Eine Frage des Vertrauens

29.04.2022 | Timo Züst
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Hier war noch Abstimmungskampf: Reto Altherr spricht am Info-Anlass der Gemeinde Ende April ...

Es ist die Woche der Ortsdurchfahrt. Bereits am Montag wurde im Lindensaal über einen Tunnel diskutiert – an einer Veranstaltung der IG Tüüfner Engpass. Heute war die Gemeinde am Zug. Sie informierte aus ihrer Sicht über die Abstimmung am 15. Mai. Aber auch die Initianten kamen zu Wort.

Hinweis: Die nächste Print-Ausgabe der Tüüfner Poscht enthält ein ausführliches Dossier zur Abstimmung am 15. Mai mit Stimmen aller Exponenten – sie wird am 3. Mai verteilt.

Es wäre interessant zu wissen, wie oft die Worte «Doppelspur» und «Tunnel» im Lindensaal schon gefallen sind. Mitgezählt hat leider niemand. Die Striche für diesen Abend allein hätten wohl eine Seite des Notizblocks gefüllt. Aber diese Info-Veranstaltung der Gemeinde unterschied sich von denen der Vergangenheit. In zwei wesentlichen Punkten. Erstens: Nicht etwa Appenzeller Bahnen (AB) oder Kanton sprachen über das Projekt, sondern Gemeindepräsident Reto Altherr. Zweitens: Die Doppelspur-Gegner kamen nicht erst in der Diskussionsrunde, sondern bereits im Präsentationsteil zu Wort. Beides lässt sich mit der Natur der Abstimmung vom 15. Mai erklären. Dann stimmt Teufen über eine Initiative für einen Bahntunnel zwischen Bahnhof und Stofel ab. Dieser Urnengang ist kommunal und deshalb ist die Präsentation der Fakten und der Abstimmungsempfehlung Sache des Gemeinderats. Und deshalb erhalten auch die Initianten (wie im Edikt) die Chance, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Was folgt, ist eine kurze Zusammenfassung beider Präsentationen – gegliedert in fünf Themenbereiche.

Sicherheit

«Die Sicherheit steht an oberster Stelle. Da sind wir uns alle einig.» Diesen Einstieg wählt Gemeindepräsident Reto Altherr für seine Präsentation. Und für ihn und den Gemeinderat ist klar: Das Doppelspur-Projekt bringt im Vergleich zur heutigen Situation massive Verbesserungen. «Aufgrund der Reduktion von 3 auf 2 Spuren kann an den meisten Stellen mehr Platz gewonnen werden.» Ausserdem werde die Einführung von Tempo 30 mit dem Projekt erleichtert, die Trottoir-Lücken können geschlossen und die Engpässe beseitigt werden. «Natürlich ist eine Dorfdurchfahrt mit einem Verkehrsteilnehmer weniger grundsätzlich sicherer. Aber bahnfrei heisst nicht verkehrsfrei. Den rund 100 Zug-Durchfahrten stehen über 5000 hausgemachte LKW- und Auto-Fahrten gegenüber.» Altherr verschweigt nicht, dass die Doppelspur keine perfekte Lösung ist. Aber man habe das Maximum aus den bestehenden Rahmenbedingungen herausgeholt. Und: «Solche Strassenbahnen gibt es sehr viele. Dort funktioniert es einwandfrei.»

Die Initianten der Abstimmung bzw. die IG Tüüfner Engpass beurteilt die Verkehrssicherheit im Dorf mit Doppelspur etwas anders. Wie schon am Montagabend widmeten sie einen Teil ihrer Präsentation dem Thema Velo. Andreas Baumann ist zwar kein Mitglied der IG, setzt sich aber für eine sichere Velo-Situation im Dorf ein. Und für einen Teil seiner Ansprache setzt er sogar den Helm auf: «Das ist wohl klüger bei so einem gefährlichen Thema.» Damit meint er die vier Schienen, die bei einer Doppelspur in der Strasse eingelassen wären. Spitzwinklige Querungen solcher Rillenschienen sind laut SUVA-Statistik für rund 7,5 Prozent der Velo-Unfälle verantwortlich. Die Stadt Zürich geht von 8 Prozent aus. Aber auch sonst hat Baumann beim Analysieren des Projekts aus «Veloperspektive» diverse Mängel festgestellt – beispielsweise bei den Breiten der Velospuren. Ganz generell beurteilt die IG Tüüfner Engpass die Doppelspur als unsicher, insbesondere für den Langsamverkehr. «Ohne Zug liesse sich die Strasse freier und besser gestalten», sagt Felix Gmünder.

