Seit ihrer Eröffnung, 1895, wurde die «Alpina» – so hiess das Geschäft bis 1980 – von fünf verschiedenen Drogisten betrieben. Obwohl es im Dorf noch weitere Drogerien gab, war und ist sie bis heute das Fachgeschäft für Gesundheit und vieles mehr.
Erika Preisig
Das Haus im norddeutschen Stil wurde von Jakob Hertz, einem aus Polen eingewanderten Arzt, erbaut, der dort bis 1899 eine Arztpraxis betrieb. Ab 1901 war er in Herisau tätig und gilt als wichtigster Exponent der sozialistischen Arbeiterbewegung in Appenzell.
Von Adolf Eichmann zu Dr. Adolf Scherrer. 1895–1939
Im selben Haus (heute Spar, Hauptstrasse 8) eröffnete Adolf Eichmann 1895 die erste Drogerie samt Kräuterversandgeschäft. 1905 wurde das Geschäft vom Chemiker Dr. Adolf Scherrer als Medizinal-Droguerie übernommen und nach dessen Tod, 1935, noch vier Jahre von seiner Witwe weitergeführt.
41 Jahre Alpina-Drogerie Fritz und Lydia Alder. 1939–1980
Mit Lydia Alder sitzen wir auf der Terrasse ihrer Wohnung. Wir bewundern nicht nur den schönen Ausblick, sondern auch den Charme und die geistige Frische der 97-jährigen Teufnerin. Zusammen unternehmen wir eine kleine Zeitreise:
Sie beginnt 1939, als Fritz Alder, nach Abschluss der Drogisten-Fachschule in Neuenburg und Praxisjahren in der Löwenapotheke St.Gallen, Haus und Geschäft der Witwe Scherrer erwarb. Es war ein ereignisreiches Jahr: Der 2. Weltkrieg brach aus und Fritz lernte im Schwimmbad seine zukünftige Frau Lydia kennen. 1940 heirateten die beiden und meisterten ihr Leben fortan gemeinsam, bis zum Tod von Fritz, im Juli 2004.
Lydia Alder erinnert sich: «Die ersten Jahre waren schwierig. Fritz war oft im Zivilschutz, und ich musste allein zurechtkommen. Auch mit dem Verdienst haperte es ziemlich, die Leute hatten kein Geld, viele Produkte wie Salmiak, Leinöl, Javel waren rationiert. Für das Haus hatten wir Geld bei Verwandten aufnehmen müssen und sind dann fast «verschtropft» wegen der Zinsen an den verschiedenen Orten.»
In den 50er Jahren ging es bergauf
Bei Alders hatte es inzwischen Nachwuchs gegeben – fünf «gfreuti» Kinder wurden dem Paar geschenkt, und das Geschäft fing an zu florieren. «Zu unserer Zeit durften wir, genau wie die Apotheken, alle pharmazeutischen Produkte verkaufen. Damit haben wir ziemlich gut verdient», erzählt Lydia Alder, «auch die Produkte die wir selber herstellten, wie Chalberchuetrank, Viehpulver, Hustensirup, Bodenwichse verkauften wir gut.»
Ebenfalls beliebt waren die Geschenkartikel – speziell auf Weihnachten – Kerzen, Seifen, Nécessaires etc.. Überhaupt war das Sortiment riesig, nebst Heilmitteln und Kosmetika gab es Farben, Benzin, Korkzapfen, Mineralwasser, Spirituosen …
Fritz Alder war ein liebenswürdiger Mann und ein ausgezeichneter Drogist. Für viele habe er den Arzt ersetzt, sagt Lydia Alder. «Mitteli deför ond degege, de Fritz wäss immer näbis», hätten die Leute gespöttelt. Solche Spässe ertrug Fritz Alder gut, machte er doch selber die besten Sprüche und trat bei Unterhaltungen als Conférencier auf. «Es war eine andere Welt», sagt Lydia Alder zum Schluss, «wir haben hart gearbeitet, lange Zeit gab es keine Ferien, der Laden war die ganze Woche geöffnet und trotzdem herrschte ein Zusammenhalt unter den Gwerblern im Dorf, und wir verbrachten viele fröhliche Stunden miteinander.»
29 Jahre Drogerie Wetzel. 1980–2009
Die erfolgreiche Geschichte der Alpina, die fortan Drogerie Wetzel hiess, setzte sich mit der Übernahme durch Silvia und Urs Wetzel fort. Die beiden sind des Lobes voll über ihre Vorgänger. «Alders haben uns vertraut, schlugen ein höheres Angebot aus und überliessen uns ein blühendes Geschäft.» Urs erinnert sich, dass Fritz Alder nach dem Abschluss des Kaufs zu ihm kam und ihm 54 Franken überreichte, die er bei der Inventur irrtümlich zuviel aufgeschrieben hätte.
