«Alte Dame für weitere 50 Jahre fit gemacht»

08.09.2012 | Erich Gmünder
gmuendertobelbruecke

Für einmal stand am Tag des Denkmals nicht eine alte Kirche oder ein altes Haus im Mittelpunkt. Mit der Baustellenbesichtigung der Gmündertobelbrücke wurde ein Baudenkmal gewürdigt, das oft achtlos befahren wird. Der Denkmaltag stand diesmal unter dem Thema «Stein und Beton».

Über zwanzig Interessierte, ausgerüstet mit orangen Schutzwesten und Schutzhelm, ergatterten einen Blick hinter die Kulissen der nicht alltäglichen Baustelle. Es waren vorwiegend technikinteressierte Männer, eine Handvoll Frauen und zwei Kinder, welche den Rundgang auf dem Gerüst wagten, das zum Teil schwindelerregende Blicke in die Tiefe ermöglichte.

Ein Besucher war sogar eigens aus dem Wallis angereist, weil er dieses Monument der Baukunst von nahem besehen wollte. Die Gmündertobelbrücke galt bei der Einweihung 1908 mit einer Bogenspannweite von 80 und einer Länge von 172 Metern für kurze Zeit als die längste Eisenbetonbrücke Europas.

Die Vorgabe habe nun gelautet, «die 104-jährige ehrwürdige alte Dame für die nächsten 50 Jahre wieder fit zu machen», fasste Projektleiter Roger Müller vom Büro Bänziger Partner AG die ihm von der Denkmalpflege gestellte Aufgabe etwas flapsig zusammen. Das hiess, die schadhaften Teile so zu rekonstruieren, dass einerseits das Erscheinungsbild gewahrt wird und anderseits die Funktionstüchtigkeit dem neusten Stand der Wissenschaft entspricht.

Das Armierungseisen habe die Jahre gut überstanden, die filigranen Stützen sowie die Pendelwände hätten jedoch gelitten und mussten samt und sonders neu in Beton gegossen werden. Deshalb musste auch der grösste Teil der Fahrbahn ersetzt werden. Auch die Schutzschicht aus Spritzbeton war teilweise schadhaft und musste partiell ersetzt werden.

Teil eines Brückenbaumuseums

Die Rekonstruktion sei zwar nicht die billigste Methode, sagte der kantonale Denkmalpfleger Fredi Altherr. Die Mehrkosten würden aber durch namhafte Beiträge des Bundesamtes für Kultur grösstenteils gedeckt. Dies, weil die zahlreichen Brücken über die Tobel in dieser Region ein eigentliches Brückenmuseum darstellten.

Daniel Sonderer, Projektleiter Brückenbau beim kantonalen Tiefbauamt, erinnerte daran, dass die im selben Stil gebaute Rotbachbrücke zwischen Teufen und Haslen (erstellt 1923/24, Abbruch 1985) und die Hundwilertobelbrücke (1923–25, Abbruch 1993) nur deshalb durch Neubauten ersetzt werden durften, weil man gleichzeitig bereit war, das Original, die Gmündertobelbrücke, zu erhalten.

Eine grosse Herausforderung war, eine weitere politische Vorgabe einzuhalten, nämlich den Verkehr während der ganzen Bauzeit aufrecht zu erhalten. Damit habe sich die Bauzeit um rund ein Jahr verlängert.

Einer der interessierten Besucher war Emil Lanker (94): Der frühere Kantonsingenieur leitete die letzte Restauration anno 1960, also vor mittlerweile 52 Jahren!

Aktueller Hinweis:

Das Architekturforum befasst sich am 15. Oktober 2012 im Rahmen der Ausstellung Kunstbauten Eisenbeton Landschaften im Kubel mit der Gmündertobelbrücke.
Anhand der Gmündertobelbrücke sprechen unter anderem Fredi Altherr, Denkmalpfleger AR, und Jürg Conzett.
Wo: Kraftwerk Kubel (Sittertobel)
Wer: Daniel Sonderer, Frei Altherr und Jürg Conzett (Ingenieur und Kurator des Schweizer Pavillions an der Biennale in Venedig von 2010)
Wann: 19.00 Uhr

 

Weitere Infos unter www.kubel.ch

 

So präsentierte sich die Gmündertobelbrücke ums Jahr 1908, 66 Meter über dem Rotbach. Archivbild: zVg.

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