Zeithorizont

Eines der wenigen Themen, bei denen sich Gemeinde und IG einige sind: Ein Tunnel-Projekt zu realisieren, würde deutlich länger dauern als die Doppelspur. Reto Altherr zeigte folgenden Fahrplan im Fall eines «Ja» am 15. Mai auf: Innert Jahresfrist würde über einen Projektierungskredit abgestimmt. «Der wird erfahrungsgemäss mehrere Millionen betragen.» Dann könnte in drei bis vier Jahren ein Tunnel-Projekt ausgebarbeitet werden, über das dann schliesslich noch einmal abgestimmt würde. «Dann hätten wir eine fertige Vorlage mit valabler Kostenschätzung.» Erst dann könnten Bewilligungsverfahren und schliesslich die Bauphase starten. Unter dem Strich würde es mindestens 10 Jahre dauern, bis der erste Zug durch den Tunnel fährt. Ausserdem: Es ist zu erwarten, dass das Dorf während dieser Zeit mit diversen Sicherungsmassnahmen für die heutige Bahn-Situation leben muss. Und die geplante Dorfplatzgestaltung müsste ebenfalls auf Eis gelegt werden. Demgegenüber könnte das Bewilligungsverfahren für die Doppelspur bei einem «Nein» sofort starten. Läuft alles nach Plan, könnte sie in drei Bausaisons von 2024 bis 2027 realisiert werden.

«Wir fordern, dass der Gemeinderat so rasch wie möglich einen Projektierungskredit zur Abstimmung vorlegt. Er hat ja bereits 2020 eine entsprechende Vorlage ausgearbeitet», entgegnete Felix Gmünder von der IG in seinen Ausführungen. Er bestreitet aber nicht, dass ein Tunnel bis zur Realisierung noch einen weiten Weg vor sich hat, aber: «Diese Zeit zu investieren, ist es wert. Nur schon, damit wir endlich mal Äpfel mit Äpfeln vergleichen können.»

Bauphase

Noch ein Punkt bei dem Einigkeit herrscht: Der Bau der Doppelspur wäre ein Mammutprojekt mit vielen Einschränkungen für Bewohnende und Gewerbe. «Das können und wollen wir nicht schönreden. Deshalb haben wir auch angeboten, dem Gewerbe wo wir können Hand zu bieten», so Reto Altherr. Er sagt aber auch: «Ich bezweifle, dass die Bauphase für ein Tunnel-Projekt wirklich weniger belastend wäre.» Denn dafür müssten nicht nur grosse Installationsplätze in Portal-Nähe, grosse Mengen an Aushub mit LKWs abgeführt, mindestens zwei Häuser abgebrochen und das Bahnhoftrasse fünf Meter tiefergelegt werden: «Strasse, Werkleitungen und Hangbrücke müssen trotzdem saniert werden. Das ginge zwar rascher als bei der Doppelspur – eine Baustelle gäbe es aber trotzdem.» Weniger einig ist man sich hingegen bei der Frage, ob es den Bahnhofkreisel in jedem Fall braucht. Während die IG meint, der sei bei einem Tunnel nicht zwingend bzw. könne verkleinert werden. Sagt die Gemeinde: Kreisel und Hausverschiebung zur Schliessung der Trottoir-Lücke braucht es in jedem Fall. Dazu Reto Altherr: «Das sind Behauptungen. Genau wie die Kreuzungsstelle im Eggli-Rank. Ob das möglich wäre, wissen wir nicht. Die Korridor-Studie geht von einer Doppelspur auf der Strasse von Stofel bis Sternen aus.»

