Ein Textil-Jahr

16.03.2021 | Timo Züst
stardecor
Noch ist das Haus an der Zeughausstrasse 11 eine Baustelle.. Foto: tiz

Das vergangene Jahr brachte viel Bewegung in die Stardecor AG. Der Teufner Textilverlag bezog im September seine neuen Büro- und Lagerräume. Gleichzeitig erreichten die Bestellungen einen Höchststand. Und aus dem ehemaligen Geschäftshaus an der Zeughausstrasse 11 wird ein Wohnhaus mit 6 Mietwohnungen.

Im Innern des LKW wuchten zwei Männer mit Maske gerade einen Teil der Ladung auf einen Trolley. Einfach ist das nicht. Die rund drei Meter langen Pakete sind mit einer Schutzfolie überzogen. Aber nicht nur deshalb sind sie schwer zu greifen: Was hier abgeladen wird, sind aufgerollte Stoffe. Sie sind weich und nicht besonders «tragefreundlich». «So kommt die Ware bei uns an. Aus der EU, der Türkei oder dem Nahen Osten», sagt Manfred Brunner. Der 68-Jährige leitet die Stardecor AG mit seinen Söhnen Christian und Flavio. Das Unternehmen beschäftigt 72 Mitarbeitende – die meisten arbeiten in der Produktion. Das vergangene Jahr war ein bedeutendes für den traditionsreichen Teufner Textilverlag (Gründung 1967). Im September bezog man die neuen Büro- und Lagerräume an der Landhausstrasse. Damit wurden die Wege deutlich kürzer und die zweite Geschäftsliegenschaft an der Zeughausstrasse 11 frei: «Das ist für uns natürlich viel praktischer. Mit den zwei Lagern waren wir immer etwas verzettelt. Jetzt ist alle beieinander.» Damit hat Manfred Brunner eine langjährige Vision Realität werden lassen. Aber nicht nur in dieser Hinsicht war 2020 ein gutes Jahr für die Stardecor AG.

Umsatz-Rekord

«Wir gehören wohl ein bisschen zu den sogenannten Pandemie-Gewinnern», sagt Manfred Brunner. Er steht zwischen den Regalen im Lager der Stardecor AG und deutet auf einige Plastikkisten. Darauf klebt das Logo eines Grossverteilers. Anhand dieses Kunden lässt sich das Geschäftsmodell der Stardecor gut erklären: Verkauft der Detailhändler beispielsweise einen massgeschneiderten Vorhang, kommt diese Bestellung umgehend hier nach Teufen. «Handelt es sich um ungenähte Vorhänge, geht das Paket am gleichen Tag in den Versand. Ansonsten produzieren wir hier alles fixfertig und versenden anschliessend.» Damit kann die Stardecor etwas bieten, das viele nicht haben: Reaktionsgeschwindigkeit und grosse Lagerkapazitäten. «Wir können dank unserem Direkteinkauf bei den Produzenten und den grossen Mengen mit den Besten im Markt mithalten. Das gilt auch für die ausländische Konkurrenz», sagt Manfred Brunner. Im vergangenen Jahr rückte das eigene Zuhause gezwungenermassen in den Fokus. Insbesondere Detaillisten mit Online-Shops verzeichneten im Textilbereich deutlich mehr Bestellungen – davon profitierte auch die Stardecor. «Und natürlich liefern wir auch für alle namhaften Onlinevermarkter. Alles in allem war es ein super Jahr für uns.»

Aber: Auch in der Textilbranche war Corona spürbar. Hauptsächlich bei der Produktion. «In der Türkei wurden zeitweise ganze Fabriken stillgelegt. In dieser Zeit gab es kaum Nachschub.» Die Lieferengpässe konnten bisher aber mit dem eingelagerten «Puffern» überbrückt werden und mittlerweile treffen die Stoffe meist wieder wie geplant ein. «Die Regale hier sind leer, weil wir sie für die Frühlingskollektion freihalten. Bald ist hier wieder alles randvoll.»

Sechs Mietwohnungen

Das Haus an der Zeughausstrasse 11 wurde fürs Arbeiten gebaut. Die Räume sind fast vier Meter hoch, der Boden besteht aus einer ungewöhnlichen und starken (ca. 500 Kg/m2) Schlacke-Beton-Konstruktion in Kombination mit kleinen Stahlträgern und grossen Stützmasten, und die grosszügigen Fensterreihen lassen genug Licht ins Innere. Ein klassisches Weberei-Gebäude, gebaut im Jahr 1902. «Hier war ursprünglich die Schlichterei einquartiert», sagt Manfred Brunner. Das «Schlichten» bezeichnet in der Textilindustrie das Auftragen einer Imprägnierungsflüssigkeit auf den Kettfaden, bevor dieser in der Weberei weiterverarbeitet wird. Das wird hier allerdings schon lange nicht mehr gemacht. Bis vor Kurzem befanden sich hier Büros und Lager der Stardecor AG. Seit November 2020 wird das Haus umgebaut. Bis im Sommer sollen hier sechs attraktive, loft-ähnliche Mietwohnungen entstehen. «Die gewaltige Höhe – die fertigen Wohnungen sind noch immer 3,5 Meter hoch – vermittelt eine wunderschöne Raumatmosphäre», sagt Architekt Fabian Biraghi. Er hat den Umbau an der Zeughausstrasse 11 geplant. Dabei konnte er mit einer guten Grundlage arbeiten: «Das Gebäude ist zwar über 100 Jahr alt. Aber die Substanz ist wirklich gut. Und die tragenden Grundmauern mit der Stützmasten-Konstruktion lassen viel offenen Raum zu.» Im Innern wird das Haus während des Umbaus infrastrukturell und energetisch auf den neusten Stand gebracht (geheizt wird mit einer Wärmepumpe) – äusserlich soll es aber seinen «Weberei-Charakter» behalten. «Das war uns ein grosses Anliegen. Deshalb haben wir auch die Sandstein-Elemente der Fassade in aufwändiger Arbeit erneuern lassen», erläutert Biraghi. Die vorgebauten Balkone (Loggias) bestehen zudem mehrheitlich aus Glas – die Fassade bleibt so sichtbar. 

Die sechs Mietwohnungen (4 x 4,5 Zimmer / 1 x 3,5 Zimmer / 1 x 5,5 Zimmer-Maisonette-Wohnung) mit Wohnflächen von 98 bis 237 Quadratmetern sollen am 1. August bezugsbereit sein. Mehr erfahren Sie hier tiz

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