Gedächtnistraining arbeitet mit Erinnerungen

09.11.2017 | Alexandra Grueter-Axthammer
GedächtnistrainingLindenhügel(3)
Matha Fässler ist eine begeisterte Besucherin des Gedächtnistrainings im Haus Lindenhügel.

Bildbericht: Alexandra Grüter-Axthammer

Im Atelier des Altersheims Lindenhügel wird gestaltet und gebastelt, vorgelesen und gemalt. Am Montagnachmittag wird jeweils das Gedächtnis trainiert. Von den 32 Bewohnerinnen und 6 Bewohnern des Heims besuchen rund zehn bis vierzehn, vorwiegend Frauen, diese Runde.

Sonnenblumen und bunte Blätter hängen an den Wänden, selbst gestaltet von den Teilnehmerinnen. Elsbeth Werthmann achtet darauf, dass das Programm jeweils der Jahreszeit angepasst ist und einen Bezug zur Aktualität hat. Die Fachfrau ist seit einem Jahr zuständig für die Aktivierung der Bewohnerinnen und Bewohner im Lindenhügel.

In all den Aktivitäten gehe es darum, die Möglichkeiten der Menschen zu erhalten oder teilweise zugedeckte Ressourcen wieder hervorzuholen, sagt sie.

Erinnerungen wecken

Genau das ist auch das Ziel im Gedächtnistraining am Montagnachmittag in den zwei unterschiedlich starken Gruppen. An diesem Montag treffen sich acht Pensionärinnen und ein Pensionär in der ersten Gruppe.

Liselotte Heeb weiss viel vom «Zibelemärit» zu erzählen.

Das Training dauert 75 Minuten, danach kommt noch eine zweite Gruppe. «Die erste Gruppe ist kognitiv stärker, in der zweiten Gruppe gibt es einige Teilnehmende, welche an Demenz erkrankt sind», sagt Elsbeth Werthmann.

Auch in der zweiten Gruppe geht es darum, Erinnerungen wach zu rufen, daran anzuknöpfen und das Gedächtnis der Teilnehmerinnen zu aktivieren. «Es entstehen oft ganz unvorhersehbare Gespräche», sagt Elsbeth Werthmann, und genau das mag die 54-Jährige an ihrer Arbeit. «Diese Menschen bringen so viel Lebenserfahrung mit», sagt sie.

Die falschen Marroni

In St.Gallen ist das Riesenrad aufgestellt und die OLMA in vollem Gange, auf dem Tisch im Atelier liegen Marroni, eine Tüte Magenbrot und eine Zuckerwattenattrappe – Jahrmarkt im Lindenhügel. Pünktlich treffen die Teilnehmenden im Atelier ein, setzen sich an den Tisch und merken schnell, dass die Magenbrottüte leer ist und die Marroni nur Rosskastanien sind – sie nehmen es mit Humor und bereits entstehen Diskussionen über den persönlichen Geschmack: «Ou nei, Zuckerwatte, die ist ja viel zu süss.» «Bei uns gab es die Messemocken.»

Auch Edith Kohler besucht das Gedächtnistraining regelmässig.

Alte Erinnerungen werden wach und die Frauen am Tisch erzählen von persönlichen Erlebnissen an den Märkten ihrer Heimatregion. «Mir wurde übel auf den Bahnen.» – «Ich würde heute noch auf d’Riitschul, wenn ich könnte.»

Und genau darum geht es im wöchentlichen Gedächtnistraining; an Erinnerungen anzuknüpfen und diese mit der Gruppe zu teilen. Man sieht in den Gesichtern der Leute, wie ihnen einiges aus der Vergangenheit einfällt, sie reden darüber und manch ein gelungener Witz bringt die Gruppe zum Lachen.

Manchmal denken sie auch angestrengt nach, wenn sie nach einem Namen suchen oder sich an die damaligen Preise für die «Riitschuel und Schifflischaukle» erinnern. Geschickt lenkt Elsbeth Werthmann dann in die Gegenwart: «Mit dem Geld würde wohl ihr Urenkel heute nicht mehr weit kommen auf dem Jahrmarkt.»

«Immer loschtig»

Ruth Brülisauer lebt zusammen mit ihrem Mann seit einem Jahr im Lindenhügel und besucht das Gedächtnistraining regelmässig. «Wenn möglich besuchen wir alle Aktivitäten, ausser den Handarbeiten, das kann ich nicht mehr wegen den Händen.» Sie schätzt das gut vorbereitete Gedächtnistraining bei Elsbeth Werthmann und auch die anderen wiederkehrenden Veranstaltungen. «Wir sind wie eine grosse Familie und es ist immer loschtig».

Elsbeth Werthmann ist Fachperson in aktivierender Betreuung FAB und dipl. Sozialarbeiterin FH.

Elsbeth Werthmann passt das Gedächtnistraining nicht nur der Saison an, sondern auch den Teilnehmenden, und sie weiss, dass diese Gruppe auch gerne mal etwas aufschreibt. So animiert sie die Gruppe, alle Märkte aufzuschreiben, die sie kennen und ihnen in den Sinn kommen. Da kommt vom Zibelemärit über den Schuh- und Pelzmarkt einiges aufs Papier. Und am Ende gibt es dann doch noch echtes Magenbrot zum Zvieri und etwas zu trinken, und eine neue, schöne Erinnerung hat Platz gefunden im Erfahrungsschatz der Menschen.

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