Kommentator: «Ein dümmlicher Bahnunfall»

05.05.2012 | Erich Gmünder
Bahnunglück Drogerie Wetzel 1989 (13)
Wo der neue Ochsen steht, rammte die Appenzeller Bahn die Drogerie Wetzel.

 

«Appenzeller Bahnen gegen Teufner Dorfdrogerie» (Appenzeller Zeitung)

 «Steuerwagen bohrte sich in Dorfdrogerie» (Appenzeller Tagblatt)

Von einem «dümmlichen Bahnunfall» schrieb der Kommentator in der Appenzeller Zeitung und forderte «Jetzt: Sicherheit zuerst!» Die Sicherheit der Appenzeller Bahnen (die just im Jahr zuvor, Ende 1988, aus der Fusion der SGA und der AB hervorgegangen waren) scheine nicht mehr gewährleistet. Auch wenn nationale Schlagzeilen «des rasenden Bahnungeheuers von Teufen» angesichts einer Stundengeschwindigkeit von 25 Kilometern leicht übertrieben wären, müsse man doch sagen, die Entgleisungen der letzten Monate seien «des Schlechten zuviel». «Der nächste AB-Unfall ist programmiert. Wie lange noch kommt die Gaiserbahn bei ihren Seitensprüngen mit einem blauen Auge davon?» fragte sich Roland Kink.

Mit Schienenräumer eingehängt

Die Unfallursache war schnell ermittelt: Nach den Erkenntnissen der AB muss die Zugskomposition beim Befahren dieses Zugsabschnittes ins Schwanken gekommen sein, worauf der am Steuerwagen angebrachte Schienenräumer an einer (vermutlich hitzebedingten!) Erhöhung des Teerbelages hängenblieb. Dieser Hänger hatte zur Folge, dass der erste Wagen der dreiteiligen Komposition aus den Schienen sprang und steuerlos und mit voller Wucht in das nächstliegende Gebäude fuhr. «Dabei überquerte der Steuerwagen ein Trottoir, das normalerweise von zahlreichen Fussgängern begangen wird, zum Zeitpunkt des Unfalls jedoch menschenleer war.»

Der spektakuläre Unfall zog viele Schaulustige an. Fotos: Archiv Familie Wetzel.

Weil sich der Unfall kurz vor 14 Uhr ereignete, hielt sich auch niemand in der Drogerie auf. Praktisch unverletzt blieben der Wagenführer und ein weiterer Bahnangestellter, der sich in der Führerkabine aufhielt, obwohl die Führerkabine völlig zerdrückt wurde. Beide hatten sich noch kurz vor der Kollision zu Boden werfen können. Die sechs leichtverletzten Personen konnten auf der Unfallstelle ambulant ärztlich versorgt werden.

Minutiöse Rekonstruktion

Die «Appenzeller Zeitung» rekonstruierte den Unfallhergang minutiös: Am Samstagnachmittag Punkt 13.55 Uhr habe der SGAZug 238 im Bahnhof Teufen den Abfahrtsbefehl nach St. Gallen erhalten. «Die Komposition besteht aus dem Steuerwagen A Bt 114, dem Zwischenwagen B 52 und dem Motorwagen BDeh 4/4 14, Leergewicht insgesamt 73 Tonnen. Wagenführer ist Hans Fässler.» Dann wird beschrieben, wie die Komposition durch das Dorf rumpelt und schwankt – bis zur entscheidenden Stelle:

«Die zulässige Geschwindigkeit beträgt hier laut Dienstfahrplan 25 km/h. Lokführer Fässler hält sich strikte daran. Plötzlich verspürt er einen Schlag. Der Steuerwagen fährt geradeaus. Fässler leitet eine Schnellbrem- . sung ein und wirft sich zu Boden. Sekundenbruchteile später prallt sein Steuerwagen in die südöstliche Ecke der Drogerie Wetzel und bohrt sich in die Geschäftsräumlichkeiten. (…) Der nachfolgende Personenwagen sprang ebenfalls aus dem Geleise, der stossende Triebwagen jedoch nicht. Wie durch ein Wunder trug niemand ernsthafte Verletzungen davon, weder Wagenführer noch Passagiere. Der Schaden am Drogeriegebäude und den Bahnfahrzeugen beläuft sich auf Millionenhöhe, das Gebäude ist abbruchreif.

Nach dem glimpflich verlaufenen Bahnunfall kam es zu einem Grosseinsatz des Bahndienstes der Appenzeller Bahnen, der Teufener Feuerwehr und eines SBB-Reparaturtrupps aus Rorschach. In rund elfstündiger Arbeit wurde der Steuerwagen aus dem zuvor abgestützten Haus herausoperiert. » – Der Verkehr wurde mit Bussen der VBSG aufrechterhalten. Am Sonntagmorgen verkehrten die Züge der AB bereits wieder fahrplanmässig.

Eine Entgleisungsserie

Dem Bahnunfall vom 22. Juli 1989 war eine Serie von Entgleisungen vorausgegangen: 1987 ein entgleister Pendelzug in der Liebegg, im November 1988 gab es eine Entgleisung im Bahnhof, und am 31. Januar und 1. Februar 1989 folgten zwei Entgleisungen hintereinander in der Liebegg. «Wann folgt auf der SGA-Strecke die nächste Entgleisung? Wann sind die ersten Opfer zu beklagen. SGA = Schlechte Geleise-Anlage?» spottete die Appenzeller Zeitung. Dabei sei doch die Abkürzung SGA mittlerweile «gestorben».

ARCHIV

Bahnunglück Drogerie Wetzel 1989 (6)

«… und dann stand der Zug in unserer Drogerie»

Urs und Silvia Wetzel erinnern sich an Bahnunglück vor 23 Jahren weiterlesen…

5. 05. 2012 |

 

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