Erinnerungen an einen der letzten Hausierer

12.03.2017 | Marlis Schaeppi-Luginbühl
vernissage arthur zuend maeddel fuchs (15)
Bildbericht: Marlis Schaeppi

Am Samstag, 11. März wurde im AWG die Ausstellung der Fotos aus dem Bildband „Arthur Zünd: Bildgeschichten von Mäddel Fuchs“ eröffnet. Einzigartige Schwarzweiss-Bilder geben einen Einblick in das Leben des Hausierers, der auch in Teufen mit seiner Chränze unterwegs war.

Mäddel Fuchs hatte mit seinen Fotos und dem Buch „Chome gaad“ das Leben von Arthur Zünd gewürdigt. Willy Ringeisen stellte den Fotografen vor, dessen Bilder an den Wänden eine Zeitreise tief ins letzte Jahrhundert ermöglichen.

Die Vergrösserungen sind vom Fotografen selbst angefertigt als S/W Silbergelatine-Baryt-Abzüge Sie können gekauft werden.

Willy Ringeisen führte in die damalige Zeit ein und erzählte aus seiner Jugendzeit, also von Leuten, die vor 1945 geboren sind, bevor Radar, Kreditkarten, Telefax, Kernspaltung, Laserstrahlen und Kugelschreiber existierten. Seine Generation war da, bevor es den Hausmann, die Emanzipation, Pampers, Aussteiger und computergesteuerte Heiratsvermittlung noch Weightwatchers,  Sonnenstudios, Zweitwagen oder Kindererziehungsjahre für Väter gab. Die Frauen trugen noch Ohrringe, und nicht in der Nase, an den Augenbrauen, am Bauchnabel oder sonst wo – denn der Begriff Piercen war noch nicht geschaffen.

„Arthurli“ und seine Chränze

Nur noch ältere Bewohner mögen sich an den kleinwüchsigen, sprachbehinderten Hausierer Arthur Zünd erinnern, der unter dem Namen Arthurli oder Thurli mit seiner „Chränze“ auf dem Rücken von Haus zu Haus unterwegs war. Die Fotos von Mäddel Fuchs zeigen eindrücklich, welche Lasten – bis zu 34 Kilo – Arthur Zünd durch die Landschaft trug. Das Publikum bekam einen Eindruck von der mitgebrachten Chränze, die schon leer 9 Kilo auf die Waage bringt. Bis ins hohe Alter ging er auf seine Touren und brachte vor allem im Appenzeller Mittelland Leckereien wie Birnenbrote, Nussgipfel, Biber, Biberfladen, Hefestollen, Linzerschnitten, Lebkuchen. Am Samstag gab es auch Zöpfe.

Kleiner Mann mit grossem Herzen

Mäddel Fuchs durfte Arthur Zünd in den 1980er-Jahren beim Hausieren begleiten. Von diesen Touren wusste er einige kurze Geschichten aus dem nicht ganz einfachen Leben des Originals zu erzählen. Die Anwesenden lauschten gespannt. Er beschrieb den Hausierer als einen gradlinigen, direkten Menschen, der genau wusste, welche Bewohner an bestimmten Wochentagen nicht anwesend waren oder wer z.B. keinen Hefestollen wünschte. Man schloss den gebückt gehenden Mann sofort ins Herz. Für ihn war wichtig, zu verkaufen, aber noch wichtiger war ihm der Kontakt zu den Mitmenschen, ja, er berührte sie durch seine Seele http://mirziamov.ru .

Arthur Zünd an der Bahnstation Lustmühle.

Persönliche Begegnungen

Arthurli hatte ein grosses Herz, obwohl er eine schwere Jugend mit einem gewalttätigen Vater erlebte. Wenn er gut verkauft hatte, genehmigte sich Arthurli im Wirtshaus ein Bier oder einen Zweier Roten. Einmal bezahlte ihm Herr Niederer das Getränk. Als er wieder einmal eine leere Chränze hatte, kehrte er wieder ein, bestellte einen Zweier Roten und sagte: „Dä Herr Niederer zahlt“.

Als eine Bauernfamilie mit Heuen fertig war, aber Marie leider keine Kuchen gebacken hatte, meinte sie, wenn jetzt nur Arthurli vorbeikäme. Und wirklich, er tauchte über den Hügeln auf, kam zu Marie und sagte: „Scho läär, aber dä Kafi nehm i glich“.

Zwei Besucher erzählten von ihren persönlichen Begegnungen als Schulkinder. Der Vater von Arthurli besass ein Karrussel (Rössliriiti), mit dem er von Dorf zu Dorf zog. Die Knaben freuten sich, wenn sie zusammen mit Arthurli anschieben und nach der Fahrt wieder bremsen durften.

Die „Chränze“ von Hausierer Arthur Zünd ist erhalten geblieben.

„Tröcklichrömerchastä“ gesucht

Zum Schluss erwähnte Mäddel Fuchs, dass leider keine schriftlichen Dokumente wie Hausiererpässe mehr vorhanden seien. Die Gewerbepolizei habe alles vernichtet. Falls jemand zu Hause noch einen originalen „Tröcklichrömerchastä“ (für Faden, Knöpfe, Nadeln, Scheren) habe, wäre dies ein wahres Fundstück.

Früher habe es Tausende von Hausierern gegeben. Über Heimarbeit im Appenzellerland existieren zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, nicht aber über das Hausierertum. Die Hausierer erfüllten nämlich eine wichtige Rolle, weil sie den Heimarbeiterinnen mit 12 bis 16 Arbeitsstunden pro Tag lebensnotwendige Dinge direkt ins Haus brachten.

Umrahmt wurde der Anlass durch Lieder des Heimatchörlis.

Der Bildband von Mäddel Fuchs ist leider vergriffen und daher nicht mehr erhältlich.

Die Ausstellung im AWG, Krankenhausstrasse 7, ist täglich von 9 bis 18 Uhr zugänglich.

Weitere Bilder von der Vernissage hier

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