Auf den Unterlagen zur Hauptversammlung des Gewerbevereins Teufen (GVT) steht das falsche Datum: 19. März 2020. Die Corona-Pandemie hat auch die Pläne des GVT durchkreuzt. Ganz auf die HV verzichten, wollte man aber doch nicht. Deshalb trafen sich die Mitglieder statt im März gestern Abend im Lindensaal.
«Das ist wohl der bisher grösste Abstand zwischen zwei HVs des Gewebevereins Teufen», sagt Thomas Schirmer. Als er vor eineinhalb Jahren zum neuen Präsidenten gewählt wurde, hätte er sich dieses Szenario nicht träumen lassen. «Wir alle wussten, dass so eine Pandemie irgendwann kommen kann. Aber wirklich damit gerechnet, hat wohl niemand.» Nebst dem Virus nennt er bei der Begrüssung noch zwei andere wichtige Punkte, die er in seinem ersten Jahr gelernt hat. Erstens: Es ist eine grosse Herausforderung, genügend engagierte Personen für Vereinsaufgaben zu finden. So fehlt dem GVT nach dem Rücktritt zweier langjähriger OK-Mitglieder nach wie vor eine Person für die Organisation der Adventsnacht. «Heuer mussten wir sie wegen Corona so oder so absagen. Aber finden wir keinen Ersatz, wird Teufen wohl seine Adventsnacht verlieren.» Und Zweitens: Wie wichtig politisches Sachverständnis für das Führen eines Gewerbevereins ist. «Das hat mich etwas erstaunt. Aber ich lerne ständig dazu.» Die Traktanden des Abends waren rasch abgearbeitet. Auch, weil die Verdankung der abtretenden Vorstandsmitglieder bereits vor Wochen erfolgt war (siehe Kasten). Die TP nahm den Präsidenten deshalb nach der Versammlung noch kurz zur Seite.
Wechsel im Vorstand
Herr Schirmer, Anfang April sprachen Sie mit uns schon einmal über die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona. Wie ist die Stimmung beim Teufner Gewerbe heute?
Sehr sorgenvoll. Ich könnte Ihnen kein Mitglied nennen, das derzeit vor Zuversicht sprüht. Alle machen sich Sorgen um die Zukunft, die längerfristigen Auswirkungen, ihre Mitarbeitenden und, und, und.
Hat der GVT-Vorstand über mögliche Massnahmen zum Abfangen der Krise im Lokalen gesprochen?
Ja. So einfach ist das allerdings nicht. Uns fehlen leider die finanziellen Mittel dazu. Für so etwas haben wir gar kein Budget. Trotzdem haben wir unseren Beitrag geleistet. Wir haben vermittelt, beraten und auch das Gespräch mit dem Gemeinderat gesucht.
Steht der Gemeinderat hinter dem Gewerbe?
Das schon.
Aber?
Es wäre schön, wenn den Worten auch einige Taten folgen würden.
Immerhin will die Gemeinde die anfallenden Bauprojekte und Investitionen wie geplant umsetzen …
Diese Absicht ist sehr lobenswert und wichtig. Natürlich hoffen wir, dass das auch so realisiert wird. Und gleichzeitig hoffen wir, dass bei der Vergabepraxis wann immer möglich das lokale Gewerbe berücksichtigt wird. Aber klar: Dafür braucht es auch eine gute Offerten-Praxis unsererseits.
Die HV wäre eigentlich für den März geplant gewesen. Warum haben Sie nicht ganz darauf verzichtet?
Wir sehen die HV nicht bloss als Vereinspflicht. Sie ist auch ein gesellschaftlicher Anlass, bei dem wir alle zusammenkommen und uns austauschen können. Während der vergangenen Monate habe ich von vielen Mitgliedern gehört, dass ihnen dieser Austausch fehlt. Insbesondere zu den Zeiten, während denen wir nicht einmal unseren Mittagstisch oder Gewerbestamm durchführen konnten.
Die Krise ist aber noch lange nicht ausgestanden. Werden lokale und regionale Netzwerke wie der Gewerbeverein in Zukunft vielleicht sogar noch essenzieller?
