Thomas Fuchs*
Im Zusammenhang mit dem Umbau war in letzter Zeit einiges über den Rothenstall an der Speicherstrasse zu lesen. Die nachfolgenden Anmerkungen befassen sich mit dessen Entstehungszeit und dem Bauherrn Daniel Roth. Von seinem Nachnamen leitet sich der Gebäudename ab.
Älteste Ansichten
«D. Rothen Stall in Teüffen» (Daniel Roths Stall) lautet der Titel einer kolorierten Federzeichnung des bekannten Malers Johann Ulrich Fitzi (1798–1855) aus der Zeit um 1835, welche sich im Besitz der Einwohnergemeinde Teufen befindet (Bild oben).
Fitzi zeichnete damals eine ganze Reihe von Gebäuden in Teufen detailgetreu ab, darunter neben dem neuen Stall von Daniel Roth auch dessen neues Treibhaus. Es sah dem Stall sehr ähnlich, existiert aber nicht mehr (Bild oben).
Zwei Dorfansichten von Johann Ulrich Fitzi aus den Jahren 1831 und 1841 zeigen uns zudem die Situation am Unteren Gremm vor und nach dem Bau des Rothenstalls. An dessen Stelle stand ein dreistöckiges «Heidenhaus» mit angebautem Stadel. Es wurde zugunsten des neuen Stalles abgebrochen.
Der Begriff «Stall» wird dem neuen Gebäude jedoch nicht gerecht. Unter seinem Dach befand sich neben Stall und Remise auch eine Wohnung. Die kantonale Brandassekuranz klassierte es deshalb auch als «Haus & Stadel».
Klassizistischer Musterbau
Die Gestaltung des Rothenstalls entspricht dem damaligen Architekturstil des Klassizismus. Wie es sich für diesen gehört, folgt die Fassadengestaltung streng dem Prinzip der Symmetrie, notfalls ohne Rücksicht auf die dahinterliegenden Innenräume. Deshalb sind das rechte Tor und die linken Fenster blind, das heisst funktionslos nur auf der Fassade angebracht. Man redet in solchen Fällen von Trompe-l’oeil (täusche das Auge).
Aufgesetzte Pilaster beidseits der Tore betonen das repräsentative Erscheinungsbild des in vornehm erhöhter Position platzierten Gebäudes. Der Stall ist wie üblich in Strickkonstruktion ausgeführt, die ihn umgebende Scheune und der Wohntrakt in geschindelter Riegelkonstruktion.
Die ersten Bewohner
Immer wieder wurde behauptet, der Wohnteil des Rothenstalls sei von den Kutschern bewohnt worden. Solche hatte der Besitzer aber kaum nötig. Er hatte zwei Knechte und einen Gärtner angestellt – sie stammten aus Appenzell Innerrhoden, dem Thurgau und dem Elsass –, die in seinem Haus ihre Unterkunft hatten.
Der Neubau diente wohl primär seiner Liebhaberei, der Landwirtschaft. In der Wohnung im Rothenstall lebte – mindestens die ersten 15 Jahre – die bescheidene Familie Enz-Züst mit ihren vier Kindern. Enz war als Taglöhner und Weber tätig, seine Frau als Nätherin. Einige Zeit lebte zudem noch eine ebenfalls als Nätherin arbeitende Witwe im Haus. Gearbeitet haben diese Leute wahrscheinlich für den Besitzer Daniel Roth.
Bauherr Daniel Roth-Zuberbühler
Erbauer des Rothenstalls war Daniel Roth-Zuberbühler (1787–1852). Gleichzeitig mit dem neuen Stallgebäude liess er auch sein 1822 erstelltes Wohnhaus (Dorf 18) erweitern. Georg Thürer meint in seinem Buch «Johannes und Arnold Roth» (Teufener Hefte 6, 1981, S. 12) unter Berufung auf die Familientradition zwar, er hätte aus bescheidenen bäuerlichen Verhältnissen gestammt und mit einem kleinen Textilgewerbe angefangen. Das stimmt aber nicht. Daniel Roth-Zuberbühler führte das bedeutende Textilgeschäft seines Vaters weiter und gehörte zu den vermögendsten Teufnern. Wie schon sein Vater und dann auch sein Sohn Johannes spendete er grosse Beträge zugunsten der Gemeinde.
Sein Vater Daniel Roth-Baumgartner (1765–1821) war 1800 der grösste Textilunternehmer in Teufen. Dessen Ehefrau stammte aus einer angesehenen Familie in Speicher. Die Kontakte dorthin dürften mitverantwortlich für Roths Erfolg gewesen sein, spielte doch das Speicherer Handelshaus Gebrüder Schläpfer beim Aufbau der Textilindustrie in Teufen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts eine zentrale Rolle.
Daniel Roth Senior gehörte zusammen mit seiner Schwester Ursula Grubenmann-Roth (1769–1838) – sie liess zwischen 1802 und 1812 die herrschaftliche Villa Grünau erbauen – zu den ersten, die sich der Handstickerei zuwandten. Auf diese Art konnten sie die in ihrem Auftrag gewobenen feinen Stoffe veredeln und gewinnbringender verkaufen. Während die Trägerstoffe in Appenzell Ausserrhoden gefertigt wurden, gingen die Aufträge für das Sticken an Frauenhände in Appenzell Innerrhoden und in Vorarlberg.
Daniel Roth-Zuberbühler entwickelte wie andere Ausserrhoder Textilunternehmer im frühen 19. Jahrhundert eine grosse Leidenschaft für die Modernisierung der Viehzucht. In diesem Zusammenhang muss auch der Bau des Rothenstalles gesehen werden.
1833 und 1834 erwarb Roth die Alpen Santmaregg und Hochalp. Am 26. Oktober 1846 fand auf seinem Boden in Teufen, der auch das Gelände des heutigen Bahnhofs und der Migros-Überbauung umfasste, die erste ausserrhodische Viehschau statt. Roth hinterliess das ausserordentlich grosse Vermögen von 677‘680 Franken.
*Der Historiker Thomas Fuchs ist Leiter der ortsgeschichtlichen Sammlung der Gemeinde Teufen
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