Ende April war es soweit: Erika Preisig übergab den Schlüssel zur Bibliothek Teufen an ihre Nachfolgerin Karin Sutter. Sie geht dort fortan als gewöhnliche Kundin ein- und aus. Sie als Leiterin und drei weitere langjährige Mitarbeiterinnen machten mit einer grossen Rochade Platz für ein neues, jüngeres Team. Lisa Tralci sprach mit ihr einen Monat vor der Übergabe.
Lisa Tralci
«Ja, nach 33 Jahren fällt mir der Weggang nicht leicht!», sagt die Urteufnerin, und die innere Bewegtheit ist spür- und sichtbar. Erika Preisig-Studach erfuhr 1976 aus der Zeitung, dass sich die Gemeinde zum 500-Jahr-Jubiläum eine Bibliothek schenken wollte. Als gelernte Buchhändlerin war sie prädestiniert, diese Aufgabe zu übernehmen.
Die Bibliothek öffnete 1979 ihre Türen, und Erika Preisig und ihre Mitarbeiterinnen legten mit finanzieller Unterstützung durch die Gemeinde und mit der Lesegesellschaft als Trägerin den Grundstein zur beliebten Institution.
«Jeder Tag in der Bibliothek ist anders!»
«Mein Mann und ich bekamen dann noch unser viertes Kind; meine Kolleginnen sagten, das sei das Bibliothekskind», erzählt Erika Preisig und lacht. Trotz dieser strengen Familienzeit wurde ihr die Bibliotheksarbeit nie eine Last; kein einziges Mal, dass sie nicht mit Freuden in die Ausleihe gegangen wäre. «Jeder Tag in der Bibliothek ist anders, dafür sorgten die Kundinnen und Kunden mit ihrem Interesse und ihrer Offenheit!»
Genau das wird sie am meisten vermissen: die oft über Jahre bestehenden, vertrauten Beziehungen zu den Menschen, ob alt oder jung; die anregenden Gespräche und natürlich die Kinder mit ihrer Neugier und Leselust.
Ein Hauch Wehmut scheint aufzukommen, doch Erika Preisig sagt mit kluger Reflektionsgabe, dass das Loslassen sein müsse, bei allem und jedem. Es gebe auch Teile, die sie nicht missen werde. So habe sie es nicht besonders gemocht, vor Menschen zu sprechen oder Veranstaltungen zu organisieren. Diese Anlässe seien notwendig und bereicherten das kulturelle Angebot; es sei aber oft unberechenbar, welche Lesungen Menschen in die Bibliothek lockten oder eben nicht.
Modern und kundenfreundlich
Die Bibliothek, die sich heute aufgrund der Kunden und Kundinnen aus umliegenden Gemeinden Regionalbibliothek nennen darf und dafür einen Kantonsbeitrag erhält, ist seit Erika Preisigs Einstieg vor über dreissig Jahren stetig gewachsen. Gab es 1979 rund zwölftausend Ausleihen, waren es im Jahre 2011 gut 80’000. Auch das Angebot ist vielfältiger geworden. Neben Büchern werden heute auch DVD’s, Hörbücher oder Zeitschriften ausgeliehen. Der ganze Bestand wurde 1999 mit einem vorevaluierten PC-Bibliotheksprogramm erfasst, die Ausleihe und das Mahnsystem professionalisiert.
«Anfangs war unsere Arbeit mehr eine Art Freiwilligenarbeit», erzählt die bald pensionierte Leiterin. Seit einigen Jahren erhalten die Mitarbeiterinnen einen angemessenen Stundenlohn, wobei jede weiterhin freie, unbezahlte Zeit investiert, um ihren jeweiligen Bereich möglichst gut ausfüllen zu können.
«Es war mir stets ein Anliegen, meinen Kolleginnen viel Eigenverantwortung zu geben, ihnen die Führung eines eigenen Ressorts zu überlassen und sie in alle Entscheide einzubeziehen.» Dieser freundschaftliche Umgang prägte die Zusammenarbeit und gab Zusammenhalt über viele Jahre. Ebenso die Selbstverständlichkeit, die Bibliotheksarbeit nicht als gewöhnlichen Job, sondern als eine Dienstleistung zu verstehen.
«Mein Ziel war immer, dass die Menschen das bekamen, was sie suchten. Und wenn ein Titel bei uns nicht erhältlich war, wurde er halt in der Vadiana oder einer anderen Bibliothek besorgt.»
Erika Preisigs Augen leuchten, wenn sie von ihrem Arbeitsverständnis spricht. Sie, die lange im Vorstand der Teufner Lesegesellschaft war und in der Kulturkommission der Gemeinde diverse Projekte initiiert und begleitet hat, liebt das Dorf und die Menschen. Neben ihrer Familie samt sechs Enkelkindern liegt ihr natürlich auch die Tüüfner Poscht am Herzen. Diese hat sie mitentwickelt und über all die Jahre begleitet. Und vielleicht wird künftig auch etwas mehr Lesezeit sein für die Frau, die «schon als Kleinkind im Jelmolikatalog blätterte» und die gerade parallel verschiedene Bücher liest.
Im August werden die zurückgetretenen Bibliotheksmitarbeiterinnen offiziell gewürdigt und verabschiedet.
Steckbrief
Geboren: Am 3. Juli 1947 in Teufen
Heimatort: Herisau
Familie: verheiratet mit Paul, Kinder: Christine (1973), Ueli (1974), Johanna (1976), Barbara (1980). 6 Grosskinder
Erlernter Beruf: Buchhändlerin
Heute tätig als: Gemeindebibliothekarin
Lieblingsessen: Leberli mit Rösti
Lieblingsgetränk: Rotwein
Musikvorlieben: Im Moment Bach-Kantaten 1-3 mit den Aufnahmen der Bach-Stiftung
Buch auf dem Nachttisch: Jenifer Egan, Der grössere Teil der Welt
Hobbys: Lesen, Familie