Für eine Kirche, die der Gemeinschaft dient

02.12.2016 | Erich Gmünder
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Marion Schmidgall (links) ist als Nachfolgerin von Yvonne Angehrn nominiert, welche das Mesmeramt übernommen hat. Foto: EG

Erich Gmünder

Am Sonntag, 4. Dezember wählt die evangelische Kirchgemeinde eine neue Präsidentin. Marion Schmidgall Mäder soll Yvonne Angehrn ersetzen, welche nach der Anstellung als Mesmerin ihren Rück­tritt eingereicht hatte.

Nur noch wenige Tage ist Yvonne Angehrn evangelische Kirchgemeindepräsidentin – und gleichzeitig als Mesmerin ihre eigene Angestellte. Mit dieser aussergewöhnli­chen Konstellation ist am Sonntagvormittag Schluss. Im Anschluss an den anKlang-Gottesdienst wird sie ihre letzte Kirchgemeindeversammlung eröffnen und die Wahl ihrer Nachfolgerin leiten.

Respekt vor der neuen Aufgabe

Marion Schmidgall hatte ein paar schlaflose Nächte, wie sie unumwunden zugibt, bevor sie der Kirchenvorsteherschaft nach länge­rer Bedenkfrist zusagte. Ihren Respekt kann Yvonne Angehrn nachvollziehen. «Die riesi­ge Verantwortung hat auch mich etwas ab­geschreckt, als ich vor fünf Jahren angefragt wurde.» Doch heute sei für sie klar, sie würde das Amt jederzeit wieder antreten. Sie habe viel lernen dürfen und sei vom Team grossar­tig unterstützt worden.

Ein Verdienst, das sie auch ihrer Vorgän­gerin Helen Höhener zuschreibt. Unter ihrer Führung war die Kirchenvorsteherschaft reorganisiert worden. Alle erhielten einen eigenen Verantwortungsbereich, den sie mit viel Engagement ausfüllten. So habe sich die Belastung in Grenzen gehalten.

Zusammen mit dem dynamischen Pfarrerinnenteam seien viele neue Akzente gesetzt worden. So wurden u.a. der anKlang-Gottes-dienst und der Sympa-Tisch angestossen und die Angebote der Jugendarbeit ausgebaut. Neu organisiert wurde auch der Besuchs­dienst, wo Freiwillige unter Anleitung der Pfarrerinnen, Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder angeschlagener Gesundheit besuchen – und damit diese auch entlasten.

«Wir sind Christen»

Verstärkt wurde auch die ökumenische Zu­sammenarbeit, wobei eine zweite ausserge­wöhnliche Konstellation mitspielte: Präsident der katholischen Kirchgemeinde ist ihr Mann Alfons Angehrn, was die Zusammenarbeit sicher erleichtert habe. Ein schöner Zufall, dass auch Marion Schmidgall in einer ökume­nischen Ehe lebt. In immer mehr Bereichen wie der Jugend- und der Seniorenarbeit werde überkonfessionell zusammengearbeitet. So betont Marion Schmidgall, dass sich bei dem von der katholischen Pfarrei ins Leben geru­fenen Hilfskonvoi für Kurdistan auch viele evangelische Mitchristen engagiert hätten.

«Wir sind alles Christen», betonen beide unisono. Trotzdem sollen die Kirchen auch weiterhin ein Eigenleben führen.

„Passt zu meiner Lebenssituation“

Dass sie sich jetzt zur Übernahme des Amtes entscheiden konnte, habe auch mit ihrer ei­genen Lebenssituation zu tun, erzählt Mari­on Schmidgall. Einerseits nimmt sie sich viel Zeit für ihre betagte Mutter und werde dabei mit existenziellen und spirituellen Fragen konfrontiert, anderseits sieht sie seit der Kon­firmation ihres Sohnes den wichtigen Einsatz in der Jugendarbeit. «Die Kirche gibt viele Antworten auf Fragen nach dem Sinn des Lebens. Wir möchten diesen Werten in einer Zeit, die von Egoismus und Konsum geprägt ist, wieder einen höheren Stellenwert geben und den Menschen Gemeinschaft ermögli­chen.»

Marion Schmidgall ist in Teufen auf­gewachsen und nach einer Ausbildung als hauswirtschaftliche Betriebsleiterin für ein Entwicklungsprojekt nach Peru gezogen. Sie bereiste nach ihrem Engagement Südameri­ka und arbeitete danach als hauswirtschaftli­che Betriebsleiterin im Pestalozzi Kinderdorf in Trogen. Bei einem Wirtekurs lernte sie den Koch Cornel Mäder kennen. «Es war Liebe auf den ersten Blick.» Die beiden übernahmen 1989 für drei Jahre den «Franziskaner» mitten in der St. Galler Altstadt. Danach ging es für ein Jahr auf Weltreise. 1995 kehrten sie nach Teufen zurück und machten die «Blume» zu einer kulinarischen Adresse. Als sich ein Baby ankündigte, übernahmen sie die Mensa der Kantonsschule St. Gallen, die sie gemeinsam bis 2015 führten.

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Die Mesmerin und Kirchgemeindepräsidentin demonstriert ihrer Nachfolgerin den Läutcomputer.

Yvonne Angehrn war erst ein Jahr in der Kirchenvorsteherschaft, als sie als Präsiden­tin angefragt wurde. Ob ihr neuer Beruf als Mesmerin nicht ein Abstieg sei, werde sie öf­ters gefragt – und verneint: «Die beiden Auf­gaben kann man nicht vergleichen.»

An ihrer neuen Aufgabe schätzt sie die Abwechslung, aber auch die Selbständigkeit, und nach wie vor könne sie für die Kirche tä­tig sein, deren vielfältige Aufgaben sie erst durch das Engagement in der Kirchenvorsteherschaft kennengelernt habe.

yvonne-angehrn-marion-schmidgall-kivo-8-komp«Oft werden Kirchen nur am sonntägli­chen Kirchenbesuch gemessen, dabei ist das nur ein kleiner Teil des riesigen Spektrums im sozialen Bereich, den die Kirchen heute abdecken.» Vor allem im Bereich Flüchtlings­integration kämen auf die Kirchen neue Auf­gaben hinzu.

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