Urs Wetzel, Drogist HF, war im Dorf bereits bestens bekannt als ehemaliger Geschäftsführer der Drogerie Früh in der Migros, wo auch seine Frau Silvia, ebenfalls Drogistin, arbeitete. Das vielfältige Sortiment wurde zwar weitergepflegt, doch allmählich verschwanden gewisse Produkte aus der Vergangenheit, wie z. B. Spirituosen und Waschmittel. Doch noch bis zum Einzug in die neue Drogerie im Dorf, wo der Platz beschränkt war, wurden Farben gemischt und Chemikalien und Tinkturen nachgefüllt.
Mehr und mehr und aus Überzeugung setzten Wetzels zunehmend auf Naturheilmittel und Homöopathie. Sie erweiterten die Palette an Hausspezialitäten – Wetzels Hustensirup ist bis heute ein Renner – und wurden für viele zur Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen. «Frög doch bim Wetzel», wurde einem geraten. Urs und Silvia Wetzel, wie auch ihre Nachfolger, investierten viel Zeit in die Ausbildung ihrer Lehrlinge. Insgesamt neun Drogisten bildeten sie aus.
Was sich so schön anliess mit der Drogerie, fand jedoch eines Tages, genau am 22. Juli 1989 um 14.04 Uhr,ein jähes Ende, als eine Zugskomposition der Appenzeller Bahn entgleiste und bei Wetzels in der Drogerie zum Stillstand kam.
Dank der Solidarität der Gemeinde konnte das Geschäft dann in einer Baracke auf dem Parkplatz der Turnhalle Dorf wieder aufgenommen werden. Das Provisorium dauerte sechs Jahre, bis endlich im Dorf 20 neue Räumlichkeiten gefunden wurden.
Von der Drogerie Wetzel zu Drogerie Michels «Arznei & Beratung»
Die schöne Geschichte, wie Wetzels ihre Nachfolger fanden, erzählen die beiden immer wieder gerne. «Eigentlich», lacht Urs Wetzel, «mussten wir gar nicht suchen, sondern sie sind uns einfach zugefallen, die Michels.» Kurz erzählt, war es so, dass Hanspeter Michel nach dem Abschluss an der HF Neuenburg in einer Berner Landdrogerie arbeitete und immer wieder bei Wetzels in Teufen Waren bestellte. Schon am Telefon war man sich sympathisch, die Option einer Übernahme kündigte sich leise an und wurde nach einem Besuch in Teufen konkret. Bis der Traum von der eigenen Drogerie Wirklichkeit wurde, vergingen noch zwei Jahre, und am 18. August 2009 standen Claudia und Hanspeter Michel erstmals für ihre Kundschaft hinter der Ladentheke.
Und sie sind schon längst hier angekommen. Sie haben in Teufen geheiratet, einen Sohn zur Welt gebracht, sich einen treuen Kundenstamm aufgebaut und engagieren sich im Dorf.
Ausrichtung als Naturdrogerie
Das Sortiment an Naturheilmitteln, Hausspezialitäten, Frischpflanzentinkturen, Kräutern und Teemischungen, welches Silvia und Urs Wetzel bereits pflegten, haben Claudia und Hanspeter Michel weiter ausgebaut. Neu dazugekommen ist die Spagyrik, ein Naturheilverfahren, dessen Pflanzenessenzen individuell gemischt werden. Daneben führt die Drogerie Michel sämtliche Schüsslersalze, Ceres Urtinkturen sowie diverse Naturkosmetiklinien.
«Unser Sortiment umfasst rund 120 Heilkräuter und Gewürze und etwa 80 Urtinkturen», sagt Michel, der leidenschaftlich an Kräutern und Elixieren herumtüftelt. So hat er das bereits ansehnliche Sortiment an hauseigenen Arznei- und Kräuterheilmitteln seiner Vorgänger erweitert. Unter dem Markennamen MICURA (Michels Therapie) existieren mittlerweile gegen 90 verschiedene Produkte. Diese Rezepturen werden entweder von Hand in der Drogerie hergestellt oder an spezialisierte Ostschweizer Unternehmen vergeben. Neben dem bewährten «Wetzel-Hustensirup» gehören ein Präparat gegen Harnwegsinfekte, die Lavendel Herzsalbe oder ein Weihrauchpräparat gegen entzündliche Rheumatismen zu den Bestsellern.
«Doch sonst sind wir eine ganz normale Drogerie», sagt Michel. «Wir haben auch die handelsüblichen Drogerieartikel vorrätig oder können sie in Kürze besorgen.»
Neben Claudia und Hanspeter Michel, stehen Patrizia Blatter, Nicola Wolf und Deborah Signer (im 1. Lehrjahr) für eine kompetente Bedienung und Beratung zur Verfügung.
Und es gibt auch sie noch, die Dinge, die der Zeit trotzten und bis heute in Michels Dorfdrogerie erhältlich sind: das Alpina Brunstpulver für den Kuhstall etwa, aber auch Salmiakgeist, Collodium, Karbid oder Salz- und Ameisensäure.