Erzählte Orte: «Drei Geschichten»

19.05.2025 | Sepp Zurmühle

«Kapital prägt Baukultur (über Generationen)» Dieser These gingen die beiden Künstler Michael Meier und Christoph Franz in Teufen nach. Am Sonntag nahmen sie Interessierte mit auf einen geführten Rundgang zu baulichen Zeitzeugen dreier Familien, welche die Dorfgeschichte und das Erscheinungsbild bis heute prägen und führen durch die Ausstellung mit Video und Audio im Zeughaus.

Treffpunkt am Sonntag 18. Mai 2025 ist um 10.30 Uhr beim Bahnhof Teufen: Rund 50 Personen sind der Einladung des Zeughauses gefolgt. «Erzählte Orte – Baukultur und Familiengeschichten erwandern». Wichtige Gebäude und Schauplätze mit Bezug zu den drei in der Zeughaus-Ausstellung besprochenen Familien «R» (Roth), «K» (Knöpfel) und «S» (Schläpfer) werden heute erwandert.

Warum Teufen?

Michael Meier und Tobias Franz (https://www.meierfranz.net/) arbeiten als Künstlerduo in Zürich. Orte und ihre sozialen, historischen und politischen Hintergründe bilden den Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Praxis. In sorgfältigen, recherchebasierten Prozessen eignen sich die Künstler diese Orte an und beziehen sich mit konzeptuellen Arbeiten darauf». Dies hat Lilia und David Glanzmann (Co-Leitung Zeughaus) dazu bewogen die beiden Künstler zu motivieren in die Baukultur-Geschichte Teufens einzutauchen.

Und das haben sie wahrlich gemacht. In Archiven, Grundbüchern und Interviews haben sie Erstaunliches zusammengetragen und führen heute abwechselnd durch einen überaus spannenden Rundgang. Sie erzählen oder lesen Passagen aus ihrem Werk «Drei Geschichten» und nehmen Bezug auf geschichtlich relevante Gebäude der drei Fabrikanten-Familien aus Teufen. Wir schildern ein paar Ausschnitte aus der Publikation aus der vorgetragen wurde. Diese erweitert die Ausstellung mit Texten der Historikerinnen und Historiker Iris Blum, Thomas Fuchs, Heidi Eisenhut und Peter Müller.

Familie «R»

Vom Bahnhof geht der Rundgang zum Postplatz und dann zum «Rothenstall» (via à vis der Migros). Wir blicken auf 225 Jahre Teufner Geschichte zurück. «Die Textilunternehmer-, Staatsmänner- und Gönnerfamilie Roth lebte und wirkte hauptsächlich im 19. Jahrhundert, die Stickereifabrikantenfamilie Tobler ab etwa 1870, mit Aktivitäten in der Verwaltung von Grundstücken bis in die Gegenwart.» Die verwandtschaftliche Beziehung ist zwar weit entfernt, «aber irgendwie gehören die beiden Familien zusammen – im Geiste, im Tun, durch ihre Geschichten». «Den Strassen und der Bahnlinie entlang hangaufwärts und hangabwärts dürften es etwa 230 Hektar sein. Ein Zehntel davon war und ist teils bis heute Grund und Boden der Familie Roth.»

«Der Rothenstall, ein Holzbau in auffällig schönem, klassizistischem Gewand, um 1833 erbaut, wohl von Anfang an auch als Wohnhaus genutzt, zuletzt renoviert 2015.» «In allem war die Familie Roth ein Muster, nicht zuletzt, weil sie es sich leisten konnte. Der erste Vertreter seines Geschlechts, der biographische Spuren hinterliess, Daniel Roth-Baumgartner (1765-1821), war um 1800 der grösste Textilunternehmer im Dorf.»

«Daniel Roths Schwester Ursula (1769-1838) war mit dem Ratsherrn und Stickereifabrikant Daniel Grubenmann (1763-1812) verheiratet. Das Ehepaar erbaute zwischen 1802 und 1812 die herrschaftliche Villa Grünau an der Hechtstrasse 14. Nach dem Tod ihres Mannes führte sie das Geschäft weiter. Sie soll zu den ersten Ausserrhoderinnen gehört haben, die Handstickereien herstellen liess.» Auf dem Rückweg des Rundgangs wandert die Gruppe die Hechtstrasse hinauf und bleibt vor der Villa Grünau stehen.

Familie «K»

«Johann Ulrich Knöpfel stammte aus einer gut situierten Webfabrikantenfamilie in Hundwil (AR). Er war ebenfalls als Fabrikant tätig und liess feine Musselin- und Plattstichgewebe herstellen. Er war an seinem neuen Wohnort bei Weitem nicht der Einzige in diesem Metier. 1842 waren in Teufen 39 Textilfabrikanten und eine Fabrikantin zu Hause sowie 5 international tätige Grossunternehmer, sogenannte Textilkaufleute.» «Insgesamt wohnten damals in Teufen 4081 Personen. 2138 von ihnen waren erwerbstätig. Und von diesen hatten 56 Prozent ihren Hauptverdienst in der Textilindustrie. Das war etwas weniger als in den meisten anderen Gemeinden des Kantons.»

