Marcella Sturzenegger-Tanner vom «Gemsli» glaubt an die Zukunft der lokalen Bäckereien. Foto: tiz
Timo Züst
Beim Gespräch mit Marcella Sturzenegger-Tanner fallen zwei Dinge sofort auf: In ihrem Dialekt versteckt sich einiges an Innerrhoder Charme und die junge Frau lacht viel und gerne.
Ersteres ist rasch erklärt. Ihre Mutter stammt aus Innerrhoden, der Vater aus Stein. Beim Aufwachsen auf dem Bauernhof ausserhalb von Bühler hat die kleine Marcella deshalb ein buntes Dialektgemisch aufgeschnappt. Aber auch sonst war es eine lehrreiche Zeit. «Von meiner Kindheit auf dem Bauernhof habe ich viel mitgenommen», sagt sie. Damals war es aber manchmal nicht einfach. Während die anderen Kinder in die Badi gingen, halfen sie und ihre zwei Brüder zuhause mit. «Man lernt dabei viel. Über die Hausarbeit, das Leben und auch mal durchzubeissen.» Das Talent fürs Arbeiten hat sie wohl von ihren Eltern geerbt. Denn seit sie mit ihrem Mann Ramon am 1. August 2017 das «Gemsli» übernahm, hat ihre Arbeitswoche oft sieben Tage. Und die Tage sind lang.
In einen Konditor verliebt
«Am Samstag beginne ich normalerweise um fünf Uhr», erzählt sie. Erste Arbeit ist das Einräumen der Gestelle. Dann wird noch kurz Staub bzw. Brotkrümel gesaugt und schon kommen die ersten Kunden. Ab dann geht es Schlag auf Schlag. «Manchmal habe ich Zeit für Frühstück bzw. Mittagessen, manchmal nicht», sagt sie grinsend. Marcella Sturzenegger- Tanner mag ihren Job, hauptsächlich wegen des Kundenkontakts. Deshalb gefiel ihr auch ihre erste Ausbildung im Sport Baumann in Appenzell. Trotzdem sah ihr einstiger Lebensplan eigentlich weder eine Konditorei noch einen Gastronomie- Betrieb vor. «Mein Traumberuf war immer Primarlehrerin.» Und den Weg dorthin hatte sie auch schon skizziert. Zuerst eine Berufslehre mit BMS, danach an die Interstaatliche Maturitätsschule für Erwachsene (ISME) und dann an die Pädagogische Hochschule. Einziges Problem: Ihr Mann Ramon. «Ja, er brachte alles durcheinander», sagt sie im Scherz. Denn Ramons Eltern, Rita und Albert Sturzenegger- Zeller, führten das «Gemsli» seit 2004. Sie hatten den Betrieb von Rösli und Peter Wick übernommen. Die Familie Wick war im «Gemsli» – ursprünglich noch «Gämsli» – seit dem Jahr 1933 daheim. Über ihre Schwiegereltern fand Marcella Sturzenegger-Tanner also den Weg in den Traditionsbetrieb an der Speicherstrasse. Und das ziemlich rasch.
Stetiger Umbau
Nach der Lehre versuchte sie sich aber erstmal an etwas ganz anderem: dem Bankwesen. Ein Jahr arbeitete sie bei der Appenzeller Kantonalbank. «Das war gar nichts für mich. Ich habe mich ziemlich gelangweilt.» Also startete sie 2014 im «Gemsli». Anfangs noch als Aushilfe. Bald war sie fest angestellt und begrüsste täglich die Kunden im Laden und im Restaurant. Der grosse Schritt stand im Sommer 2017 an. Mit ihrem Mann gründete sie zuerst die Konditorei-Confiserie Gemsli GmbH – und kaufte dann die Liegenschaft samt Betrieb. «Das Haus ging von den Wicks direkt an Ramon. Seine Eltern hatten es nie gekauft», erklärt Marcella Sturzenegger-Tanner. Damit wagte das junge Paar – sie ist 25, er 32 – den Schritt in die Selbstständigkeit. Und von Anfang an mussten Investitionen getätigt werden. Die Wohnung im oberen Stockwerk und die Küche mussten renoviert werden. Doch der grössten Veränderung wurde das «Gemsli» diesen Januar unterzogen: Eine komplett neue Verkaufsfläche entstand. «Das wollte ich schon immer und es war Zeit», sagt Marcella Sturzenegger- Tanner. Nach dreieinhalb Wochen Umbauzeit sind Laden und Restaurant nun wieder geöffnet.
Bäckerei hat Zukunft
Marcella und Ramon Sturzenegger- Tanner tragen die Verantwortung über sieben Angestellte. Vier von ihnen sind zu 100 Prozent angestellt – inklusive eines Lehrlings. «Manchmal wird mir plötzlich wieder klar, was alles an uns hängt», sagt die junge Chefin. Aber: «Zum Glück läuft es gut.» Und das, daran zweifelt sie nicht, wird auch in Zukunft so sein. Sie beobachte den Trend hin zum lokalen Beck, nicht in die Gegenrichtung. «Die Kunden schätzen die Nähe und die gute Qualität. Dafür zahlen sie auch gerne ein bisschen mehr.» Auf eben diese Nähe zu den Kunden wird Marcella Sturzenegger- Tanner ab diesem Frühjahr aber ab und zu verzichten müssen. Denn das Unternehmerpaar erwartet ein Kind. Natürlich: Marcella Sturzenegger-Tanner lächelt, während sie von ihrer Schwangerschaft erzählt. Und einen Plan gibt es auch bereits. Im Verkauf wird eine zusätzliche Stelle geschaffen. «So kann ich dem Kind schauen und zeitweise präsent sein», erklärt sie. Und das Beste daran: Auch ihr Kind wird schnell viel lernen. Wie sie damals, daheim auf dem Bauernhof.