«Der Umgangston ist rauer geworden»

21.12.2024 | Timo Züst

Vor knapp zwei Jahren wurde Marcel Aeple vom Gemeinderat zum neuen Gemeindeschreiber gewählt. Kurz vor Weihnachten hat er die Redaktion der TP besucht – und ein kleines (leckeres) Geschenk vorbeigebracht. Die TP hat diese Chance genutzt, und ihn zu einem Interview überredet. Dabei sprach Marcel Aeple über aufwändige Rechtsmittelverfahren, Respekt gegenüber Amtsträgern, Kommunikation der Gemeinde und die Digitalisierung.

Marcel Aeple ist seit fast zwei Jahren Gemeindeschreiber von Teufen. Foto: tiz

Herr Aeple, wenn Sie Ihren Job in einem Wort beschreiben müssten …

… dann wäre das wohl «faszinierend».

Und in einem Satz erklären?

Das in einem Satz festzuhalten, ist nicht ganz einfach. Ich würde sagen, ein wichtiges Scharnier zwischen Verwaltung, Bevölkerung und Gemeinderat, das darum besorgt ist, dass die Entscheide des Rates sauber vorbereitet sind und anschliessend korrekt umgesetzt werden.

Vorhin habe ich den Weihnachtsgruss des Gemeindepräsidenten auf Instagram geschaut. Er sagt dabei unter anderem, dieses Jahr sei viel im Hintergrund gearbeitet worden. Ich nehme an, Sie sind Teil dieses «Hintergrunds»?

Ich gehöre sicher dazu.

Also war es ein intensives Jahr?

Das war es. Auch wegen personeller Engpässe. Seit Juni fehlte uns in der Kanzlei bis Ende Jahr eine Vollzeitstelle. Das konnten wir teilweise mit einer «40-Prozent-Springerin» kompensieren – ansonsten mussten wir uns arrangieren.

Niemand ist unersetzbar, ich auch nicht.

Besserung ist aber im Anflug. Anfang Jahr startet ja Ruth Wanner als Ihre Stellvertreterin und Bereichsleiterin Kanzleidienste. Was sind ihre Aufgaben?

Genau, der 6. Januar ist Ruth Wanners erster Arbeitstag. Das freut uns natürlich sehr. Als Leiterin der Kanzleidienste zeichnet sie sich unter anderem für verschiedene Abteilungen der Gemeinde verantwortlich. So zum Beispiel für das Frontoffice, das Grundbuch- oder das Betreibungsamt.

Sie ist aber auch Ihre Stellvertreterin. Kann man einen Gemeindeschreiber überhaupt «stellvertretend»?

Natürlich (lacht). Niemand ist unersetzbar, ich auch nicht. Unserer Verwaltung muss ja schliesslich auch einsatzbereit bleiben, wenn jemand aus einem anderen Bereich mal fehlt. Aber klar: Vom ersten Tag an geht das natürlich nicht. Sie wird aber meinen gesamten Tätigkeitsbereich kennenlernen, um eine entsprechende Stellvertretung sicherstellen zu können.

Nochmal zu Ihrem Chef. Im Interview mit der TP Anfang Dezember hatte Reto Altherr gesagt, im vergangenen Jahr haben ihn die Dossiers Ortsdurchfahrt und Raumplanung wohl am meisten beschäftigt. Gilt das auch für Sie?

Bei mir ist die Sache nicht ganz so eindeutig. Natürlich haben mich diese Themen auch gefordert. Aber bei mir ist es etwas breiter gefächert. Ich kann den Schwerpunkt nicht so eindeutig ausmachen.

Bevor Sie hier anfingen, waren Sie schon seit vielen Jahren als Gemeinde- bzw. Ratsschreiber tätig. Wie viele sind es inzwischen?

Fast 27.

Die direkte Betroffenheit ist dann natürlich noch einmal eine andere Dimension.

Haben Sie während dieser Zeit eine Veränderung im Umgangston festgestellt? Die Appenzeller Zeitung hat dazu vergangene Woche einige Gemeindepräsidenten bzw. -präsidentinnen befragt. Der Titel war «Der Respekt scheint abzunehmen».

Die geschilderten Vorfälle im Appenzeller Vorderland sind inakzeptabel. Es ist schon so, dass der Umgangston etwas rauer geworden ist. Aber aus meiner Sicht ist das auch den gesellschaftlichen Veränderungen geschuldet. Dass unseren Behördenmitgliedern gegenüber kein Anstand und Respekt mehr gezeigt wird, kann ich aus persönlicher Sicht nicht sagen. Ich stelle aber fest, dass heute viel häufiger Rechtmittel ergriffen werden – insbesondere bei Bauangelegenheiten.

Haben Sie eine Vermutung, woran das liegen könnte?

Auch das ist wohl ein gesellschaftliches Phänomen. Im öffentlichen Diskurs sprechen sich zwar alle für eine Verdichtung nach Innen, grünere Energiegewinnung oder neue Mobilitätskonzepte aus. Aber die direkte Betroffenheit ist dann natürlich noch einmal eine andere Dimension.

Anders gesagt: Die Zunahme der Rechtsverfahren hat auch mit dem «Dichtestress» zu tun?

Das kann ich mir vorstellen. Es dürfte auf jeden Fall immer schwieriger werden, grössere Projekte zu realisieren. Entsprechende Praxisbeispiele zeigen das.

