Sie haben alles zurückgelassen. Im Heimatland herrscht Krieg, die Menschen erleiden Hungersnöte und Folter. Auf der Flucht verlieren sie oft Angehörige und Freunde. Viele erreichen die Schweiz traumatisiert und ausgebrannt. «Sie haben nichts, wenn sie in der Schweiz ankommen – gar nichts», sagt Carmelita Boari von der Beratungsstelle für Flüchtlinge in Teufen.
Zusammen mit zwei Kollegen betreut sie die anerkannten Flüchtlinge, sowohl bei der Arbeits- wie auch bei der Wohnungssuche. Auch bei Schulproblemen der eingereisten Kinder vermitteln die Berater. Im März 2011 wurden die bisherigen Beratungsstellen von Herisau – fürs Hinterland – sowie die Stelle aus Trogen fürs Mittel- und Vorderland zusammengelegt. Finanziert wird die Beratungsstelle über Bundespauschalen sowie Beiträge der Gemeinden und des Kantons. Im ersten Stock des Bahnhofgebäudes in Teufen beraten Heinrich van der Wingen und Carmelita Boari die Flüchtlinge. Seit Januar 2012 ergänzt Bruno Hailer das Team. Ausserdem wurde der Beratungsstelle eine Praktikumsstelle bewilligt.
Pionierleistung
Vor zehn Jahren begann Carmelita Boari, die zentrale Beratungsstelle für Flüchtlinge aufzubauen. «Das war ein absolutes Novum in der Schweiz», sagt sie. In anderen Kantonen liegt die Zuständigkeit der anerkannten Flüchtlinge bei den Gemeinden oder Hilfswerken. So erhalten nicht alle Flüchtlinge die gleichen Leistungen. Anders sei dies im Kanton Appenzell Ausserhoden. Seit Januar dieses Jahres sind auch die letzten drei Gemeinden Gais, Bühler und Teufen dem Verbund angeschlossen. Nun betreut die Beratungsstelle die Flüchtlinge aller zwanzig Gemeinden im Kanton. So sei es einfacher, alle gleich zu behandeln, sagt Carmelita Boari. Die Beratungsstelle hat nichts mit dem Gemeindezentrum für Asylsuchende zu tun.
Wie funktioniert die Schweiz?
Auch wenn die Flüchtlinge akademische Ausbildungen im Heimatland absolviert haben – hier interessiert das kaum jemanden. «Die meisten sprechen anfänglich schlecht Deutsch und werden darum häufig als ungebildet angesehen», sagt Carmelita Boari. Gerade in den ländlichen Gemeinden herrschten Vorurteile gegenüber den Fremden. Dies spürten die Berater etwa bei der Wohnungssuche. «Ein Vermieter wollte wissen, wie dunkel denn die Haut des Flüchtlings sei, für den wir die Wohnung mieten wollten.»
Manche würden auch den Unterschied zwischen Asylsuchenden und Flüchtlingen nicht kennen. Sie dächten, die Leute würden die Schweiz bald wieder verlassen, sagt Carmelita Boari. In Teufen leben seit kurzem zwei Flüchtlinge aus Eritrea und ein Flüchtling aus Somalia.
Alltagsthemen der Integration
Heinrich van der Wingen, der die Stelle in Herisau leitete, ist gelernter Sozialpädagoge mit verschiedenen Weiterbildungen und weiss, was es heisst, sich in einem anderen Land zu integrieren. «Als Deutscher musste ich aber keine neue Sprache lernen», sagt er. Er trifft sich alle zwei Wochen mit den Flüchtlingen in Herisau oder in Teufen. An diesen Treffen geht es um Alltagsthemen: Wie funktioniert die Schweiz oder wie wird der Abfall entsorgt. So besuchte die Beratungsstelle mit den Interessierten die Kehrichtverbrennungsanlage in St. Gallen.
Die meisten Flüchtlinge seien sehr interessiert an den Abläufen in der Schweiz. Einiges scheint ihnen jedoch fast unglaublich, so etwa, dass wir das Wasser aus den Toiletten aufbereiten und wieder trinken, sagt Heinrich van der Wingen.
Alexandra Grüter-Axthammer
Flüchtling oder Asylbewerber?
Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert einen Flüchtling als eine Person, die sich ausserhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren ständigen Wohnsitz hat, und die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hat und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht vor Verfolgung nicht dorthin zurückkehren kann.
Ein Asylbewerber ist eine Person, die internationalen Schutz sucht, ihn aber noch nicht bekommen hat. Es handelt sich um Personen, die noch auf den Entscheid des Bundesamtes für Migration warten, ob ihnen der Flüchtlingsstatus zugeteilt wird oder nicht.