«Wollen Sie einen Objektkredit für einen künftigen Beitrag der Gemeinde Teufen an die Appenzeller Bahnen für die Erstellung eines Tunnels zwischen Stofel und Bahnhof Teufen (Ortsdurchfahrt Teufen) im Betrag von 30 Millionen Franken bewilligen?» Die Abstimmungsfrage bewegt die Gemüter.
Bei einem Nein zur Tunnelfinanzierung wird automatisch die günstigere Variante mit Doppelspur durchs Dorf zur Ausführung gelangen, welche aber ebenfalls umstritten ist. Wir sprachen mit den beiden Mitgliedern des Lenkungsausschusses, Gemeindepräsident Walter Grob und Gemeinderat Markus Bänziger, Präsident der Finanzkommission, über knifflige Fragen vor der Abstimmung vom 18. Januar. Die Fragen stellte Erich Gmünder.
Tüüfner Poscht: Der Gemeinderat hat sich gegen die Tunnelfinanzierung und damit für die Doppelspur entschieden. Wäre der Entscheid gleich ausgefallen, wenn beide Varianten zum selben Preis zu haben gewesen wären?
Walter Grob/Markus Bänziger: Sowohl mit einem Tunnel als auch mit der Doppelspur kann die Situation im Dorfzentrum gegenüber heute deutlich verbessert werden (Geschwindigkeitsreduktion, mehr Sicherheit für Fussgängerinnen und Velofahrer, attraktive öffentliche Räume). Bei all diesen Verbesserungen aus den Projekten sowie der neuen Dorfplatzgestaltung darf der finanzielle Aspekt – mit Rücksicht auf den Gesamt-Gemeindehaushalt – nicht unberücksichtigt bleiben: Erstens: Der Beitrag von 30 Mio. – die Gemeinden Bühler, Trogen und Gais investieren zusammen weniger in zehn Jahren – ist auch für den Teufener Finanzhaushalt eine grosse Belastung.
Zweitens: Teufen hat bereits erhebliche Schulden, während viele andere Ausserrhoder Gemeinden schuldenfrei sind. Teufen hat in den letzten Jahren deutlich überdurchschnittlich viel investiert: Schulhaus Landhaus, Haus Unteres Gremm und Zeughaus in nur zehn Jahren. Entsprechend ist der finanzielle Handlungsspielraum jetzt eingeschränkt. Zweitens hat Teufen allfällige baulich bedingte Kostenüberschreitungen beim Tunnelbau zu 86% allein zu tragen. Diese finanziellen Aspekte haben für den Gemeinderat in der Beschlussfassung sicher eine Rolle gespielt.
Das Wesentlichste ist aber drittens, dass die Doppelspurlösung gegenüber heute deutliche Vorteile aufweist: Die von externen Fachleuten vorgenommene Nachhaltigkeitsbeurteilung zeigt für die Doppelspur ein positiveres Bild. So kommt der Gemeinderat zum Schluss, dass die Zusatzkosten durch die sicher auch unbestrittenen Vorteile des Tunnels nicht aufgewogen werden.
An der Versammlung hat der Sprecher der IG Dorfgestaltung die vorzeitige und vor allem auf Zahlen basierende Entscheidung des Gemeinderates kritisiert und «mehr Herz» gefordert. Hat das Portemonnaie den Entscheid zu stark beeinflusst?
Die Forderung nach «mehr Herz» = Engagement für die Gestaltung unseres Dorfes ist sehr verständlich: der Gemeinderat strebt auf jeden Fall ein lebendiges, attraktives und «herzliches» Teufen an. Dafür braucht es Leben im Dorf, Aktivität und ein ausgeglichenes Nebeneinander von Individualverkehr, Langsamverkehr, öffentlichem Verkehr und Fussgängern. Das neue Rollmaterial der Appenzeller Bahnen – deutliche leichtere, tiefergelegte und auf Sicht fahrende Kompositionen – wird das Dorf beleben und den Verkehr beruhigen. An den Workshops haben sich die Teilnehmer/innen hauptsächlich mit der Zukunft unserer Gemeinde und der Gestaltung auseinandergesetzt. Im Vordergrund stand eine ortsbauliche Betrachtung. Aber der Gemeinderat hat – so unangenehm dies auch ist – den Gemeindehaushalt langfristig im Auge zu behalten, ansonsten würde er seinen Auftrag nicht erfüllen.
Warum hat der Gemeinderat zu diesem frühen Zeitpunkt Stellung genommen?
Mit der periodischen Publikation im Anschluss an die Gemeinderatssitzungen nimmt der Gemeinderat eine Publikationspflicht gemäss Gemeindeordnung wahr. Der Verzicht darauf hätte zu unliebsamen Spekulationen führen können. Zudem muss mit dem Versand des Abstimmungsediktes – dieses wurde im Sinne einer auch zeitlich umfassenden Informations-Möglichkeit frühzeitig versandt – die Abstimmungsempfehlung publiziert werden.
An Stammtischen ist vermehrt wieder zu hören, dass sich Teufen einen Tunnel leisten könnte, wenn die Abschreibungsdauer auf 40 oder 50 Jahre ausgedehnt und der Steuerfuss etwas mehr als nur um 0,1 Punkte erhöht würde.
