Die Teufnerin Rita Harzenmoser ist eine der zwei Vermittlerinnen beim Entlastungsdienst Appenzellerland. In einem Gespräch anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Vereins berichtet sie über ihre Arbeit.
Der Herr vom Blumenladen auf der Suche nach einer erfüllenden Arbeit und der junge körperbehinderte Klient, dessen Familie sich einen engagierten Betreuer zu ihrer Entlastung wünscht. Rita Harzenmoser brachte sie zusammen. Ein Gewinn für beide Seiten. Solche Win-Win-Situationen beflügeln sie immer wieder aufs Neue. Und dies seit 17 Jahren.
Win-Win-Situationen schaffen
Präsidentin Nicole Singer kommt ins Schwärmen, wenn sie von der Hartnäckigkeit, dem Feingespür und der Findigkeit ihrer Vermittlerin spricht. „Geht nicht, gibt es bei ihr nicht!“ Komme eine Anfrage und könne auf niemanden zurückgegriffen werden, der oder die bereits zu den über 20 Betreuerinnen und Betreuern des Entlastungsdienstes Appenzellerland gehöre, mache sich Rita Harzenmoser auf die Suche.
So fand sie Betreuerinnen und Betreuer durch Bekannte, beim Schwimmen, im Dorf, dank Ärzten und anderen Institutionen – oder eben im Blumenladen. Für eine junge Klientin habe sie einst keine passende Betreuerin gefunden. „Im Einverständnis mit meiner Familie habe ich dann die bereichernde Entlastung an Wochenenden selber übernommen.“
Sie selber sei „integrativ“ aufgewachsen, ihre Eltern hätten immer wieder Menschen, die am Rande der Gesellschaft lebten oder ein Handicap hatten, die Möglichkeit und die Chance gegeben in ihrem Geschäft zu arbeiten. Integration ist daher für Rita Harzenmoser nicht nur ein Begriff, sondern gelebte Realität.
Berührende Schicksale
Es erstaunt deshalb nicht, dass die damalige Präsidentin des Entlastungsdienstes Rita Harzenmoser mit an Bord haben wollte. In der ersten Zeit als Vermittlerin sei sie schon etwas „geschwommen“, habe oft auch die Schicksale mit nach Hause genommen. Heute sei sie nicht weniger betroffen, habe sich aber Strategien angeeignet, um erschütternde und ergreifende Erlebnisse zu verarbeiten.
Denn nicht immer sei es schön, was sie beim ersten Besuch bei Familien, die Entlastung suchen, antreffe. Fälle von Missbrauch, Gewalt, oder schlicht totaler Überforderung – Rita Harzenmoser hat in ihren 17 Jahren als Vermittlerin einiges gesehen. Einmal wurde sie sogar eingeschlossen. „Der behinderte Klient, für den eine passende Betreuerin gesucht werden sollte, schloss bei meinem ersten Besuch die Wohnungstür ab und versteckte den Schlüssel. Es war eine beklemmende Situation – zeigte mir aber, wie dringend hier Hilfe gebraucht wurde.“
In gewissen Fällen sei der Entlastungsdienst die falsche Adresse und eine Meldung an die zuständige Behörde unumgänglich. Doch dies sind Ausnahmen. Die positiven Erlebnisse überwiegen.
Wichtig sei ihr, dass tragende Beziehungen entstünden zwischen den Betreuerinnen, Betreuern, den Familien und den Menschen mit einer geistigen und/oder körperlichen Behinderung, mit einer chronischen Erkrankung oder mit Demenz. Deshalb suche sie bei Anfragen sehr gezielt, was zwar manchmal seine Zeit brauche, sich aber lohne. „Wenn ich sehe, dass gewisse Betreuerinnen schon seit x Jahren die gleichen Menschen begleiten, vom Kleinkind bis zum jungen Mann etwa, dann weiss ich, dass ich meine Arbeit gut gemacht habe.“
Weitere Informationen zum Entlastungsdienst Appenzellerland finden Sie unter: www.entlastungsdienst-appenzellerland.ch