
Der Lindensaal ist ein passender Veranstaltungsort für die Info vom Montagabend. Denn es geht um die Engpassbeseitigung St. Gallen. Oder, aus Ausserrhoder Sicht wichtiger: um den Liebegg-Tunnel. Durch ihn könnten Autos und LKW in Zukunft die Autobahn direkt und unterirdisch anfahren. Thema ist also die Verkehrsachse, an der das ganze Mittelland und Innerrhoden hängen. Diese Woche startet das Mitwirkungs-Verfahren zu diesem «Generationen-Projekt».
Hinweis: Hier finden Sie alle Infos zur öffentlichen Mitwirkung bis zum 8. Januar 2024. Und hier lesen Sie mehr über das Projekt.
Regierungsrat Dölf Biasotto (Bau und Volkswirtschaft) bringt es schon in den ersten zwei Minuten auf den Punkt: «Es geht heute um zwei Fragen: Was ist die Bedeutung dieses Projekts für Ausserrhoden bzw. die Region? Und warum engagiert sich der Regierungsrat dafür?» Auf die erste Frage antworten alle vier Sprecher auf ihre Weise. Der Grundtenor bleibt sich aber gleich: Wird nichts unternommen, ist St. Gallen in wenigen Jahrzehnten vom Verkehr «verstopft». Bereits heute fahren täglich 80’000 Fahrzeuge durch den Rosenbergtunnel – 12’000 passieren die Teufener Strasse durch das Riethüsli-Quartier. Zum Vergleich: Die rund 114 Züge der Appenzeller Bahn transportieren im Schnitt 3800 Zugreisende. «Laut den Prognosen des Bundes wird die Mobilitätsnachfrage in allen Bereichen zunehmen. Deshalb ist der Ausbau der entsprechenden Infrastruktur eines der wichtigsten Ziele des Regierungsrates. Dazu gehören MIV-Projekte, aber auch die Modernisierung der Bahn und die Verbesserung der Fahrrad-Verbindungen. Zum Beispiel mit der Veloschnellroute von Niederteufen nach St. Gallen.» Damit beantwortet Biasotto auch gleich seine zweite Frage. Aber wie soll das Verkehrsproblem in St. Gallen denn nun gelöst werden?
Kritisches Publikum
Die Organisatoren setzten an diesem Abend auf Interaktion: Bereits während der Veranstaltung konnten über ein Online-Tool Fragen gestellt werden. Nach Abschluss der Vorträge wurden diejenigen mit den meisten «Votes» von den Sprechern beantwortet. Die gewählten Fragen – und später gehörten Statements aus dem Publikum – waren fast ausnahmslos kritisch. Das Projekt wurde sogar als «verkehrsanziehendes Monster» bezeichnet, das der Region längerfristig eine grosse Mehrbelastung bringen wird. Auch der Mehrwert für andere Verkehrsteilnehmer wurde in Frage gestellt – insbesondere für Fahrräder. Die vier Sprecher standen dem Publikum Rede und Antwort und blieben dabei ihren vorangegangenen Argumentationen treu. Es wurde aber auch deutlich – vor allem bei den Antworten des ASTRA-Vertreters –, dass es hier grundsätzlich nicht um Verkehrspolitik, sondern ein Infrastruktur-Projekt geht: «Wir haben vom Parlament in Bern einen klaren Auftrag zur Beseitigung des Engpasses in St. Gallen. Und wir sind der Ansicht, dafür eine sehr gute Lösung gefunden zu haben, von der viele profitieren.»
