Der Teufner Peter Lemmenmeier ist Gründer und Geschäftsführer der Stagelight AG. Das Unternehmen ist auf Veranstaltungstechnik spezialisiert und leidet besonders unter den Folgen des Corona-Lockdowns. Foto: tiz
Der Corona-Lockdown hat die Stagelight AG besonders hart getroffen. Just zum Start der Saison wurden alle Veranstaltungen abgesagt. Der Teufner Gründer und Geschäftsführer Peter Lemmenmeier hat in fast 40 Jahren Showtechnik so etwas noch nie erlebt. Die TP hat ihn gefragt: Wie weiter?
Herr Lemmenmeier, erst ein Blick zurück. Wann haben Sie realisiert, dass diese Corona-Geschichte so heftig werden könnte?
Das hat etwas gedauert. Anfangs nahm ich es noch gelassen. Auch als das erste Verbot für Grossveranstaltungen kam, hatte mich das noch nicht gross verunsichert. Man hört ja immer wieder etwas von neuen Viren oder drohenden Epidemien. Und zwar ohne, dass es uns dann wirklich betrifft.
Dann kam es aber doch mit aller Wucht.
Bereits das erste Verbot traf uns hart. Es kam genau zum Start unserer Saison Anfang März. Im März und April sind wir normalerweise an diversen GVs und HVs. Auch für 2020 war unser Terminkalender voll. In den ersten März-Wochen wurden bereits viele dieser Veranstaltungen verschoben. Da dachte ich aber noch: Okay, dann haben wir diese Aufträge halt später.
Was löste die Verkündung des Lockdowns Mitte März aus?
Dann ging es richtig los. Einerseits wurde klar, dass viele der GVs im 2020 gar nicht mehr abgehalten werden. Und andererseits hagelte es nun natürlich Absagen von diversen Veranstaltern. Bis und mit Juni sagten eigentlich alle ab.
Was war Ihre erste Massnahme?
Ich habe umgehend Kurzarbeit beantragt. Mir blieb keine andere Wahl – wir hatten nach den vielen Absagen schliesslich kaum noch etwas zu tun. Glücklicherweise hat das wirklich sehr unkompliziert und rasch funktioniert.
Wie viele Ihrer Mitarbeiter waren März und April noch im Einsatz?
Im März haben wir den Betrieb bereits auf rund einen Drittel runtergefahren – 65 Prozent lief unter Kurzarbeit. Im April waren wir bereits bei fast 90 Prozent. Im Grunde geht es jetzt nur noch um administrative Arbeiten und Beratungen.
Und wie viele Veranstaltungen wurden abgesagt?
Sozusagen alle. Anfang März fand die eine oder andere noch statt. Aber danach: 100 Prozent.
Was bedeutet das für Sie aus finanzieller Sicht? Bekommen Sie bei Absagen eine Entschädigung?
In unseren Verträgen ist eine Gebühr für kurzfristige Absagen vorgesehen. Aber damit sind natürlich einzelne Situationen gemeint, in denen unsere LKWs sozusagen bereits geladen sind. Hier sind alle Veranstalter gleichermassen betroffen – ohne Eigenverschulden.
Sprich, Sie gehen bei einer Absage leer aus?
Sozusagen. Zumindest fehlt uns in diesem Jahr der Umsatz. Aber ich gehe davon aus, dass die langjährigen Beziehungen zu den Veranstaltern dieses Jahr überdauern werden.
Nun, dank der Kurzarbeit sind immerhin die Lohnkosten gedeckt. Aber was ist mit allen anderen Rechnungen?
Diese müssen wir auch begleichen (lacht). Wir haben dafür auf die Möglichkeit der Corona- Darlehen zurückgegriffen. Auch hier muss ich sagen: Das ging sehr schnell und völlig unkompliziert. Klar, unser Unternehmen ist gut aufgestellt und wir hätten auch ohne die Bundes-Garantie mit der Bank reden können. Aber so ging es noch deutlich schneller.
Mit Kurzarbeit und Darlehen: Wie lange können Sie nun überleben?
Ich gehe davon aus, dass bei uns erst ab August wieder wirklich Geld in die Kasse kommt. Bis dahin können wir mindestens ausharren.
Anders als beim Mittel der Kurzarbeit müssen Sie das Darlehen aber zurückbezahlen.
Natürlich. Unser Ziel ist es, das so schnell wie möglich zu tun. Es macht ja keinen Sinn, dieses Darlehen jahrelang mitzutragen. Auch wenn der Zeithorizont von fünf Jahren und der Zinssatz mit 0,0 bis 0,5 Prozent sehr grosszügig sind. Meiner Ansicht nach hat der Bund damit ein sinnvolles Paket geschnürt. Insbesondere im Vergleich mit dem nahen Ausland. Was nützt dir eine kleine «Gratis-Finanzspritze », wenn das Geld kaum für einen Monat reicht?
Darf ich fragen: Wie viel Umsatz haben Sie bis jetzt verloren?
Diese Zahl wird natürlich jeden Tag grösser. Wir haben Anfang März eine Zusammenstellung gemacht, um herauszufinden, wie lange wir ohne Aufträge überleben können. Und ich kann Ihnen sagen: Da habe ich mich erschreckt. Allein bis Ende März rechneten wir mit über 500’000 Franken fehlender Umsätze.
