Margrih Widmer
Die Ausserrhoder SVP hat den Freisinnigen den einzigen Nationalratssitz abgeluchst: Nach einem Wahlkrimi mit Fotofinish schwang David Zuberbühler (SVP, Herisau) mit 6394 Stimmen obenaus. Markus Bänziger (FDP, Teufen) erzielte 5949 und Jens Weber (SP, Trogen) 5058 Stimmen. Der bisherige Ausserrhoder Nationalrat Andrea Caroni (FDP) wurde mit 12’308 Stimmen als neuer Ständerat gewählt. Auf Vereinzelte entfielen 2613 Stimmen.
Damit ist die Ausserrhoder FDP erstmals nicht mehr im Nationalrat vertreten. Allerdings ist der Sitzverlust zumindest ein halbes Déjà-vu: 1995 verlor die FDP einen der damals noch zwei Nationalratssitze an die SVP (Jakob Freund, Bühler). 2003 holte Marianne Kleiner dieses Mandat für die FDP wieder zurück.
13.34 Uhr: Jubel, Wut und Tränen – so intensive Emotionen gab es noch selten im Foyer des Kantonsratssaals im Herisauer Regierungsgebäude. Dabei war der erste Schock schon identisch mit der finalen Bestürzung auf FDP-Seite: Bereits am Mittag lag David Zuberbühler nach den Resultaten aus Stein, Waldstatt, Gais und Wolfhalden mit 1103 Stimmen in Führung vor Bänziger (917) und Weber (717). Zu jenem Zeitpunkt war der einzige Ständeratskandidat Andrea Caroni (35) mit 1842 Stimmen allein an der Spitze. Es war ein „repräsentativer“ Querschnitt, der das Endresultat vorweg nahm.
Nach sieben Gemeinde-Resultaten – hinzu gekommen waren Teufen, Speicher und Lutzenberg – lag Bänziger (48) mit 3017 Stimmen vorn, gefolgt von Zuberbühler (36) mit 2123 und Weber (47) mit 1950 Stimmen. In Teufen holte Bänziger 1474 Stimmen, gefolgt von Weber mit 539 und Zuberbühler mit 516.
Es geht ein Graben durch den Kanton
Aber das reichte nicht: Markus Bänziger lag nur in zwei Gemeinden vorn, in Teufen und Reute.
Jens Weber holte in seiner Wohngemeinde Trogen mehr Stimmen als die beiden anderen Kandidaten, aber auch in Speicher, Rehtobel, Wald und Heiden. Im Rest der Gemeinden – in 13 von 20 – sahnte David Zuberbühler ab: in Urnäsch, Herisau, Schwellbrunn, Hundwil, Stein, Schönengrund, Waldstatt, Bühler, Gais, Grub, Wolfhalden, Lutzenberg und Walzenhausen. Jens Weber dazu: „Es geht ein Graben durch den Kanton; die Unterschiede sind gross. Das Resultat zeigt, dass es sehr unterschiedliche Vorstellungen im Kanton gibt, in welche Richtung es gehen soll.“
Vollkanton und zwei Nationalratssitze
Die Bekanntgabe des Endresultats brachte Freudengeschrei, weisse und rote Gesichter: Rote Wangen vor Glück hatte David Zuberbühler. Er war echt überrascht: „Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen; der Unterschied ist gering,“ bilanzierte er.
Eines der Ziele des neuen Ausserrhoder Nationalrats wird es sein, einen anderen Berechnungsmodus für die Volksvertretungen zu lancieren, sodass Ausserrhoden wieder zu zwei Nationalratssitzen kommt. Zudem sollte Ausserrhoden zu einem Vollkanton mit zwei Ständeratssitzen werden. Anderseits: „Ich werde in erster Linie Bundesvertreter und nicht Kantonsvertreter sein.“
Nein, er sei kein strammer Parteisoldat, so Zuberbühler. Seinen Wahlerfolg führt er auf sein Engagement im Kantonsrat in der Spitalverbunds-Affäre und seine Opposition gegen Abgangsentschädigungen für Regierungsräte zurück. Er engagierte sich als einziger SVP-Vertreter für die Wiedereinführung der Landsgemeinde.
Als „schön und wichtig für den Kanton“ und Resultat der sich abzeichnenden Tendenz zugunsten der SVP bezeichnete SVP-Präsident Edgar Bischof den Wahlerfolg: „Wir haben in einem guten Wahlkampf viele neue Ideen eingebracht.“ Zufrieden mit dem Resultat war auch die Gemeindepräsidentin von Bühler, Ingeborg
Schmid: „Jetzt sind die beide Mandate auf zwei Parteien aufgeteilt.“
Gerührt und geehrt
„Unglaubliche Freude“ auch beim neuen Ausserrhoder Ständerat Andrea Caroni: „Als ich zum ersten Mal im Bundeshaus war, erlebte ich den Ausserrhoder Ständerat Otto Schoch – ein spezielles Erlebnis.“ Hans Altherr, der scheidende Standesvertreter, und der frühere Bundesrat Hans-Rudolf Merz, dessen Berater Andrea Caroni war, seien die Persönlichkeiten gewesen, die ihn geprägt hätten; es freue ihn, sich „in diese Reihe einzufügen“. In der Kleinen Kammer habe man mehr Einfluss: „Die Wahl rührt und ehrt mich“, so Caroni.
„Zersplitterung“
„Das gehört dazu“, sagte der unterlegene FDP-Kandidat Markus Bänziger: Er habe gewusst, dass er auch verlieren könnte. Nach Gründen zu forschen, sei Kaffeesatzlesen. Es gebe mehrere Gründe: Einer davon sei die „Zersplitterung der Stimmen durch die Teilnahme der SP; sie haben viele Stimmen in der Mitte geholt.“ Mit ein Grund sei die Teufner Entschädigungs-Affäre: „Die Summe der Gründe gab den Ausschlag.“ Er freute sich über das Teufner Resultat.
Sehr enttäuscht war FDP-Co-Präsident Willi Eugster: „Wir konnten die Wählenden zu wenig zu mobilisieren“, bedauerte er. Aber: „Es war ein guter Wahlkampf der FDP – am Kandidaten lag es nicht.“
SP-Präsident Yves-Noël Balmer freute sich über den weiteren SP-Sitz von Jens Weber im Kantonsrat und die Fraktionsstärke der SP: „Ein Nationalratsmandat wäre im Bereich des Möglichen gewesen. Jens Weber hat einen sehr guten Walkampf geboten.“