Strassen braucht es sowieso
Bei der Engpassbeseitigung St. Gallen handelt es sich in erster Linie um ein nationales Projekt. Dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) ist das Nadelöhr im Osten der Schweiz schon länger ein Dorn im Auge. Deshalb will es auch 1,3 Mrd. Franken in dessen Beseitigung investieren (Die Kantone SG, AR und die Gemeinde Teufen tragen zusammen rund 150 bis 200 Mio. Franken – wobei SG den Löwenanteil stemmt). «Wir gehen in diesem Fall aber noch einen Schritt weiter: Rund 170 Mio. Franken davon sind nämlich eine Beteiligung am regionalen Projektabschnitt.» ASTRA-Filialleiter Winterthur Otto Noger spricht damit die Teile der Engpassbeseitigung an, die nicht mehr in seiner Zuständigkeit liegen. «Unsere Bereiche sind der Bau der dritten Rosenbergröhre, die Sanierung der Bestehenden, das Verkehrsmanagement und der Güterbahnhof-Zubringer bis zum unterirdischen Kreisel.» Alles weitere liegt in der Zuständigkeit des Kantons St. Gallen. Dazu gehören ein Anschluss der Ober- und der St. Leonhard-Strasse an den Kreisel unter dem Güterbahnhof-Areal – und eben der Liebegg-Tunnel. «Dieser Tunnel ist ein entscheidender Teil des Gesamtprojekts. Denn dank ihm erwarten wir im Riethüsli-Quartier eine Verkehrsreduktion von bis zu 70 Prozent.» Diese Autos verschwinden aber nicht – sie landen lediglich rascher und direkter auf der Autobahn. Und das ist laut Otto Noger auch gut so. «Die Autobahnen machen nur 3 bis 4 Prozent der Schweizer Strassen aus. Auf ihnen werden aber fast 50 Prozent der gesamten Personenkilometer gefahren und zwei Drittel aller Güter transportiert. Sie sind also sehr effizient.» Für ihn ist auch klar: Der MIV wird nicht ab-, sondern noch weiter zunehmen. «Aber die Mobilität verändert sich auch rasant. Dazu gehören mehr Langsamverkehr, weiter voranschreitende Digitalisierung bzw. ‘Mobilität 4.0’ und Dekarbonisierung. Das Problem ist: Strassen braucht es dafür trotzdem. Wir bauen deshalb für die Mobilität von morgen.»
In langen Zeiträumen denkt das ASTRA auch beim Rosenberg-Tunnel. Dessen dritte Röhre braucht es nämlich hauptsächlich für die Sanierung der Bestehenden. «Das mag in Anbetracht der aktuellen Baustellen irritieren. Aber nur so können die Röhren wieder für 100 Jahre fit gemacht werden.» Wenn das ASTRA spricht, steht meist der MIV im Vordergrund. Aber nicht nur Otto Noger betont an diesem Abend: Auch andere Verkehrsteilnehmende sollen von diesem Engpassprojekt profitieren.
Auch Platz fürs Velo?


«Erschrecken Sie nicht wegen dem grossen Haus im Hintergrund. Das wurde noch nicht ausgearbeitet.» Mit Pascal Hinder ergreift nun der Gesamtprojektleiter des Tiefbauamtes St. Gallen das Wort. Sein Departement ist beim regionalen Teil federführend. Gerade zeigt er eine Visualisierung der Kreuzung bei der St. Leonhard-Brücke. Hier soll dereinst die Abfahrt in Richtung unterirdischer Güterbahnhof-Kreisel stehen. Es folgt auch eine Visualisierung der Einfahrt in den Liebegg-Tunnel über den Wattbach. Diese käme ungefähr auf Höhe des grossen Parkplatzes entlang der Teufener Strasse zu stehen. «Das ist der grosse Vorteil: Der Verkehr verschwindet im Untergrund. Das schafft Platz für andere Verkehrsteilnehmer wie das Fahrrad, den ÖV bzw. das Postauto oder Fussgänger.»
Dieser Argumentation folgt auch der letzte Redner des Abends: Gemeindepräsident Reto Altherr. «Ich spreche für das ganze Rotbachtal, wenn ich sage, dass wir dieses Projekt vollumfänglich unterstützen. So werden Ausser- und Innerrhoden nicht vom nationalen Verkehrsnetz abgehängt.» Er betont auch erneut, dass die geplante Pförtneranlage auf der Teufener Strasse – trotz Verständnis für die schwierige Situation im Riethüsli-Gebiet – nur als Provisorium akzeptiert würde. «Uns ist natürlich bewusst, dass das eher ein ‘Providurium’ als ein Provisorium sein wird. Aber das Ziel muss der Liebegg-Tunnel sein. Nur das ist eine nachhaltige Lösung. Auch für alle anderen Verkehrsteilnehmer.» tiz