Die PV-Anlage auf dem Dach des gesamtsanierten Schulhaus Blau ist die neuste und leistungsstärkste der Gemeinde Teufen. Foto: Louis Stalder
In seiner Sitzung vom 6. Juli genehmigte der Gemeinderat die «Energiestrategie 2050». Das 26-seitige Dokument bildet die Grundlage für die Teufner Energiepolitik der nächsten Jahre. Was ist das Ziel dieser Strategie? Und wie soll sie umgesetzt werden? Bei der Beantwortung dieser Fragen halfen Gemeinderat Peter Renn (Ressort Umwelt) und Roman Imhof (Fachverantwortlicher Umwelt und Energie).
Was ist die Energiestrategie 2050?
Bund und Kantone geben in der Schweiz die Energiepolitik sowie entsprechende Gesetze und Richtlinien vor. Die Gemeinden können aber innerhalb dieser Schranken eigene Energieziele verfolgen. Hier setzt die Energiestrategie 2050 an. Sie ist als ein politischer Leitgedanke des Gemeinderats zu verstehen – ähnlich einem Legislaturziel. Die Strategie definiert verschiedene Handlungsfelder, mögliche Massnahmen und konkrete Ziele, die bis ins Jahr 2050 erreicht werden sollen.
Worauf baut die Strategie auf?
Die Ausarbeitung dieses Dokuments geht bis ins Jahr 2011 zurück. Damals – ein Jahr vor der Zertifizierung Teufens als Energiestadt – setzte der Gemeinderat die Weichen für eine progressivere Energiepolitik. Dazu gehörte auch die Gründung eines Energiefonds zur «Finanzierung von Massnahmen zur Verbesserung der Energie- und Co2-Bilanz der Gemeinde». Inzwischen wurde das Energiestadt-Label zweimal erneuert (2016 und 2020). Zudem wurde Anfang 2021 ein erfolgreicher Re-Audit (Standortbestimmung) durchgeführt. Auch im Leitbild und in der Energieplanung (aus dem Jahr 2012) sind bereits Energieziele definiert, die in der «Energiestrategie 2050» zusammengeführt und konkretisiert wurden.
Warum das Jahr 2050?
Der Zeitraum orientiert sich an der übergeordneten Energiestrategie 2050 der Schweiz. Sie hat zum Ziel, den hohen Versorgungsstandard zu erhalten und gleichzeitig die Umweltbelastung der Schweiz zu reduzieren. Wichtigste Grundpfeiler davon sind der Atomausstieg, der Ausbau und die Nutzung erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz. Die Teufner Strategie richtet sich nach diesen Zielen und versucht, sie auf lokaler bzw. kommunaler Ebene umzusetzen oder zu übertreffen.
Was soll bis 2050 geschafft werden?
Die Hauptziele der Energiestrategie sind das Erreichen einer 2000-Watt-Gesellschaft und die Energieversorgung auf dem Gemeindegebiet durch 100 Prozent erneuerbarer Energien bis ins Jahr 2050.
Was ist eine 2000-Watt-Gesellschaft?
Dabei handelt es sich um ein energiepolitisches Modell. Entwickelt wurde es von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ). Die Idee dahinter ist, dass der maximale Energiebedarf pro Einwohner im Schnitt 2000 Watt beträgt. Diese Energie soll zudem zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammen. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 wurden in Teufen pro Einwohner 4242 Watt (2014: 4458 Watt) Primärenergie verbraucht. Damit liegt die Dauerleistung pro Person knapp unter dem Schweizer Durchschnitt (ca. 4490 Watt). Trotzdem müsste der Verbrauch für das 2000-Watt-Ziel bis 2050 mehr als halbiert werden. Gleichzeitig müsste der Anteil erneuerbarer Energie – 2018 lag er bei 27 Prozent – auf 100 Prozent erhöht werden.
Was will man bis 2050 noch erreichen?
