
*Barbara Preisig/Pablo Müller
In der Gruppenausstellung «Annäherung an deine Landschaft. Kollektive und individuelle Topografie» im Zeughaus bieten zwölf Kunstschaffende Einblick in ihre Vision von Landschaft.
Die Bilder des Teufner Malers Hans Zellers (1897–1983) bilden in beinahe wortwörtlichem Sinne den Hintergrund der Gruppenausstellung. Einzelne Werke der permanenten Zeller-Präsentation in der zweiten Etage des Zeughauses wurden temporär aus den Kabinetträumen entlassen und greifen nun in die temporäre Ausstellung über. Mit Titeln wie «Säntis und Altmann. Blick von Teufen, Obertobel. Juli–August 1960» schaffte der Landschaftsmaler individuelle Portraits seiner Umgebung und fing wie ein Dokumentarist die Topographie der Appenzeller Landschaft ein.

Das Konkrete vermeiden
Die Werke der zeitgenössischen Kunstschaffenden erweitern Zellers Landschaftsbegriff durch individuelle Perspektiven und treten in spannungsvolle Dialoge miteinander. Im Kontrast zu Zellers Landschafts-Portraits zeigen die in Wolken gehüllten Berge und sanft abfallenden Hügel des in Zürich lebenden Ulrich Binder nicht genauer identifizierbare Orte, sondern Bilder von Landschaft im Allgemeinen.

Das Konkrete vermeiden auch Christian Schwagers reduzierte Fotografien. Sie zeigen nur noch die Formensprache wiesenbewachsener Hügel, verwandeln sich in ein abstraktes Spiel aus Linien und Flächen und machen es unmöglich, die Landschaft einem bestimmten Ort zuzuweisen.

Einen Schritt weiter geht die in Herisau lebende Künstlerin Vera Marke. Für ihre Landschaften in Form von Faltenwürfen hat sie sich die Formensprache der Appenzeller Alpen angeeignet und ihnen eine textil-malerische Prägung gegeben.
Künstliche Landschaften
Fast alle Kunstschaffenden im Zeughaus setzen Landschaft mit Natur gleich und konzentrieren sich auf topografische Aspekte. Bemerkenswerte Ausnahmen dazu bilden jene Werke, die Landschaft im Zusammenspiel mit Kultur und Mensch unter die Lupe nehmen. So hat es sich beispielsweise Roman Häne zum Ziel gesetzt, das Werk des heute 93-jährigen Landschaftsarchitekten Andres Sulzer für die Nachwelt zu sichern. Mit Originalskizzen, Plänen, Fotografien und Modellen dokumentiert Roman Häne in der Ausstellung, wie Sulzer seit den 1960er Jahren mit gezielten Geländemodulationen die Appenzeller Hügel nachgeformt hat, um sie danach zu exportieren und vor allem im Süddeutschen Raum wieder «aufzubauen».
Das Museum verlassen
Der einzige Künstler, der den Ausstellungsraum verlässt, um nicht länger ein Abbild der Landschaft zu schaffen, sondern wie Sulzer direkt in seine Umgebung und in eine aktuelle Umweltdebatte einzugreifen, ist Christian Ratti. Er möchte, dass sich Alpenlangohr-Fledermäuse in der Umgebung des Zeughauses mit seiner einzigartigen Hängekonstruktion ansiedeln und scheut nicht vor dem Aufwand zurück, auch die dafür nötige Nahrungskette (bestimmte Pflanzen und Insekten) in Teufen einzubürgern (siehe Begleitveranstaltung).

Persönliche Ausblicke
Dass die Landschaft immer auch unseren individuellen Blick in die Welt wiedergibt, dass sie nicht erst in der Distanz entsteht, sondern «genau dort, wo man steht»**, daran erinnert schliesslich Vera Markes Videoarbeit «Der Ausblick». Sie zeigt die Künstlerin beim monatlichen Putzen des immer gleichen Fensters ihrer Wohnung, wobei sich das Bild der Landschaft im Wandel von Wetter und Jahreszeiten ständig verändert. Beim Betrachten dieser Arbeit wandert der Blick unwillkürlich zum Fenster des Ausstellungsraums und hinaus auf die charakteristische Appenzeller Landschaft. Sie alleine schon ist einen Besuch im Zeughaus wert.
** aus: «Eine Skizze über die Landschaft», ein Text von Ralf Bruggmann im Begleitheft zur Ausstellung.
* Barbara Preisig (in Teufen aufgewachsen) und Pablo Müller, beide Kunsthistoriker, leben z.Zt. in Zürich und New York.
Begleitveranstaltungen zur Ausstellung
Öffentliche Führung durchs Zeughaus. Sonntag, 21. Juli, 14 Uhr.
Vera Marke: «Ein kommentierter Spaziergang durch das Bildarchiv einer Malerin.» Sonntag, 4. August, 14 Uhr.
Langohr-Spaziergang. Begleitet vom Biologen René Güttinger wird die Landschaft erkundet und das geplante Experiment von Christian Ratti wissenschaftlich und künstlerisch diskutiert. Sonntag, 18. August, 14 Uhr.
Finissage: Roman Häne: «Versuch einer Hügeltheorie» oder Bericht aus dem Archiv des Teufner Landschaftsarchitekten Andres Sulzer. Sonntag, 15. September 2013, 14 Uhr.