, samt Maschinen, Inventar und Werkstattleiter Alex Keel. Dieser ist mittlerweile auf dem Weg in die Pension. Valentin Brunner, der seine Lehre bei der Remo AG als Produktionsmechaniker im Sommer 2021 mit der Glanznote 5.7 abschliessen konnte, übernimmt – unter Anleitung von Alex Keel – nun Schritt für Schritt die Verantwortung der Abteilung Fahrzeug-Elektrik.
Die Abteilung ist spezialisiert auf die Revision von Lichtmaschinen, Alternatoren, Anlassern, Zündverteilern bis hin zu Elektromotoren aller Art (Lüfter, Fensterheber usw.). Die Remo AG hilft auch bei der Diagnose und Fehlersuche an Fahrzeugen und führt Installationen aus.
Aus der Geschichte
Die Herren Münch, Schenkel und Biland gründeten 1951 das «Zylinderschleifwerk für Verbrennungsmotoren, Diesel und Benziner». Bereits 1959 wurde das Unternehmen durch einen Brand vollständig zerstört und konnte erst 18 Monate später seinen Betrieb im damaligen Neubau am heutigen Standort wieder aufnehmen. Die Post Lustmühle war für einige Jahre ebenfalls im Gebäude eingemietet. In den beiden Obergeschossen entstanden sechs Dreizimmer-Wohnungen. 1961 wurde der erste Lehrling eingestellt. Total hat die Remo AG seither über ein Dutzend Lehrlinge ausgebildet. Heute wird die dreijährige Lehre zum Produktionsmechaniker angeboten.
Seit 1969 werden Gelenkwellen repariert und über die Jahre kamen schrittweise neue Bearbeitungstechniken und viele weitere Maschinen dazu.
1988 verkauften die drei Gründer ihre Anteile. Fritz Leirer (seit 1965 Gründer und Inhaber der Firma Sportgarage Leirer AG Stein und St. Gallen) konnte 50% der Aktien der Remo AG übernehmen (2007 und 2010 weitere Anteile dazu) und ist heute noch Verwaltungsratspräsident des Unternehmens.
Seine Tochter Daniela übernahm 2012 letzte Anteile von Franz Frei und hat seither die Geschäftsleitung inne. Fabian Müller ist ein Enkel von Fritz Leirer. Er schloss 2009 seine Lehre in der Gelenkwellenabteilung ab und engagiert sich seit 2016 wieder im Betrieb. Dies macht die Remo AG zu einem richtigen Familienunternehmen. Heute umfasst das Team sieben männliche Mitarbeitende in der Mechanik und zwei weibliche Personen in der Administration, z.T. in Teilzeit.
