Hanspeter Spörri* sprach mit Urs Schöni, Schulleiter der Sekundarschule Teufen, über den Lehrplan 21 und die Pläne für ein neues Sekschulhaus.
Der Lehrplan 21 wird – so will es der Regierungsrat – in Appenzell Ausserrhoden auf das Schuljahr 2017/18 eingeführt. Wird er von den Lehrerinnen und Lehrern eigentlich mitgetragen?
Er wird, soweit ich das sehe, weitgehend mitgetragen, weil er die Übergänge zwischen den einzelnen Schulstufen gut beschreibt. Einzelne Punkte werden aber auch kritisch diskutiert, was sicher richtig ist. Denn umsetzen und mit Leben füllen müssen den neuen Lehrplan die Lehrerinnen und Lehrer. Weil im neuen Lehrplan nicht mehr Lernziele beschrieben werden, sondern Kompetenzen, welche die Schülerinnen und Schüler erlangen sollen, verlangt er von den Lehrpersonen allenfalls auch eine Haltungsänderung im Unterricht. Es geht beispielsweise nicht mehr nur darum, theoretische Aufgaben mit dem Satz des Pythagoras zu lösen – diesen grundlegenden Lehrsatz der Geometrie sollte man auch im Alltag, vielleicht in einer Schreinerwerkstatt, anwenden können. Es ist also nötig, ihn wirklich zu verstehen.
Lehrerinnen und Lehrer sollten deshalb wohl auch eine gewisse Freiheit haben, den Stoff auf ihre Weise zu vermitteln, um den unterschiedlichen Jugendlichen gerecht zu werden.
Schon bisher drohte der Gestaltungsspielraum wegen vielfältiger und widersprüchlicher Forderungen an die Schule eng zu werden. Bei der Vielfalt an Kompetenzen, die der neue Lehrplan nun verlangt, könnte diese Freiheit weiter unter Druck kommen. Es ist deshalb unsere Aufgabe, beim Umsetzen des Lehrplans darauf zu achten, dass tatsächlich Kompetenzen vermittelt werden.
Eine gewisse Reform-Skepsis herrscht also im Lehrerzimmer?
Wenn in politischen Debatten unterschiedlichste und sich teilweise widersprechende Meinungen vertreten werden, dann führt das auch bei Lehrpersonen zu einer Verunsicherung. Allerdings wissen sie, dass sich die Grundwerte der Pädagogik wegen eines neuen Lehrplans nicht ändern. Es geht darum, positiv zu wirken, nicht aufzugeben, wenn etwas Mühe bereitet, die Schülerinnen und Schüler immer wieder zu motivieren. Es geht – wie schon von Pestalozzi formuliert – um das Lehren und Lernen mit Kopf, Herz und Hand.
Schlagzeilen der letzten Zeit lassen vermuten, dass Schülerinnen und Schüler manchmal überfordert sind. Gar von «Burnout» ist die Rede.
Die gesellschaftlichen Entwicklungen machen auch vor der Schule nicht Halt. Wir spüren manchmal, dass Kinder unter Druck stehen. Alle Begleiter in der Erziehung sollten das Thema ansprechen können. Da hilft manchmal schon, Druck wegzunehmen. Junge Menschen brauchen Zeit für ihre Entwicklung. Diese wird den Jugendlichen kaum mehr zugestanden. Ein typisches Beispiel ist die Berufswahl. Während vor 20 Jahren der Berufswahlprozess vor allem im neunten Schuljahr stattfand, entscheiden sich die meisten Jugendlichen heute schon in der zweiten Oberstufe für ihren Weg.
Am kooperativen Schulmodell, das in Teufen seit den 1990er-Jahren praktiziert wird, muss wohl nichts verändert werden.
Das Modell ist in der Bevölkerung anerkannt und gut verankert. Für mich war es vor zehn Jahren ein Grund, mich in Teufen um eine Stelle zu bewerben. Es lässt die Schulklassen, die auch etwas Geborgenheit und schulische Heimat vermitteln, als solche bestehen, ermöglicht aber zudem, dass unterschiedliche Begabungen adäquat gefördert werden, weil in einzelnen Fächern der Wechsel in Niveaugruppen mit erhöhten oder weniger hohen Anforderungen möglich ist.
Ist dieses Modell der Grund dafür, dass es mehr Schulräume und ein neues Sekundarschulhaus braucht?
Überhaupt nicht! Das kooperative Modell funktioniert bestens. Aber es fehlen u.a. Gruppenräume, ein Zeichnungsraum, Betreuungsräume. Mehr und mehr lernen Kinder und Jugendliche auch miteinander und voneinander. Für diese neuen Lernformen braucht es eine schulische Infrastruktur, die schnell verändert werden kann. Unter den beengten Verhältnissen, wie sie jetzt herrschen, stossen wir schnell an Grenzen.
Ist es denn unvermeidlich, dass sich die Schule immer wieder verändert?
Sie hat sich immer schon gewandelt. So wird heute mehr Wert auf den Dialog gelegt. Als Lehrer sage ich nicht mehr einfach, was richtig ist und was nicht. Wir unterstützen die Jugendlichen auf ihrem Weg zur eigenen Persönlichkeit. Dabei ist auch die Persönlichkeit der Lehrperson gefordert – genau wie früher!
* Hanspeter Spörri ist freier Journalist und begleitet das Projekt Hörli im Auftrag der Gemeinde
Unruhen in den Schulküchen
Eine gewisse Unzufriedenheit herrscht im Bereich der Hauswirtschaft. «Unruhe in den Schulküchen», lautete ein Titel im «Tages- Anzeiger».
Urs Schöni: Der praktische Teil im Hauswirtschaftsunterricht, das Kochen, verliert im neuen Lehrplan an Bedeutung. Im Unterricht werden dafür vermehrt wirtschaftliche Aspekte wie Budgetplanung, der Zusammenhang von Gesundheit und Essen oder das Konsumverhalten thematisiert. Im hauswirtschaftlichen Unterricht in Teufen sind dies auch jetzt schon Themen – immer praxisorientiert im Kochen. Dass engagierte Lehrpersonen die neue Ausrichtung als Qualitätsverlust sehen, kann ich nachvollziehen. HS