Ich vermute schon. Schliesslich bieten wir wichtige Plattformen. Hier findet man für viele Projekte die richtigen Partner und ist immer auf dem Laufenden. Als ansässiger Unternehmer verschafft einem das einen grossen Vorteil.
Der GVT hatte eigentlich einige Pläne für dieses Jahr …
Richtig. Ein grosses Anliegen ist mir beispielsweise die Modernisierung unseres (Internet-)Auftritts. Wie wollen als Verein selbstsicherer und etwas lauter auftreten. Leider mussten wir dieses Projekt verschieben. Im kommenden Jahr soll es dann aber so weit sein.
Ein anderes, längerfristiges Projekt: die Ortsdurchfahrt. Auch heute Abend war sie wieder Thema. Machen Sie sich keine Sorgen, dass die ODT die eigentliche Identität des Gewerbevereins überstrahlt?
Nein. Das ist nun einmal ein Thema, das ganz Teufen beschäftigt, auch das Gewerbe.
Eigentlich könnte der GVT aber auch sagen: Hauptsache, es wird gebaut, egal was.
Sie meinen, weil das Aufträge generiert? Klar, das ist die eine Perspektive. Aber es gibt auch andere. Und das betrifft nicht nur die negativen Auswirkungen der Bauzeit. Unser Hauptanliegen ist, dass die Bevölkerung die Wahl hat. Die Wahl zwischen zwei Projekten mit gleichem Ausarbeitungsstand. Das war von Anfang an unsere Botschaft.
Die Ortsdurchfahrt
Seit der Hauptversammlung des GVT im Frühjahr 2019 hat der «Ausschuss Gewerbe Dorf» (AGD) einen offiziellen Auftrag der Vereinsmitglieder: Er soll sich für einen Marschhalt beim Thema Doppelspur einsetzen. Auch an der heutigen HV kam der AGD zu Wort. «Der Gemeinderat hat sich Ende November 2019 viele Sympathien erarbeitet. Der Ansatz, die Bevölkerung über einen Projektierungskredit für einen Tunnel abstimmen zu lassen, um mit der Vergangenheit definitiv abzuschliessen, haben wir sehr begrüsst», sagte Barbara Ehrbar-Sutter («Anker»). Ihr Rückblick endete allerdings weniger positiv. Nämlich mit der abrupten Absage der für den 27. September geplanten Abstimmung. Ihre AGD-Kollegin Katja Diethelm-Bruhin («Brillehus») sagte dazu: «Wir reden damit nicht mehr von einem rein inhaltlichen Problem, sondern von einem massiven Vertrauensverlust.» Der AGD befinde sich derzeit in einem Evaluierungsprozess und werde die Mitglieder auf dem Laufenden halten – eine ausserordentliche Mitgliederversammlung zu diesem Thema sei nicht ausgeschlossen.
Der anwesende Gemeindepräsident Reto Altherr legte dem GVT die Sicht des Gemeinderates dar. Er betonte erneut, dass auch der Rat die Durchführung der Abstimmung bei weitem bevorzugt hätte: «Ich kann den Frust verstehen, wirklich. Uns geht es genauso. Wir hatten das Abstimmungsedikt fertig und waren bereit.» Die rechtliche Situation verunmögliche aber die Durchführung einer solchen Abstimmung, da nur das Bahnunternehmen ein Projekt einreichen könne. «Wir können nicht über etwas abstimmen lassen, das nicht eingereicht werden kann.» Zudem erinnerte Altherr an die von der Gemeinde verlangte Studie zur Verifizierung der Annahmen der Appenzeller Bahnen. Deren Resultate werden gegen Anfang des kommenden Jahres erwartet. Dann gäbe es zwei Möglichkeiten: «Werden die Annahmen bestätigt und der Kanton besteht auch nach 2035 auf die Anschlüsse, bleibt nur die Doppelspur. Werden die Annahmen der AB nicht bestätigt, stehen wir vor einer neuen Ausgangslage.» tiz
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