Kosten

Wie immer, wenn es im Lindensaal um die Ortsdurchfahrt geht, sind die Kosten ein heikles Thema. Die falschen Zahlen der Vergangenheit hallen bis heute nach. Und auch an diesem Abend nutzen die Doppelspur-Gegner die gestiegenen Kosten der Doppelspur und die generelle Verwirrung, um die Glaubwürdigkeit der präsentierten Preise zu untergraben. «Diese Schätzungen sind aus dem Hut gezaubert. Die Kostenteilung müsste im Falle eines Tunnelprojekts völlig neu verhandelt werden», so Felix Gmünder von der IG Tüüfner Engpass. Gemeindepräsident Reto Altherr sagt hingegen: «Das ist keine Angstmacherei. Wir sind den Bürgern gegenüber verpflichtet, sie über allfällige Folgen eines ‘Ja’ zu informieren. Und dazu gehören die Kosten, die vom BAV so bekanntgegeben wurden.» Und die sind: Ein Tunnel könnte Teufen im schlechtesten Fall rund 100 Mio. Franken kosten. Diese Zahl setzt sich zusammen aus: 35 Mio. Franken Mehrkosten gegenüber der Doppelspur (DS: 45,4 Mio. / Tunnel: 79,3 Mio.), 27,3 Mio. Franken für die Kreuzungsstelle im Stofel, 8,5 Mio. Franken Gemeindeanteil Sanierung Hangbrücke (ist im DS-Projekt enthalten) und 30 Mio. Franken betriebliche Mehrkosten (Tunnelbetrieb ist teurer als DS). «Das sind sehr grobe Schätzungen, die weit daneben liegen könnten. Aber das ist nun mal ein mögliches Szenario», so Reto Altherr. Er sagt auch, dass sich Teufen diese 100 Mio. aus aktueller Finanzperspektive leisten könnte. Aber die Verschuldung könnte eine kritische Grösse erreichen, die eine Vertagung anderer Projekte zur Folge hätte. «Und die Einzahlungen in den Finanzausgleich wären davon nicht betroffen. Die werden nämlich über die Finanzkraft definiert.» Anders gesagt: Teufen könnte einen Tunnel bezahlen. Die Frage ist, ob Teufen einen Tunnel und alles, was er mit sich bringt, auch will.

Fazit

Der Gemeinderat empfiehlt den Stimmbürgern am 15. Mai ein «Nein» in die Urne zu legen. Dieses «Nein» wäre gleichzeitig ein «Ja» zur Doppelspur. Die AB würden dann sofort mit dem Bewilligungsverfahren für dieses Projekt starten. Die Initianten hoffen auf ein «Ja» und eine rasche Ausarbeitung eines Projektkredits. Sagt Teufen zu dem Kredit nochmal «Ja», könnte das Dorf voraussichtlich in 4 bis 5 Jahren über einen Tunnel abstimmen.

Was die Info-Veranstaltung an diesem Donnerstagabend besonders klar gezeigt hat: Viele Meinungen sind gemacht. Und die Abstimmung vom 15. Mai ist hauptsächlich eine Vertrauensfrage.

 

Rechnung 2021


Gemeinderat Urs Spielmann (Ressort Finanzen) informiert über die Rechnung 2021.

Die übersichtliche und informative Präsentation der Rechnung 2021 von Gemeinderat Urs Spielmann hätte ihren eigenen Abend verdient. Der Finanzchef nahm es aber mit Humor: «Ich bin erfreut, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Zweifelsohne nur, weil Sie sich für die Rechnung interessieren.» Immerhin: Spielmann konnte Erfreuliches vortragen. Teufen hatte für das vergangene Jahr eigentlich mit einer «schwarzen Null» gerechnet. Stattdessen wurde es ein «Rekordgewinn» vom 8,5 Mio. Franken. Der Grossteil davon, 8 Mio. Franken, fliesst in die Vorfinanzierung des neuen Sekundarschulhauses. «Das ist wirklich eine gute Sache. Damit reduzieren wird die finanzielle Belastung durch Abschreibungen für die Zukunft», so Spielmann. Die Gründe für den Geldsegen liegen in den stark angestiegenen Steuereinnahmen. Sie betrugen fast 38 Mio. Franken (2020: 33,8 Mio. Franken). Diese Veränderung ist gleichzeitig die grösste Herausforderung des Budget-Prozesses: «Wir bekommen leider kaum Daten vom Kanton – nur sehr allgemeine und anonymisierte. Zwar erhalten wir monatliche Updates, aber darauf ist kein Verlass. Im November gingen wir noch davon aus, dass es maximal 36 Mio. Franken werden.» Urs Spielmann vermutet hinter diesem Anstieg auch einmalige Effekte. Trotzdem sollen die Erkenntnisse in die weiteren Budgetierungen einfliessen.

An diesem Abend räumte der Finanzchef auch noch mit einem Gerücht auf: «Ich wurde von Doppelspur- und Tunnel-Befürwortern ‘interessiert’ gefragt, ob die Steuersenkung um 0,1 Prozentpunkte auf dieses Jahr eine taktische Entscheidung gewesen war, um die Ortsdurchfahrtsdiskussion zu beeinflussen. Dazu kann ich sagen: Nein. Das war ein rein finanzieller Entscheid.»

Mehr zur Rechnung lesen Sie hier.

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