Vielleicht wird die Bevölkerung auch einfach kritischer, anspruchsvoller?

Vielleicht. Da kann ich nur spekulieren. Eine gesunde, sachliche Kritik kann aber durchaus auch wertvoll sein.

Auch ein gesellschaftliches Thema ist der Fachkräftemangel. Wie schwierig ist es, die Stellen in der Verwaltung zu besetzen?

Es ist eine Herausforderung. Glücklicherweise sind wir heute noch in der Lage, dass wir alle unsere Stellen besetzt haben. Und zwar mit guten Leuten. Aber die Entwicklung bereitet mir schon Sorgen. Es wird immer schwieriger, passendes Personal zu finden. Ich engagiere mich deshalb nebenbei auch im Rahmen einer Vorstandstätigkeit für die Ausbildung der Lernenden der öffentlichen Verwaltung. Wir dürfen nicht immer nur über den Fachkräftemangel jammern, wir müssen aktiv werden.

Ich frage mich eher, wo all die Leute geblieben sind.

Ist die Arbeit bei der öffentlichen Hand nicht mehr attraktiv? Früher galt die Gemeinde als eine sehr gute Arbeitgeberin.

Das ist vermutlich nicht das Problem. Ich denke, der Ruf der öffentlichen Hand – und unserer Gemeinde – als Arbeitgeberin ist auch heute noch sehr gut. Ich frage mich eher, wo all die Leute geblieben sind. Denn auch heute werden ja viele Lernenden in den Verwaltungen ausgebildet. Ob sie alle die Branche wechseln? Oder ob es an den kleineren Arbeitspensen liegt? Ich weiss es schlicht nicht.

Gleich noch ein Dauerbrenner: die Digitalisierung. Die Verwaltung hat dazu ja gerade eine Strategie erarbeitet. Was kam dabei raus?

Dafür haben wir rund 280 Verwaltungsprozesse analysiert und uns bei allen gefragt: Macht hier eine Digitalisierung Sinn? Wie gross wären Aufwand und Nutzen (auch für die Bevölkerung)? Es macht schliesslich keinen Sinn, ein Formular bzw. einen Prozess weiter zu digitalisieren, den wir nur einmal pro Semester brauchen. Am Ende haben wir fast 40 Prozesse identifiziert, die für eine weitere Digitalisierung besonders geeignet sind.

Ein Beispiel?

Die Organisation des Häckseldiensts. Der aktuelle Prozess ist für Einwohnerinnen und Einwohner umständlich und zeitaufwendig. Sie müssen ein Dokument herunterladen, ausdrucken, per Hand ausfüllen und versenden. Mit einem Online-Formular auf «teufen.ch» könnte dieser Prozess deutlich vereinfacht werden.

Wird die Verwaltung irgendwann komplett digital verfügbar sein?

Das glaube ich nicht. Vermutlich wäre das auch nicht sinnvoll. Ausserdem bräuchte es dafür zuerst sowieso die Elektronische Identität. Aber es ist schon so, dass die Bevölkerung sich wünscht, mehr Bürokratie von zuhause aus erledigen zu können.

Auch die Kommunikation der Gemeinde ist inzwischen häufig digital. Wie beurteilen Sie die Kommunikation Teufens?

Als gut. Wir versenden regelmässig Newsletter, für die man sich auf der Homepage anmelden kann, informieren die Medien via Mitteilungen – beispielsweise «Aus dem Gemeinderat» – und sind seit einiger Zeit auch auf Instagram und LinkedIn aktiv. Dort haben wir inzwischen etwas über 400 beziehungsweise 200 «Follower».

Der kontinuierliche Wegfall der Lokalmedien ist sicher mit ein Grund dafür, dass die Kommunikation der Gemeinden immer wieder in der Kritik steht.

Also wird die Social-Media-Präsenz geschätzt?

Ja. Wir erhalten oft positive Rückmeldungen. Und es ist auch ein guter Kanal, um sich direkt an die Bevölkerung zu wenden. Sie hatten ja den Weihnachtsgruss von Reto Altherr bereits erwähnt.

War die Datensicherheit ein Thema beim Entscheid, als Gemeinde aus Instagram etc. aktiv zu sein?

Natürlich. Aber wir posten nichts, was nicht öffentlich wäre oder wir nicht auch auf diesen Kanälen publizieren könnten.

Was ist mit der «Tüüfner Poscht»? Ist die Dorfzeitung für Sie eher eine Belastung oder eine Bereicherung?

Eindeutig eine Bereicherung. Der kontinuierliche Wegfall der Lokalmedien ist sicher mit ein Grund dafür, dass die Kommunikation der Gemeinden immer wieder in der Kritik steht. Entsprechend dankbar sind wir für die Arbeit der Tüüfner Poscht.

Schon bald können Sie Ihr zweijähriges Jubiläum bei der Gemeinde Teufen feiern. Haben Sie den Entscheid je bereut?

Nie. Ich finde nicht nur meine Arbeit faszinierend, sondern auch die Gemeinde. Ich wurde hier sehr gut aufgenommen – in der Verwaltung und privat. Teufen ist inzwischen mein Lebensmittelpunkt: Ich arbeite hier, kaufe hier ein, treibe Sport. Es ist eine familiäre und spannende Gemeinde, mit der ich mich gerne identifiziere.

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