Der Klingelton auf dem Smartphone ertönt. Hinweis auf eine „Push-up“-Meldung: „Weisser Rauch im Vatikan“. Schnell zappe ich auf dem TV die Sender durch: SRF bringt gerade Werbung, auf ARD flimmert eine Vorabendsendung über den Bildschirm. Auf ZDF kommt das erste Bild, das mehr erahnen lässt: Der Petersplatz füllt sich. Eindeutig steigt weisser Rauch zum abendlichen Römerhimmel.
Sofort spurte ich in die Sakristei hinüber und lasse gemäss Tradition 15 Minuten mit allen Glocken läuten: Habemus papam! Nachbarn schauen aus dem Fenster: „Brennt’s irgendwo?“ Ja, irgendwie brennt es schon: Ein neuer Papst sei gewählt. Brandheisse News aus dem Vatikan! Das Rätseln, wer es denn sei, beginnt. Inzwischen auch auf SRF. „Das ging schnell, ein klarer Favorit. Es muss wohl ein Europäer sein.“
Und dann, eine knappe Stunde später, erscheint der neue Papst auf der Loggia, nachdem der Protodiakon des Konklave (der dienstälteste), ein in Ehren ergrauter Mann , mit wackeliger, unverständlicher Stimme seinen Namen auf Lateinisch ins Mikrofon spricht: Franciscum. Hä? Die TV-Kommentatoren rätseln im Hintergrund, unwissend, dass ihr stotterndes Staunen über den Äther geht, was denn das für einer sei?
Für zwei Minuten ist die Überraschung der TV-Leute vor Ort merklich spürbar. Niemand kann etwas Konkretes sagen. Es geht mir auch so. Nur der Name fällt mir auf: Franziskus I.?!? Der tiefgläubige Troubadour Gottes, der in der Natur die Grösse und in jeder Kreatur die Liebe Gottes sah? Der, der sich selbst als „minderer Bruder“ (kleiner Bruder) bezeichnete und einst am Vatikan abgeblitzt war, wird nun zum Namensgeber für einen Papst? Wird wohl sein Name zum Programm?
Ist die Zeit der eher feudal wirkenden Kirche vorbei? Den Schulterumhang aus rotem Samt mit weissem Pelz trägt er nicht. Und er begrüsst die Menge nicht mit einer Formel, sondern nur mit staunenden Augen, aus denen etwas kindlich Berührendes hervorsticht. Und dann nur die Worte: „Schwestern und Brüder – buona sera“. Er bittet vor seinem ersten päpstlichen Segen demütig ums Gebet. Für ihn, für seinen Vorgänger und für den gemeinsamen Weg, den er mit den Menschen seiner Kirche gehen will. Dabei berührt er sein einfaches, gräuliches Metallkreuz, das er auf der Brust trägt. Ja, kein Goldkreuz, sondern ein Metallkreuz. Ganz franziskanisch. Worte und Gesten – alles an ihm: Franziskus wirkt den Menschen zugewandt.
Die ersten Minuten, in der er sich der Öffentlichkeit zeigt, lösen rund um den Globus eine berührende Freude aus. Er wird kein Heiliger sein. Das muss er auch nicht. Und er wird auch anecken. Aber vielleicht liegt der Grund der Freude im neuen Wind, der spürbar war, sobald die grossen Glastüren der Loggia sich geöffnet haben und dieser kleine und sympathisch wirkende Mann und Papst nach vorne getreten ist. Ein Wind, wie er spürbar ist in und um die Kleinstadt Assisi, wo Franziskus einst gelebt hat. Ein Wind der Einfachheit und Menschenliebe. Dieser Wind tut dem Vatikan gut. Und ich hoffe, dass er anhält.
Das Telefon läutet. Ein befreundeter Priester ruft an und sagt bloss: Dieser Papst trägt wohl keine roten Schuhe mehr….
Stefan Staub, Diakon/Pfarreileiter Kath. Pfarramt Teufen
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