Das Aufheulen der Sirenen soll die Schweizer Bevölkerung im Ernstfall möglichst rasch vor einer drohenden Gefahr warnen. Das System existiert seit Jahrzehnten. Und es wird laufend überprüft. In Teufen wird beim heutigen Test eine von drei neuen Warn-Routen im Kanton gefahren (mehr dazu in der Foto-Galerie und im Kasten).
Aber wann würden die Sirenen auch «ernsthaft» aufheulen? Und wer drückt auf den Knopf? Detlev Eberhard kennt die Antworten. Er ist der Leiter der Koordinationsstelle für Bevölkerungsschutz beim Kanton.
Ganz plump gefragt: Wozu braucht es die Sirenen überhaupt?
Das Sirenennetz dient dazu, die Bevölkerung im Notfall rasch und unmittelbar zu warnen.
Ist das im Smartphone-Zeitalter noch nötig?
Die Warnsirenen sind nach wie vor das zuverlässigste Mittel. Denn dafür braucht es keine Software-Steuerung, keine Radiowellen, keine Satelliten, keinen Computer – nur Strom. Übrigens setzt nicht nur die Schweiz auf dieses System: Wir wissen von unseren Lieferanten, dass das Sirenen-Netz im nahen Ausland weiter ausgebaut wird. Zum Beispiel in Deutschland.
In welchen Fällen kämen die Sirenen zum Einsatz?
Nun, historisch gesehen geht das heutige Sirenennetz in der Schweiz auf die Zeit der drohenden Bomben-Angriffe in den Weltkriegen zurück. Während der Zeit des kalten Krieges war die Idee, die Bevölkerung im Falle eines nuklearen Angriffs bzw. einer radioaktiven Wolke warnen zu können. Bei einer nuklearen Katastrophe – egal welcher Art – kämen die Sirenen natürlich auch heute noch zum Einsatz. Ein viel realistischeres Szenario sind allerdings Naturkatastrophen wie Überschwemmungen. Aber auch bei einer Trinkwasserverschmutzung oder bei einem längerdauernden Blackout könnten die Sirenen genutzt werden.
Gab es in Ausserrhoden schon einmal so einen Ernstfall?
Seit der Inbetriebnahme der Sirenen zu Beginn der Achtzigerjahre nicht, nein.
Und wer entscheidet, ob sie aufheulen?
Eine Warnung über die Sirenen kann auf drei Ebenen ausgelöst werden. Niedrigste Stufe ist die Warnung auf dem Gemeindegebiet; da entscheidet der Gemeindeführungsstab. Dann folgen der Kanton – hier entscheiden Führungsstab oder Notrufzentrale – und schliesslich der Bund. Wichtig dabei: Das Sirenen-Netz ist ein Bundesinstrument. Es wird also vom Bund verlangt und bezahlt.
Ich vermute, die Sirenen sind genormt.
Genau. Sie müssen dem geltenden Anforderungsprofil bezüglich Frequenz, Lautstärke und Zuverlässigkeit entsprechen.
Wie kommt es denn, dass heuer drei neue «Warn-Routen» in Ausserrhoden gefahren werden?
Das hängt mit der Auswertung der kantonalen Beschallungs-Analyse zusammen. Mit diesem relativ neuen Instrument lässt sich die effektive Beschallung auf den Kantonsgebiet, bis zu den einzelnen Häuser, rekonstruieren bzw. analysieren. Eine Software simuliert dafür die Beschallung mit allen verfügbaren Daten – den ausgesandten Schallwellen sowie der Topographie und der Bebauung vor Ort. Die Simulation ist so genau, dass der «Schallschatten» jeder Hauswand mit einberechnet wird.
In Teufen hat man dabei ein «Beschallungs-Loch» gefunden?
Sozusagen, ja. Als die Sirenen vor einigen Jahren ersetzt wurden, entschied man sich, jene an der Katholischen Kirche zu entfernen. Man ging damals davon aus, dass die Beschallung im Gebiet Stofel mit den übrigen zwei Sirenen sichergestellt werden kann. Die Analyse zeigt nun aber, dass dies nicht der Fall ist. Deshalb die neue Route.
Im Ernstfall bleibt nicht viel Zeit. Wie schnell muss die Feuerwehr sein?
Ziel ist, dass die Feuerwehr alle Warnrouten 30 Minuten nach dem Auslösen des Alarms abgefahren hat.
Und was muss ich tun, wenn ich den Alarm höre und kein Test angekündigt worden war?
Dann sollte man alle verfügbaren Kommunikationskanäle öffnen – Radio, Fernseher, Internet – und den Verhaltensanweisungen Folge leisten. Ausserdem wichtig: Warnen Sie noch Ihre Nachbarin, Ihren Nachbar. Denn die neue, schalldichtere Bauweise kann verhindern, dass die Sirenen in allen Wohnräumen gehört werden. tiz
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