Markus Peterer vor seinem kleinen Direkt-Verlauf im Sammelbüel. Foto: tiz
Die Leckereien der unscheinbaren Konditorei Peterer im Sammelbüel werden in der ganzen Schweiz gegessen. Heuer allerdings viel weniger als sonst. Denn 90 Prozent seiner Produkte verkauft Markus Peterer an Marktfahrer. Ohne Märkte keine Kokosbälle, Caramel oder Zuckererdbeeren.
Es gibt wohl kaum einen Teufner Hauseingang, der so viel Nostalgie auslöst wie jener beim Sammelbüel 94. Die beige Eternit-Fassade wird von einer klassischen Holz-Glas-Tür unterbrochen. Es gibt weder ein Schild noch eine offizielle Beschriftung. Wer nicht weiss, welche Schätze hier zu finden sind, hat nur einen Hinweis. Auf dem Fenster oberhalb der Tür klebt ein Schriftzug. Die Optik, Anordnung, Farbwahl und das auf den Kopf gestellte «e» machen deutlich: Hier waren Kinderhände am Werk. «Das war die Idee der Nachbarstochter. Wir fanden es noch schön und liessen es deshalb.» Markus Peterer ist der Sohn des angesprochenen «Zucker Bolle Sepp» (Joseph Peterer; selig). Er führt das Familienunternehmen in zweiter Generation. Heuer sind es 25 Jahre, genau so lange wie sein Vater der Chef war. An diesem Donnerstagnachmittag riecht es nach Caramel in den Produktionsräumen. Der Konditor hat sie gerade geschnitten. «Mir fällt der Geruch gar nicht mehr so auf. Aber Gäste sagen das immer.» Die Rahmtäfeli gehören zu den Produkten, von denen er auch heuer eine kleine Menge verkaufen kann. Im Vorraum steht eine Palette mit 200 Kilogramm davon bereit – für einen Kunden aus Basel. «Ich liefere auch an ganz wenige Detailhändler. Sie bestellen weiterhin.» Über 90 Prozent ihres Absatzes erzielt die Konditorei Peterer normalerweise aber dank den Marktfahrern. Dieser Anteil fiel heuer komplett weg.
Keine Existenzängste
Die Nostalgie endet hier nicht beim Eingang. Im Gegenteil. Beim Rundgang durch die Produktionsräume fühlt sich der Besucher ein halbes Jahrhundert zurückversetzt. «Es gibt schon einige neuen Geräte. Zum Beispiel den Luftentfeuchter bzw. -kühler. Aber das meiste ist noch gleich wie vor 50 Jahren.» Es sind robuste, einfache Maschinen. Strom braucht es bloss für den Antrieb. Von Digitalisierung ist hier nichts zu sehen. «Alles ist so mechanisch wie möglich. Das ist entscheidend.» Denn was kaputt geht, wird repariert. Eine Neuanschaffung ist keine Option. Denn einen Eins-zu-Eins-Ersatz gibt es nicht und die Kosten wären viel zu hoch. Und Markus Peterer will auch gar keine neuen Geräte: «Wir sind hier sehr gut ausgestattet. Alles funktioniert sehr gut.» Normalerweise hätte er im August kaum Zeit für eine ausführliche Führung. Jetzt beginnt üblicherweise die Markt-Saison. Für ihn – nebst der Fasnacht und dem Frühling – die wichtigste und intensivste Zeit des Jahres. «Wir produzieren immer frisch. Und da die Marktfahrer sich aufgrund der Wettervorhersagen oft erst spät entscheiden, bin ich im Spätsommer und Herbst normalerweise unter Hochdruck am Produzieren.» Dank Corona ist jetzt aber alles anders. Im 2020 hat Markus Peterer hat seit der Fasnacht keinen Kokosball mehr geformt. Auch die Herstellung aller anderen Produkte wurde auf ein Minimum heruntergefahren. «Mein Glück ist, dass ich keine Mitarbeitende und tiefe Fixkosten habe. In der Not sind wir deshalb noch nicht.» Aber die Zukunft bereitet auch ihm Kopfzerbrechen. Denn ein Ende der Markt-Flaute ist noch nicht in Sicht.
Wenig Alternativen
Auch die Olma Messen leiden unter Corona. Sie sind aufgrund der vielen abgesagten Messen und Veranstaltungen auf finanzielle Unterstützung in Millionenhöhe (Darlehen) angewiesen. Den Wegfall der Olma spürt auch Markus Peterer: «Das ist für uns der wichtigste Termin im Jahr. Es ist ja nicht nur die Olma, sondern auch der Jahrmarkt.» Die regionalen Marktverbände spielen zwar mit dem Gedanken, eine Art reduzierte Chilbli auf die Beine zu stellen. Aber die Chancen dafür stehen nicht gerade gut. Obwohl Märkte eigentlich schon seit Monaten wieder erlaubt wären. Auch entsprechende Schutzkonzepte bestehen. «Die Gemeinden sind einfach sehr vorsichtig. Ich zweifle deshalb daran, dass es bald wieder ‘richtige’ Märkte gibt.» Andere Vertriebswege aufzubauen, macht für Markus Peterer aber wenig Sinn. Denn in einem normalen Jahr ist er sehr gut ausgelastet. «Ich habe eher zu viel als zu wenig zu tun.» Da er für die grossen Detailhändler zu kleine Mengen produziert, müsste er Partnerschaften mit kleineren Händlern eingehen. Einige davon hat er bereits – sie bestehen seit Jahren. «Aber neue Wege auftun, die ich längerfristig nicht bedienen kann, will ich nicht.» Er hofft deshalb wie seine Kunden die Marktfahrer auf ein baldiges Ende der Pandemie. Und wer in der Zwischenzeit doch Lust auf einen «Zuckerbolle» hat, kann sich den beim Sammelbüel 94 abholen. «Früher wurden wir von den Kindern fast überrannt. Mittlerweile sind wir wohl etwas in Vergessenheit geraten. Aber unsere kleine ‘Direkt-Lädeli’ gibt es nach wie vor.» tiz
Auch er mag Süsses
Die Rezepte der Konditorei Peterer sind ein Familiengeheimnis. Und sie haben sich in den vergangenen 50 Jahren kaum verändert. «Das Ziel ist, dass alles immer gleich schmeckt», sagt Markus Peterer. Einfach ist das aber nicht. Denn vieles hat einen Einfluss auf den Geschmack: Mischverhältnis, Qualität der Zutaten, Temperatur, Luftfeuchtigkeit. Um das alles richtig einschätzen zu können, braucht es viel Erfahrung – aber auch sensible Geschmacksnerven. «Ich mag Süsses auch selbst ganz gern, ja. Und schliesslich muss man seine Produkte auch probieren.»