Die Ziele der Energiestrategie können in vier Hauptfelder gegliedert werden. Erstens Elektrizität: Diese soll zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern stammen – inklusive Import. Ausserdem wird ein 100-prozentiger Eigenversorgungsgrad angestrebt. Zweitens Wärme: Der Verbrauch fossiler Energieträger im Gemeindegebiet soll auf null gesenkt werden. Dazu gehören insbesondere die Sanierung von alten Häusern und der Ersatz von Ölheizungen. Drittens Mobilität: Diesel- und benzinbetriebene Fahrzeuge sollen verschwinden. Sie werden durch Fahrzeuge ersetzt, die mit erneuerbaren Energien angetrieben werden. Gleichzeitig werden Fuss- und Veloverkehr sowie der ÖV gefördert. Viertens Kommunikation: Die Bevölkerung soll über energie- und klimatologische Entwicklungen informiert und für die Thematik sensibilisiert werden.
Wie will man das schaffen?
Die Gemeinde hat – anders als Bund und Kanton – weniger die Möglichkeit, gesetzliche Verbote oder Zertifizierungen auszusprechen. Stattdessen will sie die Bevölkerung mit finanziellen Anreizen zum Handeln bewegen. Gleichzeitig sollen innovative Projekte mit Signalwirkung auf dem Gemeindegebiet gefördert werden.
Wie funktioniert das Anreizsystem?
Die Grundlage für die Umsetzung der Energiestrategie 2050 bildet das kommunale Förderprogramm. Mithilfe eines neu zu erarbeitenden Energieförderreglements soll die Energiepolitik Teufens verbessert und ein legitimiertes System zur finanziellen Unterstützung von Investitionen, welche die Energieeffizienz steigern oder die CO2-Bilanz reduzieren, geschaffen werden.
Werden private Bauvorhaben unterstützt?
Ja. Bei den eigenen Liegenschaften setzt die Gemeinde schon heute auf eine möglichst energieneutrale Bauweise. Dazu gehört auch die Installation von PV-Anlagen (siehe Kasten). Um die oben erwähnten Ziele zu erreichen, müssen diese Anstrengungen aber auf alle Bereiche des Lebens in Teufen ausgeweitet werden. Dazu gehören private Bauten sowie der private Individualverkehr. Das Förderreglement soll definieren, inwiefern solche Anstrengungen von Privatpersonen oder ansässigen Unternehmen finanziell unterstützt werden können.
Ich bekomme also Geld, wenn ich meine Ölheizung ersetze oder ein E-Bike kaufe?
Das ist die Idee. Wieviel Geld für welche baulichen Anpassungen oder Anschaffungen bezahlt wird – und unter welchen Voraussetzungen –, definiert das neue Reglement.
Was wird das kosten?
Die künftigen Kosten des Förderprogramms können heuten noch nicht beziffert werden. Die Umweltschutzkommission (USK) wird in den kommenden Monaten ein entsprechendes Budget ausarbeiten und dem Gemeinderat vorlegen.
Woher stammt das Geld?
Die Finanzierung des Förderprogramms soll über den bereits 2012 gegründeten Energiefonds geregelt werden. Allerdings nicht in seiner heutigen Form. Im Fonds befinden sich heute rund 346’000 Franken – es fehlt aber an einem Reglement für die Aufschüttung, Verwendung und zukünftige Äufnung dieser Finanzmittel.
Braucht es dafür eine Volksabstimmung?
Ja. Eine entsprechende Vorlage soll im Verlauf des kommenden Jahres verfügbar sein. Dann kann das Teufner Stimmvolk darüber befinden, ob es mit dieser finanziellen Förderung einverstanden ist.
Es gibt bereits Energiegesetze. Warum braucht es die Energiestrategie 2050?
Der schonende Umgang mit unseren Ressourcen und die Steigerung der Energieeffizienz – sprich eine Erhöhung der generellen Nachhaltigkeit – ist eines der Legislaturziele und Teil des Teufner Leitbilds. Der Gemeinderat ist der Ansicht, dass solche kommunalen Anstrengungen ein wichtiges Puzzleteil im Gesamtbild des schweizerischen Energiewandels sind. Einerseits durch das konkrete Erreichen der definierten Ziele und andererseits aufgrund ihrer wichtigen Signalwirkung.
Hinweis: Die komplette «Energiestrategie 2050» finden Sie unter www.teufen.ch.