




















Der Zeitpunkt der Kulturreise der Lesegesellschaft Teufen war klug gewählt. Im Moment findet in Werdenberg nämlich die Schlossmediale 2025 statt. Neben der eigentlichen Schloss-Besichtigung hatte die Teufner Besuchergruppe die Möglichkeit, moderne Kunst in Form von Installationen internationaler Kunstschaffender zu sehen.
Raum – Zeit – Kunst
Diese drei Wörter stellte der sachkundige Museumsführer als Überbegriff über die Führung durch die Burg, bzw. das Schloss Werdenberg. Der Rundgang begann mit einem Blick hinunter auf das Städtchen Werdenberg und den kleinen See. Ob das Schloss oder das Städtchen zuerst da waren? Die Wissenschaft ist sich nicht einig. Sicher ist, dass das Gebäude eine bewegte Geschichte hinter sich hat. Zuerst als Burg der Grafen von Werdenberg, dann Schloss und Sitz von Glarner Landvögten, später im Familienbesitz der Familie Hilty und seit 1956 Eigentum des Kantons St. Gallen.
Die mittelalterliche Burg
Die Burg wurde um 1220 auf den Kalksteinfels gebaut und war eine militärische Anlage. Allerdings wurde die Verteidigungsfähigkeit nie auf die Probe gestellt. Das um 1290 raffiniert gebaute, mächtige Eingangstor ist deshalb unversehrt und könnte das älteste erhaltene Holztor der Schweiz sein. Das Leben in der Burg war ungemütlich. Nur zwei Räume konnten beheizt werden: der sehr schlicht gehaltene Rittersaal und die Küche. In der Küche war es vermutlich am wärmsten, allerdings war diese mit einer Räucherkammer kombiniert. Der Rauch ist noch heute zu riechen und die Russschichten an der Decke sind beachtlich. Die wenig wohnlich Atmosphäre hat damit zu tun, dass die Herren Ritter kaum je zu Hause waren. Sie waren meist unterwegs, um in ihren weitläufigen Ländereien (von Tübingen bis Disentis) nach dem Rechten zu sehen.
Aus der Burg wird ein Schloss
1517 kaufte der Stand Glarus die Burg und die umliegenden Ländereien, um sie als Sitz ihrer Landvögte zu nutzen. Die Burg wurde deshalb erweitert. Der offene Hof wurde überbaut, es entstand ein zentrales Treppenhaus und repräsentative Räume im Obergeschoss. Diese Räume waren möbliert und permanent bewohnt. Es sind aber kaum Artefakte aus dieser Zeit erhalten. Die bemerkenswerte Ausnahme: Bei der Offenlegung eines zugemauerten Fensters fand man ein paar Schuhe. Sie sind aus gefärbtem Leder, deuten also auf Wohlstand hin. Weshalb die Schuhe eingemauert wurden, bleibt ein Rätsel.
Die französische Revolution
Nach der französischen Revolution verbreitete sich mit ein paar Jahren Verspätung auch im Rheintal neues Gedankengut. Die Landvögte verschwanden, das Schloss stand leer und verwahrloste, bis es 1835 von einer Familie Hilty aus Chur gekauft und als Sommerresidenz genutzt wurde. Die Familie und ihre Nachkommen unterhielten das Schloss, bis im Jahr 1956 Frieda Hilty mangels Nachkommen das Gebäude dem Kanton St. Gallen schenkte.
Heutige Nutzung
Das Schloss ist als Museum zugänglich und veranstaltet abwechslungsreiche Führungen und Aktivitäten. Seit 2012 findet alljährlich die Schlossmediale statt. Es handelt sich um ein internationales Festival für Alte Musik, Neue Musik und audiovisuelle Kunst. Auch die Lesegesellschaft kam in den Genuss einiger Kostproben. Im Burgfried eine Klanglandschaft zum Thema Klimaveränderung, in der Küche Lichtskulpturen, auf dem Dachboden eine interaktive Winterlandschaft, und hoch oben zwischen den Zinnen eine klang-narrative Fläche zum Thema Boden. Wer sich unter alldem gar nichts vorstellen kann, sei zu einem Besuch eingeladen, um einen eigenen Eindruck zu gewinnen. Die Installationen sind in nur 6 Wochen vor Ort entstanden. Sie sind ansprechend, ästhetisch und lassen viel Raum für Interpretation.
Die Besuchergruppe der LGT war sehr interessiert und neugierig. Leider fehlte die Zeit, sich intensiv auf die vielfältigen Installationen einzulassen. Das Mittagessen im alten Gerichtssaal im Restaurant Traube wartete nämlich. Dort klang der bestens organisierte Ausflug ins Rheintal bei einem feinen Essen und vielen Gesprächen langsam aus.