Der Tessiner Journalist und Hilfswerkmitarbeiter Roberto Simona war zu Gast an der Kanzel im Predigtgespräch mit Pfarreileiter Stefan Staub. Neben aktuellen Lageberichten aus Syrien versuchte er seine Botschaft herüberzubringen: Gewalt ist nicht die Lösung, auf die abscheulichen Gewaltexzesse der Dschihadisten zu reagieren.
Roberto Simona kennt das bedrohte Leben der Christen in Syrien durch seine regelmäßigen Reisen in die zerstörten syrischen Städte. Er ist Fachperson für christliche Minderheiten in muslimischen Ländern und in der Ex-Sowjetunion bei „Kirche in Not“ international. Bei der Schweizerischen Bischofskonferenz ist er Experte bei Fragen zum Islam.
„Lieben bedeutet sich zu engagieren“, sagte Roberto Simona einleitend. Man engagiere sich, um zu verteidigen, was man liebe: die Familien, die Kinder, die Partner, die eigene Identität und religiöse Zugehörigkeit. Im Nahen Osten seien tausende aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung sogar bereit zu töten. Die Konsequenzen seien fatal, auch in jenen Ländern wie Syrien, Irak, Pakistan oder Nigeria, in denen sein Hilfswerk „Kirche in Not“ aktiv sei, wo Christen systematisch verfolgt werden.
Auch in Syrien setzten sich Menschen auf beiden Seiten des Bürgerkriegs auf ihre Weise für ihre Ideale ein und nähmen dabei keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Die westlichen und arabischen Staaten unterstützten jeweils jene Gruppe, die ihren eigenen Auffassungen und Interessen am besten entspreche. Die Folgen sind erschreckend: mehr als 250’000 Tote, 4 Millionen Flüchtlinge, 12’000 getötete Kinder, 7 Millionen Vertriebene. Vier von fünf Syrern leben in Armut, mehr als 60 Prozent sind arbeitslos.
Gewissenskonflikte
Simona berichtete aus seiner Zeit, als er für eine Organisation Gefangenenbesuche machte und dabei auch mit Gefängniswärtern reden konnte, die Menschen gefoltert hatten. Dürfen Menschen gefoltert werden, wenn dank dank diesen Informationen Menschen gerettet und Attentate verhindert werden können? Ein Zwiespalt, der ihn selber sehr beschäftigte. Ist es erlaubt, Gutes zu tun durch das Böse? Seine Antwort war am Schluss eindeutig Nein: „Gewalt und Evangelium gehören nie zusammen.“ Die Lehre des Evangeliums sei nicht verhandelbar.
Als Illustration schilderte er eine eindrückliche Begegnung mit einer jungen Christin aus dem Irak, deren Eltern getötet wurden, die alles verloren hatte und gefoltert wurde, bevor sie vor den Dschihadisten flüchten konnte. „Wir müssen die Worte des Evangeliums ernst nehmen, auch wenn wir in Frieden und Wohlstand leben wie bei Ihnen in der Schweiz“, habe sie ein Jahr danach zu ihm gesagt. „Sonst ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass unsere grausamen Neigungen über unsere christlichen Werte und das Zeugnis siegen, das wir der Welt geben sollen.“
„Leben bedeutet sich zu engagieren – aber es bedeutet, durch Gutes Gutes hervorzurufen“, schloss Simona den Bogen. Es gehe darum, den inneren Frieden zu gewinnen und vorzuleben, auch wenn das oft schwer falle. Diesen Frieden wünsche er den Angehörigen aller Religionen, aber primär müsse er selbst lernen, die anderen zu akzpetieren. Es sei nicht unsere Aufgabe, den Islam zu reformieren, aber man dürfe von den Muslimen, die hier lebten, erwarten, dass sie die universellen Werte respektieren, und dazu gehöre auch die Religionsfreiheit.
Erich Gmünder