Die Abschreibungsdauer könnte tatsächlich von 25 auf 40 Jahre erhöht werden. Aber es sind drei Aspekte dabei zu berücksichtigen, die den Gemeinderat zu einer relativ kurzen Abschreibungsdauer bewegen: Erstens: An der stark ansteigenden Verschuldung bis ca. 2020 ändert dies gar nichts: Teufen wäre so mit über Franken 8‘000 pro Einwohner die mit Abstand am höchsten verschuldete Gemeinde des Kantons – oder anders ausgedrückt: Teufen hätte dann etwa so viel Schulden, wie der Kanton Appenzell Innerrhoden Nettovermögen aufweist: nämlich etwa 50 Mio. Zweitens: Eine lange Abschreibungsdauer heisst gleichzeitig, dass die Schulden nur langsam zurückbezahlt werden. Damit werden zweitens die Investitionsmöglichkeiten der Gemeinde für andere Projekte über Jahre hinaus eingeschränkt. Drittens sind die kumulierten Zinskosten deutlich höher. Die Finanzkommission hat in ihren Ausführungen aber die nachträgliche Verlängerung der Abschreibungsdauer von 25 auf 40 Jahre als Reserveoption vorgesehen, sollten bei der Realisierung der Tunnelvariante die notwendigen Einsparungen nicht realisiert werden können oder die Steuererhöhung nicht die notwendigen Erträge bringen.
In Gewerbekreisen gibt es Befürchtungen wegen einer langen Bauphase, die ihrem Geschäft den Todesstoss versetzen könnte. Vor allem bei der Variante Doppelspur wird eine lange und intensive Bauphase erwartet, welche auch Befürworter abschreckt. Wie gehen Sie auf diese Ängste ein?
Die Ängste nehmen der Gemeinderat, aber auch die Zuständigen von Kanton und Bahn ernst. Der vor und während der Bauphase gewählte Gemeinderat wird sich mit grosser Kraft einsetzen müssen, dass das Dorf während der Bauphase nicht an Attraktivität verliert.
«Der Gemeinderat hat – so unangenehm dies auch ist – den
Gemeindehaushalt langfristig im Auge zu behalten, ansonsten
würde er seinen Auftrag nicht erfüllen.»
Hierzu werden Gemeinderat und Gewerbetreibende einen engen Dialog führen müssen, um gemeinsam taugliche und gute Lösungen zu erarbeiten, wie dies in anderen Gemeinden mit ähnlichen Problemen auch gemacht wird. Nicht nur das Gewerbe, auch der Gemeinderat ist gefordert!
Können Sie bei den verantwortlichen Stellen von Bund und Kanton entsprechend Druck aufsetzen, dass die Probleme des Gewerbes sowie der Dorfanwohner ernst genommen werden?
Aus heutiger Sicht und aufgrund der gängigen Praxis wird es primär Aufgabe der Gemeindebehörde sein, dafür zu sorgen, dass beim Bau Rücksicht auf das Gewerbe genommen wird. Der Bund muss hier ausser Acht gelassen werden; Bauherr werden entweder der Kanton oder die Appenzeller Bahnen sein. Die intensiven Gespräche und Verhandlungen vor allem im Lenkungsausschuss mit Bahn und Kanton lassen hier aber hoffen: Die Verantwortlichen von Kanton und Bahn zeigen viel Verständnis für die Anliegen des Gewerbes.
Offenbar steht auch die Möglichkeit zur Wahl, wie bisher auf einer Spur durch das Dorf zu fahren. Das wäre sicher billiger und mit weniger Bauzeit und Immissionen verbunden.
Die Einspurlösung wird schon seit geraumer Zeit nicht mehr weiterverfolgt, da sie nicht zukunftsweisend ist. Die Problemlösung wird nur um ein paar Jahre verschoben, da die zunehmende Mobilität sofort wieder zu Konflikten führt. Ausschlaggebend für die ablehnende Haltung von Kanton, Bahn und Gemeinde sind vor allem sicherheitsrelevante Überlegungen, da das grosse Gefahrenpotenzial mit dem Gegenverkehr bleibt. Es ist im Dorfkern aus Platzgründen nicht möglich, der Einspur ein eigenes durchgehendes Trassee zu geben.
«Teufen hat bereits erhebliche Schulden, während viele andere Ausserrhoder Gemeinden schuldenfrei sind.»
Aber auch die vom Gesetz geforderte Sicherung der Bahnübergänge auf der Strecke Ochsen – Bahnhof mit Schranken und 18 Blinklicht- und Signalanlagen stört das Dorfbild und den übrigen Verkehr massiv. Die zahlreichen Sicherungsanlagen bei den verschiedenen Querungen lassen relativ lange Wartezeiten für den Individualverkehr und den Langsamverkehr erwarten. Die Gemeinde müsste zudem auf die Entwicklung des Dorfkerns verzichten. Insgesamt ist die Einspur für den Gemeinderat und die Appenzeller Bahnen ein nicht akzeptables Szenario.
Was passiert in der Zwischenzeit mit den vielen Bahnübergängen im Dorfgebiet, die eigentlich bis Ende 2014 saniert sein müssten?
Die Appenzeller Bahnen werden Übergangslösungen umsetzen müssen; im Vordergrund stehen bahnbetriebliche Massnahmen.
Das Interview wurde schriftlich geführt.