Mit dem Lockdown hat auch die Musikschule Appenzeller Mittelland auf Homeschooling umgestellt. Seit Montag spielen Lernende und Lehrpersonen nun wieder gemeinsam. Ausgestanden ist die Corona-Krise damit aber noch nicht.
Wer beim Büro von Schulleiterin Eva Crottogini anklopfen will, kommt nicht drum herum, eine Unterrichtsstunde zu stören. An diesem frühen Nachmittag wird Fagott geübt. Die 14-jährige Ladina Schäpper und ihr Lehrer Rüdiger Schwedes sitzen sich gegenüber. Zwischen ihnen – als eine Art Abstandhalter – ein grosser Schreibtisch. «Die Stunden mit den Blasinstrumenten können wir gerade nur im Sitzungszimmer abhalten. Die eigentlichen Unterrichtszimmer sind zu klein», erklärt Eva Crottogini. Der Grund: Beim Üben mit Blasinstrumenten sehen die Corona-Schutzvorschriften einen Abstand von drei statt zwei Metern wie bei Streich- oder Tasteninstrumenten vor. «Wir halten uns strikte an die Vorgaben. Dazu gehört auch das Desinfizieren der Instrumente.» Die Eltern scheinen der Musikschule Appenzeller Mittelland zu vertrauen. Seit der Wiederaufnahme der «normalen» Unterrichtstätigkeit am vergangenen Montag blieb kaum ein Lernender seinen Stunden fern. Nicht nur Eltern und Schüler, auch die Lehrer sind über die Lockerungen der Massnahmen erleichtert. Denn die vergangenen Homeschooling-Wochen waren intensiv. «Meine Lehrpersonen geniessen dank ihres ausserordentlichen Einsatzes bei mir jetzt Heldenstatus.»
Mit Skype und Videos
Auch bei der Musikschule musste es schnell gehen. Über das Wochenende wurde Mitte März von «live»-Unterreicht auf Homeschooling umgestellt. «Es war faszinierend zu sehen, wie motiviert alle waren. Und wie schnell sie sich arrangierten», erzählt Eva Crottogini. Einfach war es aber trotzdem nicht. Die Gestaltung des Musikunterrichts ist nicht nur vom Niveau der Lernenden, sondern auch von den spezifischen Voraussetzungen der jeweiligen Instrumente abhängig. «Die Lösungsansätze waren entsprechend vielfältig. Einige Lehrer produzierten Filme für die Lernenden. Andere skypten und in einem Fall entstand sogar eine kurzes, mehrstimmiges Saxofon-Konzert.» Dank dieses Ideenreichtums und der Motivation der Lernenden wurde der Unterricht in den sechs Lockdown-Schulwochen vollständig weitergeführt. Doch trotz der wertvollen, digitalen Unterstützung: Musik muss man live lernen. «Die Klangqualität ist am Computer natürlich grundsätzlich nicht gut. Insbesondere beim Gesang war das eine grosse Herausforderung. Zudem hat das gemeinsame Spielen sehr gefehlt.» Auch ganz simple Anweisungen wie «heb den Ellenbogen etwas an» können über Skype und ohne die passende Gestik schnell missverstanden werden. Entsprechend erfreut ist Eva Crottogini über die Lockerungen der Massnahmen. Alle Unterrichtsstunden finden aber noch nicht planmässig statt. Beim Ensemble – bestehend aus fünf Lernenden – muss beispielsweise jeweils einer «aussitzen». Erlaubt sind nämlich nur vier Schüler und ein Lehrer. «Klar, die Vorschriften schränken uns etwas ein. Aber wir können sie gut einhalten. Und die Freude überwiegt definitiv.»
Tag der offenen Tür
Das Wochenende des 1. Mai ist für die Musikschule Appenzeller Mittelland von besonderer Bedeutung. Dann findet jeweils der Tag der offenen Tür im Schulhaus Landhaus statt. «Das ist eine sehr wichtige Plattform für uns.» Heuer hätten interessierte Lernende und Eltern am 2. Mai «reinschauen» dürfen. Der Anlass musste aber wegen des Coronavirus verschoben werden – auf den 22. August. «Das werden wir bei den Anmeldungen für das nächste Semester wahrscheinlich spüren», so Eva Crottogini. Deshalb wurde die Anmeldefrist für das neue Semester bis zum 15. Juni (Hier geht’s zu Anmeldung) verlängert. Zudem können sich Lernende bis zum 15. September zum ersten Mal nur für ein halbes Semester einschreiben. «So haben Unentschlossene doch noch die Möglichkeit, sich am 22. August eingehender beraten zu lassen und die Instrumente auszuprobieren», erklärt die Schulleiterin.
Heute werden an den Standorten der Musikschule Appenzeller Mittelland 650 Lernende von 30 Lehrpersonen in Teilzeitpensen unterrichtet. Nimmt diese Zahl im nächsten Jahr ab, spüren das insbesondere die Musiklehrerinnen und -lehrer. Denn sie werden nach geleisteten Unterrichtsstunden bezahlt. «Wir haben in den letzten Wochen aber bewiesen, dass unsere Lehrerschaft Vertrauen verdient und dass sie in Krisensituationen kreatives Potential entfalten kann und über sich hinauswächst. Hoffentlich kann sie dies bald auch wieder in grösseren Ensembles unter Beweis stellen.» tiz