Gonten und Anna Koch

18.01.2025 | Sepp Zurmühle

Bei prächtigem Winterwetter wandern 34 Teilnehmende durch die leicht verschneite und gefrorene Moorlandschaft zwischen Gontenbad und Gonten. In der Kirche Gonten erzählt Wanderleiterin Rosy Rechsteiner aus Haslen einen «föcheligen» Auszug aus der tragischen Lokalgeschichte.

Das erste Wanderdatum wurde wetterbedingt um eine Woche verschoben. Aber heute am 16. Januar 2025 ist ein prächtiger Wandertag. An vielen Orten in der Schweiz dominiert der Hochnebel, nicht so im Appenzellerland, speziell am Vormittag.

Auf dem Barfussweg

Mit guten Winterschuhen und teilweise ergänzt mit Wanderstöcken und Schuh-Spikes, machen sich die Teilnehmenden ab der Mineralwasser-Firma Goba in Gontenbad auf den Weg durch die herrliche, geradezu mystisch wirkende Winterlandschaft an diesem Morgen.

Im Gontenmoos, das wir durchwandern, wurde früher Torf gestochen. Davon zeugen heute noch ein paar schöne «Gädeli». In einem davon befindet sich ein kleines Museum mit Bildern und Werkzeugen von anno dazumal. Dieses ist jedoch geschlossen.

Die beliebte Langlauf-Loipe ist wegen zu wenig Schnee ebenfalls nicht in Betrieb. So können wir einen Teil des Weges neben oder gar auf der gefrorenen Piste wandern und plaudernd die schöne Landschaft geniessen. Schliesslich haben sich viele von uns im neuen Jahr noch nicht gesehen.

In Gonten angekommen

Gegen Mittag erreicht die Gruppe das Dorf Gonten, das im 12. Jahrhundert «Gumbton» (Wasserlache) genannt wurde. «E Gonte» bezeichnet im Appenzeller Dialekt «eine Pfütze». Heute zählt Gonten rund 1500 Einwohnende. Der Tourismus ist fest verankert. Im Gewerbebereich dominieren namhafte Holzverarbeitungsbetriebe.

Bevor wir das Restaurant betreten, führt uns die Wanderleiterin zu einer kurzen Besichtigung in die Katholische Pfarrkirche St. Verena, welche 1863 im neugotischen Stil erbaut wurde.

Wir setzen uns auf die hölzernen Kirchenbänke und hören der schauerlichen Geschichte zu, die erzählt wird. Das Ganze hat sich nachweislich vor rund 175 Jahren ereignet.

Da einige der Anwesenden aus akustischen Gründen den tragischen Vorkommnissen nicht ganz folgen konnten und es gesellschaftlich interessant ist, schildern wir einen Auszug davon; tief betroffen vom damaligen Umgang miteinander.

Letztmals 1849

Anna Maria Koch vom Hüttenberg ob Gonten (1831-1849, ‚Riedsennegnazis Nann‘) war nach zeitgenössischen Darstellungen eine etwas verzogene, hoffärtige Person, die eine starke Wirkung auf die Männerwelt ausübte und sich dessen wohl bewusst war. Sie hatte eine Liebesbeziehung zu dem aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Johann Baptist Mazenauer.

Da sie diesen des öfteren betrog, wandte sich Mazenauer der Magdalena Fässler vom Gschwend ob dem Jakobsbad (1831-1849) zu.

Die im Stolz verletzte Koch folgte ihrer Nebenbuhlerin an Fronleichnam 7. Juni 1849 und ermordete sie. Die Leiche fand man wenige Tage später in einem künstlichen Weiher, der Teuchelrose, unweit der Ortschaft Gonten. Wertvolle Trachtbestandteile wie die Brüechlikette und das Halsnoster waren mit Gewalt entfernt worden, die Kleidung zerrissen. Da keine weiteren Gewaltspuren erkennbar waren, gingen die Behörden davon aus, die Tote sei ohne äussere Einwirkung in den Weiher gefallen und ertrunken. Auf Nachfrage erinnerte sich der Goldschmied, dass ihm «die Koch» die vermissten Schmuckstücke zum Kauf angeboten habe. Deshalb wurden Koch und Mazenauer zunächst verdächtigt, die Leiche gefunden und beraubt zu haben.

