«Die Dauer ist entscheidend»

28.03.2020 | Timo Züst
Markus (2)
Der Teufner Markus Bänziger ist Direktor der Industrie und Handelskammer St. Gallen Appenzell (IHK), der wichtigste Wirtschaftsverband in der Ostschweiz. Foto: tiz Die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus treffen besonders kundennahe Betriebe sehr hart. Wie schlimm ist das für die Ostschweiz? Und wie können Bund, Kanton und Gemeinde helfen? Antwort gibt der Teufner IHK-Direktor Markus Bänziger. Herr Bänziger, Sie sind Direktor der Industrie und Handelskammer St. Gallen Appenzell (IHK), der wichtigste Wirtschaftsverband in der Ostschweiz. Wie hat sich Ihr Alltag seit dem 13. März verändert? Es waren sehr intensive Tage. Einerseits mussten auch wir intern umdisponieren, um weiterhin voll handlungsfähig zu bleiben. Andererseits lag es mir besonders am Herzen, gerade in diesen schwierigen Zeiten den bestmöglichen Support für unsere Mitgliedunternehmen bereitzustellen. Kurzum, das Telefon war wahrscheinlich mein wichtigster Mitarbeiter in diesen Tagen. Diese Woche traten Sie auch in der TVO-Sendung «Zur Sache» auf. Für alle, die es nicht gesehen haben: Wie geht es der Ostschweizer Wirtschaft momentan? Die Ostschweizer Wirtschaft ist in der Breite gut in dieses Jahr gestartet – bis Ende Februar. Die unmittelbaren Auswirkungen des Teil-Lockdowns waren in der Ostschweiz, insbesondere im Detailhandel, der Gastronomie und dem Tourismus, sehr rasch und massiv spürbar. Seit dem totalen Lockdown in Italien und Frankreich greift der Stillstand auf die direkt international vernetzten Bereiche wie die Industrie und den Handel über. Das Baugewerbe spürt derzeit noch wenig. Rund ein Drittel der Unternehmen haben bereits Kurzarbeit beantragt, noch mehr werden folgen. Welche Rolle spielt die IHK in der heutigen Situation? Die rund 1600 Mitgliedunternehmen der IHK St.Gallen-Appenzell beschäftigen ca. 40 Prozent aller Arbeitskräfte, die in unserer Region in der Privatwirtschaft tätig sind. Unsere Aufgabe ist es, die Interessen unserer Mitgliedunternehmen gegenüber Politik und Gesellschaft zu vertreten, ja in den politischen Prozess einzubringen. Wir haben uns deshalb bereits am 18. März mit der Regierung und weiteren Wirtschaftsverbänden zum Krisengipfel getroffen. Die Ergebnisse aus dem Krisengipfel flossen auch in die Massnahmen des Bundesrates sowie direkt in die Massnahmen des Kantons St. Gallen ein. Über repräsentative Umfragen in der gesamten Ostschweizer Wirtschaft erstellen wir zurzeit ein Bild des Zustandes und der erwarteten Entwicklung. Dies hilft den Entscheidungsträgern in der Wirtschaft und Politik als Orientierungsrahmen. Industrieunternehmen sind das Rückgrat der Ostschweizer Wirtschaft. Inwiefern sind diese von der Corona-Krise betroffen? Viele Industrieunternehmen können zwar noch produzieren, die meisten jedoch in reduziertem Umfang. Gründe dafür sind unterbrochene Lieferketten, Bestellrückgänge sowie auch die Einschränkungen aufgrund der verordneten Massnahmen des Bundes. Wichtig aber: Es ist breites Verständnis für, grosse Zustimmung zu und vor allem auch hohe Disziplin in der Einhaltung der Sicherheitsmassnahmen erkennbar. Die verschiedenen Beeinträchtigungen führen aber auch in ersten Industriebetrieben zu Liquiditätsengpässen. Funktionieren denn heute die Importe und Exporte noch? Die Grenzen sind für Personen zum heutigen Zeitpunkt sehr viel spürbarer als für Gütertransporte. Der Warenfluss innerhalb in Nord-Europa funktioniert grundsätzlich noch ordentlich, wie wir hören aber von und nach Italien sowie von und nach Frankreich nur mehr eingeschränkt. Ausserdem bestimmen die rückläufigen Bestellungseingänge das Bild. In der jetzigen Situation sind insbesondere kundennahe Betriebe direkt betroffen. Viele von ihnen gehören nicht unbedingt zu den liquidesten bzw. finanzstärksten Unternehmen. Werden die Hilfsmassnahmen von Bund und Kanton ausreichen, um deren Überleben zu sichern? Die Massnahmen des Bundes und des Kantons sind die richtigen: rasch, konsequent, massiv und doch mit Augenmass. Entscheidend werden erstens die Dauer des Lockdowns, zweitens der Schweregrad des daraus entstehenden Wirtschaftsrückgangs und drittens die Frage, wie rasch der gesamt Güter- und Liquiditätskreislauf wieder Fahrt aufnehmen wird, sein. Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass gesunde und innovative Unternehmen diese Krise – wenn nötig ergänzt mit den aktuellen Massnahmen – meistern werden. Noch ist unklar, ob am 19. April alles wieder «zur Normalität» übergeht. Wie schlimm wäre es, wenn die jetzige Situation noch länger andauert? An erster Stelle steht nach wie vor die Gesundheit der Menschen. Denn ohne Menschen gibt es auch keine Wirtschaft. Und ohne Wirtschaft keine Güterproduktion, keine Versorgung usw. Ich hoffe sehr, dass der Lockdown ab dem 19. April wieder aufgehoben werden kann. Sollte dieser einige Wochen länger dauern, müsste dies in der Breite verkraftbar sein. Die staatlichen Massnahmen sind auch für einen längeren Zeitraum ausgelegt und dieser Umstand wurde somit antizipiert. Sie sprachen sich beim TVO deutlich gegen eine Ausgangssperre bzw. einen Lockdown aus. Wäre das so verehrend für die Ostschweiz. Warum? Das wäre nicht nur für die Ostschweiz, sondern für das ganze Land verheerend. Sie müssen verstehen, dass aktuell rund 80 Prozent der Wirtschaft noch funktionieren. Ein kompletter Lockdown würde die oben beschriebenen Kreisläufe unterbrechen und damit die täglich nachgefragten Produkte schlicht ausfallen lassen, aber auch die Wertschöpfung und damit die Finanzierungskreise unterbrechen. Jeden Franken, den die Arbeitslosenkasse als Kurzarbeitsentschädigung jetzt zu Recht ausschüttet, muss über Prämieneinnahmen und damit über Arbeitsstunden oder allenfalls über Steuergelder erarbeitet werden. Sie sind in Teufen aufgewachsen, wohnen hier und waren lange im Gemeinderat. Wen trifft die Corona-Krise derzeit stärker: die Städte oder die ländlichen Gemeinden? In der Stadt bzw. den grösseren Agglomerationen ist der Stillstand im Detailhandel, der Schulen und die eingebrochene Frequenz auf den Strassen spürbarer. Zudem sind die auf dem Land und in den Gemeinden anteilmässig stärker angesiedelten Betriebe wie dem Baubewerbe weniger stark vom Stillstand betroffen. Teufen ist «verwöhnt»: Im Dorfzentrum gibt es noch heute diverse unterschiedliche Läden, ungewöhnlich für ein Dorf dieser Grösse. Auch die Gemeinde hat ein grosses Interesse an diesem lebendigen Dorfkern, genau wie an gesunden, ansässigen KMUs im Allgemeinen. Gestern wurde die Rechnung 2019 präsentiert – ein erneutes Glanzresultat. Sehen Sie bei der Bewältigung der Corona-Krise in Teufen auch die Gemeinde in der Pflicht? Grundsätzlich braucht es in der Krise einen Chef, nicht viele. Der Bund hat die zu Recht scharfen Massnahmen zur Sicherung des Gesundheitssystems und damit zur Sicherung von Menschenleben verordnet, also muss auch der Bund das Auffangnetz für die unmittelbaren Folgen der Menschen und Unternehmen aufspannen. Mit der Ausdehnung der Kurzarbeit und der Bürgschaft von Sofortkrediten erreicht er auch rasch die nötige Wirkung in der Breite. Inwiefern kann die Gemeinde das lokale Gewerbe überhaupt finanziell oder anderweitig unterstützen? Das schiere Ausmass der Krise verlangt den Bund als Hauptakteur. Die Kantone sollen den Bund subsidiär unterstützen. Eine finanzielle Unterstützung sehe ich auf Stufe Gemeinde eher nicht, jedoch kann Sie kommunikativ sehr viel bewirken, indem Sie die Unternehmen pragmatisch und schnell mit Hilfestellungen zur aktuellen rechtlichen Situation unterstützt. Die Gemeinde kann vor allem helfen, indem die mehrere hundert Mitarbeitenden in ihren Kernaufgaben vorab in Schule, Heimen, Wasserversorgung und auch den übrigen Bereichen optimal erfüllt, die Menschen jetzt zu Hause wo immer möglich unterstützt und sich für allfällige Sondersituationen bereithält. Und noch eine andere Frage, schliesslich waren Sie ja lange für die Gemeindefinanzen zuständig: Was meinen Sie, müsste jetzt die nächste Steuerfusssenkung kommen? Trotz Corona-Krise? Der Gemeinderat wird sich hier die richtigen Überlegungen sicher machen. Klar ist: die finanzielle Situation in Teufen ist heute so gut wie nie in den letzten 30 Jahren: Schuldenfrei und mit jährlichen Überschüssen. tiz

Top-Artikel

Top-Artikel

Anzeige

Anzeige

Lindensaal-Animation2024

Nächste Veranstaltungen

Samstag, 12.10.2024

Kantonale Schafschau

Montag, 14.10.2024

Pilzkontrolle

Aktuelles

×
× Event Bild

×
×

Durchsuchen Sie unsere 7394 Artikel

Wetterprognose Gemeinde Teufen

HEUTE

12.10.24 05:0012.10.24 06:0012.10.24 07:0012.10.24 08:0012.10.24 09:00
1.1°C1.9°C2.7°C4.2°C6.4°C
WettericonWettericonWettericonWettericonWettericon

MORGEN

13.10.24 05:0013.10.24 09:0013.10.24 12:0013.10.24 15:0013.10.24 20:00
11.5°C11.9°C12.6°C12.6°C8.6°C
WettericonWettericonWettericonWettericonWettericon