Sie können nun also alle laufenden Rechnungen bezahlen. Aber bei einem so saisonalen Unternehmen wie der Stagelight AG sind die guten Monate auch für den «harten Winter» unverzichtbar. Fehlt diese Polster Ende 2020?
Das Loch wird bleiben. Zwar werden einige Veranstaltungen in den Herbst verschoben. Aber damit werden andere Anlässe, die dann hätten stattfinden sollen, verdrängt. Und vieles wird im 2020 einfach wegfallen und erst 2021 nachgeholt. Um die Frage zu beantworten: Das Finanzpolster für die schwachen Wintermonate wird nach dieser Saison fehlen.
Was bedeutet das langfristig für Ihr Unternehmen?
Der Blick in die Zukunft ist derzeit schwierig. Vieles ist noch unsicher. Wann herrscht wieder Normalität? Kommt eine zweite Welle? Was ich sagen kann, ist, dass 2019 für uns ein sehr gutes Jahr war. Wir haben also noch etwas Luft. Und glücklicherweise sind wir für ein Unternehmen in dieser Branche sehr gesund aufgestellt. Wenn in diesem Herbst also wieder etwas läuft und 2021 «normal» ist, werden wir uns erholen.
«Für ein Unternehmen in dieser Branche»: Vermuten Sie, diese Krise wird zu einer Marktbereinigung führen?
Das kann durchaus sein, ja. Es gibt viele kleine Unternehmen auf dem Markt – auch sogenannte «Garagen-Firmen». Ich kann mir gut vorstellen, dass einigen von ihnen der lange Schnauf für das Überstehen dieser Krise fehlt.
Auch viele Veranstalter sind finanziell nicht auf Rosen gebettet. Machen Sie sich keine Sorgen, dass in den nächsten Jahren einige Grossanlässe wegfallen?
Das stimmt schon, die meisten Veranstalter werden mit ihren Anlässen nicht reich. Aber für die meisten steht das Geld auch nicht an erster Stelle. Sie organisieren ihre Festivals, Konzerte oder Kulturanlässe aus Leidenschaft. Und so jemand hört nicht einfach auf. Anders gesagt: Ich vertraue auf das Herzblut, das in all diesen Events steckt. Der eine oder andere Termin wird sicher trotzdem wegfallen. Aber auch das ist dann vielleicht eine Art Bereinigung.
Die obligate Frage: Zu Entlassungen kam es bei Ihnen also nicht?
Nein. Das will ich auch um jeden Preis verhindern. Wozu gibt es sonst das Kurzarbeit- Instrument? Ausserdem ist es in unserer Branche sehr schwierig, gute Mitarbeitende zu finden. Ich will mein Team auf keinen Fall verlieren.
Sie arbeiten während der Saison auch mit vielen «Freelancern». Wie sieht die Situation da aus?
Dort ist die Situation deutlich schwieriger. Die meisten von ihnen gelten als selbstständig Erwerbende. Im Sommer arbeiten sie für uns, im Winter machen sie etwas anderes oder sind auf Reisen. Für sie kann ich keine Kurzarbeit beantragen. Ich hoffe, der Bund findet auch ein gutes Mittel, um sie zu unterstützen.
Und bei Ihnen selbst? Ich vermute, von «Kurzarbeit» können Sie nicht sprechen …
Nicht wirklich, nein (lacht). Ich stehe natürlich täglich in Kontakt mit diversen Veranstaltern. Mittlerweile ist die Absage-Welle etwas abgeflacht. Trotzdem ist der administrative Aufwand noch beträchtlich. Wann immer es geht, versuche ich aber auch etwas herunterzufahren. Das wäre jetzt natürlich der beste Zeitpunkt dafür.
Eine Ihrer wichtigsten Aufgaben ist es, die Motivation Ihres Teams aufrecht zu erhalten. Wie steht es um Ihre eigene Motivation?
Ich will ehrlich sein: Die vergangenen sechs Wochen haben mich schon mitgenommen. Seit 1981 bin ich mit Leib und Seele in der Veranstaltungstechnik tätig und habe mit einem Freund die Kollektivgesellschaft Stagelight gegründet. 1989 wurde die Firma dann in die Stagelight AG Showtechnik umgewandelt. Das hier ist mein Lebenswerk. Nun bin ich 60 Jahre alt und bewege mich auf die Pension zu. Sie können sich vorstellen, dass ich mir meinen Abschluss so nicht vorgestellt habe. Genau deshalb werde ich es auch nicht so enden lassen. Das bin ich mir selbst und meinem Team schuldig. Denn darunter sind viele Junge, die noch voller Tatendrang sind. tiz
Das Unternehmen
Die Stagelight AG mit Sitz in Herisau ist spezialisiert auf Veranstaltungstechnik im Bereich Licht, Audio und Video. Die Saison beginnt im März mit diversen GV und HVs. Nach einer Verschnaufpause im Mai finden von Juni bis August anschliessend diverse Grossanlässe statt, die von Stagelight betreut werden. Zu den bekanntesten gehören das Openair St. Gallen, das Openair Frauenfeld oder das Gurtenfestival. Im vergangenen Jahr feierte Stagelight ihr 30-jähriges Jubiläum. Seit der Gründung ist das Unternehmen stetig gewachsen: von zwei auf 30 Mitarbeitende. Dazu kommen während der Hauptsaison von März bis August rund 30 freie Angestellte (meist Selbstständige).