«Im Juni 1863 fasste Johann Ulrich Knöpfel auch neben der Waldegg am Stofel Fuss.» «1867 liess Knöpfel auf dem Ostteil des Grundstücks eine Stickfabrik erbauen. Er reihte sich damit unter die Teufner Industriepioniere ein. In diesem Jahr entstanden in der Gemeinde die ersten vier Fabriken mit Handstickmaschinen.»

Auf der geführten Wanderung blicken wir vom Unterrain hinüber zum Backsteingebäude das noch mit Stickerei angeschrieben ist.

«Zu ihrem Höhenflug setzte die Maschinenstickerei nach dem Ende des Sezessionskriegs in den USA an. Die scheinbar grenzenlose Nachfrage aus Nordamerika liess die Zahl der Handstickmaschinen in der Ostschweiz explosionsartig ansteigen, von 770 im Jahr 1865 auf 18’405 im Jahr 1890. In Teufen wurde die Höchstzahl im Jahr 1880 mit 187 Maschinen registriert.»

Familie «S»

«Der Begründer der Dynastie Schläpfer – Johann Konrad Schläpfer (1831-1914) – erlernte bei seinem Vater zuerst das Spenglerhandwerk. Danach absolvierte er eine Entwerferlehre in Uzwil (SG). In den 1850er Jahren, inzwischen mit Anna Katharina Meier (1831-1892) verheiratet, entschloss er sich, ein eigenes Unternehmen zu gründen.»

«Im Jahr 1895 soll die Familie Schläpfer über 400 Handweb-Plattenstich-Webstühle verfügt haben, gut ein Zehntel aller im Kanton vorhandenen Webstühle.»

Von der Katholischen Kirche wandert die Gruppe im Stofel hinunter und betrachtet die Fabrikantengebäude der Hauptstrasse 39 und 41 zuerst von unten, dann von oben. Von dort geht die Wanderung zurück zum Zeughaus, durch die Hechtstrasse und an der Villa Grünau vorbei, zuerst zur Landhausstrasse 2. Auch dort werden Einzelheiten aus der Geschichte erzählt. Weiter geht es an den heutigen Fabrikgebäuden der Textilbetriebe Stardecor, Landenberg AG und Bischof Interior (Familie Brunner) vorbei bis zur Zeughausstrasse 11 bis 19.

«Eine schrittweise Mechanisierung forcierte vor allem die zweite Generation.» «1902 liess Schläpfer an der Zeughausstrasse 18 ein erstes Fabrikgebäude erbauen, ein typischer Vertreter der repräsentativen Textilfabriken in Teufen, mit Jugendstilornamentik an den verputzten Fassaden, wie es auf dem heutigen Kulturpfad Teufen heisst.» Die Wohnblöcke an der Zeughausstrasse 15, 17 und 19 waren anfänglich für eigene Mitarbeitenden erbaut worden.

Ein Fundus

In den von Michael Meier und Christoph Franz zusammengetragenen Fakten, Überlieferungen und Fotos, sowie der Publikation der Historiker sind noch viel mehr Schätze aus der jüngeren Geschichte Teufens zusammengetragen.

Sie können noch bis am 25 Mai 2025 im Zeughaus eingesehen werden. Dazu gehört eine Video-Installation zu den drei Gewässern die durch Teufen fliessen. Für diese Ausstellung «Drei Geschichten» hat Tobias Preisig die Filmmusik komponiert und eingespielt. Der Geiger und Komponist lebt in Zürich und hat Teufner Wurzeln.

In drei dahinterliegenden Räumen sind drei gehauene Sandsteine, mit je einem der drei Buchstaben R, K und S eingemeisselt, aufgestellt. Via Kopfhörer können die Geschichten der drei Familien auditiv erlebt werden. Man wird eingeladen, anhand der drei Familiengeschichten, Verflechtungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart und der Entwicklung von Teufen selber zu erkunden.

Auch ein Kauf der dreiteilen Dokumentation kann allen, an der Bau- und Industriegeschichte von Teufen, interessierten Personen wärmstens empfohlen werden. Es geht auch um Ausbeutung, Kinderarbeit, Gewerkschaften, ausländische Arbeitskräfte, sozialen Wohnungsbau, Kriege und Krisen, Neuorientierungen, Politik, Macht und Einfluss, Spekulation, menschliche Schicksale und Vielem mehr.

Ein wahrer Fundus für unser Dorf.

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