Im Untersuchungsverfahren suchte die eifersüchtige Koch nach Kräften, den behördlichen Argwohn auf ihren ehemaligen Liebhaber zu lenken. Sie behauptete, sie sei schwanger und Mazenauer sei daran schuld. Den fraglichen Trachtenschmuck habe sie von diesem erhalten, um damit ein Hochzeitskleid zu kaufen. Diesen dreisten Lügengeschichten wehrlos gegenüberstehend, geriet der unbeholfene Mazenauer unter Verdacht, die Magdalena Fässler nicht nur beraubt, sondern auch ermordet zu haben. Koch und Mazenauer wurden verhaftet. Die Koch stand unter Hausarrest bei der Familie des Landweibels, während man Mazenauer in die «Kiste» sperrte, eine hölzerne Zelle auf dem Dachboden des Appenzeller Ratshauses. Diese war so niedrig, dass es dem Verdächtigten unmöglich war, darin aufrecht zu stehen. Da der zu Unrecht Beschuldigte selbstverständlich alles leugnete, griffen die Behörden zum Mittel der «peinlichen Befragung». Johann Baptist Mazenauer war der letzte Mensch, der im Kanton Appenzell Innerrhoden im Namen der Gerechtigkeit die Folter erlitt.

Die Geschichte nahm eine Wende, als sich Anna Koch am 1. September 1849 durch Flucht weiteren Untersuchungen entzog. In Rankweil wollte sie beichten. Der Vorarlberger Priester verweigerte ihr jedoch die Absolution, solange sie ihre Schuld nicht öffentlich bekannt habe. Darauf stellte sie sich der Appenzeller Justiz. Nach einem Teilgeständnis verwickelte sie sich immer mehr in Widersprüche und gestand schliesslich die volle Wahrheit.

Nachdem sich die Grossräte nochmals den Hergang der aufsehenerregenden Mordtat von Gonten hatten schildern lassen, verurteilten sie Anna Maria Koch mit 92 gegen 6 Stimmen zum Tod durch das Schwert. Koch wurde gleichentags auf der Appenzeller Richtstätte, dem sogenannten Galgenring unweit der Ziegelhütte – mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten – vom Scharfrichter geköpft. Damit war sie die letzte Person im Kanton, an der ein Todesurteil vollzogen wurde.

Die eigentlich tragische Figur war jedoch Johann Baptist Mazenauer. Er trug von der Folter bleibende körperliche Schäden davon. Mit seinen Rechten unvertraut, brachten ihn die Behörden sogar dazu, auf eine Entschädigung für die erlittene Pein zu verzichten.

Quelle: Protokoll der Sitzung des Grossen Rates des Kantons Appenzell Innerhoden vom 3. Dezember 1849. Der Grosse Zweifache Landrat trat an jenem Tag unter dem Vorsitz von Landammann Johann Baptist Dähler (1805-1879) zu einer Sondersitzung als «Blutgericht» zusammen. Appenzell Innerrhoden kannte damals noch keine Gewaltenteilung. Justiz und Parlament bildeten erst ab der Kantonsverfassung von 1873 separate Gremien. Appenzell Ausserrhoden vollzog diesen Schritt in der Kantonsverfassung von 1858. Mehr dazu hier: https://www.zeitzeugnisse.ch/detail.php?id=38&stype=4

Gulasch vor dem Rückmarsch

Im Restaurant Krone werden die Wanderfreunde kulinarisch verwöhnt, mit Suppe, Salat und Gulasch oder Vegetarisch. Nach einem Kaffee geht es auf den Rückweg via Loos, dem Südhang entlang, Richtung Grossheimat und Säge zurück nach Gontenbad.

Direkt am Weg zeigt sich gar ein weisses Wiesel mit dunkler Schwanzspitze. Nachdem es sich mehrmals aufgebäumt hat, verschwindet es im nahen Mausloch.

Der Himmel ist unterdessen eingetrübt. Der angekündigte Hochnebel hat das Appenzellerland doch noch erreicht. Einzelne wandern trotzdem weiter bis Appenzell und steigen dort in einen der roten Bahnwagen, der sie sicher zurück nach Hause fährt.

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