Timo Züst
Die erste Fotokamera von Hans Zürcher war eine Cosina Hi-lite. Heute werden gebrauchte Modelle dieser Spiegelreflexkamera im Internet für rund 50 Franken angeboten.
Damals, im ersten Lehrjahr, als Hans Zürcher so viel wie möglich aufsparte, kostete die «Cosina» 399 Franken. «Ich verdiente 100 Franken im Monat. Und den Ausgang gab es auch noch», erinnert er sich lächelnd. Trotzdem brachte er das Geld zusammen und erstand seine erste eigene Kamera. Sein grosser Vorteil: Der zweitälteste Bruder war auch ein Fotografie-Fan. Im Elternhaus an der Hechtstrasse 6, ein Haus weiter von Hans Zürchers heutigem Wohnort, gab es deshalb bereits eine Dunkelkammer. «Ich konnte viel von meinem Bruder lernen und verbrachte wunderschöne Sonntage im Dunkeln.»
Von Foto zum Video
Vereinsfotograf im TV Teufen, Gelegenheitsreporter für das Appenzeller Tagblatt, Sportfotograf beim FC Teufen, Fotograf und Fotoverkäufer während der RS. Schon in jungen Jahren war die Kamera Hans Zürchers ständige Begleiterin. Aber ein günstiges Hobby hatte er sich nicht ausgesucht. «Im Vergleich zu heute war das natürlich sündhaft teuer. Man überlegte sich immer zweimal, ob man nochmals abdrücken soll», erinnert er sich. Deshalb benutzte er für die Sportfotografie auch Schwarz-Weiss-Filme. Selbst entwickelte SW-Fotos waren günstiger. Ausserdem konnte man den Bildausschnitt in der Dunkelkammer vergrössern. Damit war der Film besser geeignet, um auf die Jagd nach dem perfekten Schnappschuss zu gehen. Das Fotografieren hat Hans Zürcher nie mehr losgelassen. Aber von der Dunkelkammer hat er sich nach seiner Heirat mit Margrit verabschiedet. «Wenn du Kinder hast, sitzt du nicht mehr dort herum.» Stattdessen dokumentierte er nun das Familienleben. Auch in bewegten Bildern. «Ich hatte eine dieser riesigen VHS-Videokameras», erzählt er. Mit den Jahren rückte das Filmen aber mehr und mehr in den Hintergrund. Hans Zürcher fokussierte sich wieder auf das stille Bild. «Am liebsten fotografiere ich wohl schon das Brauchtum und unsere Tierwelt», sagt er heute. Dabei geht es ihm aber nicht um aufwändige, durchdachte Arrangements. Wie schon damals auf dem Sportplatz, hofft er beim Fotografieren auf den perfekten Zufall.
Inspiration beim Wandern
«Mich reizt der Moment. Und da braucht es auch immer viel Glück.» Ein solcher Glücksfall war auch das Frontbild seines «Sennisch»-Kalenders 2019. Darauf ist ein Bauer in seiner Tracht zu sehen, der einer ausgebüxten Kuh nachjagt. In der linken Hand hält er seinen Schirm, mit der rechten verhindert er, dass sein Hut davon fliegt. «So etwas kann man nicht planen, da muss man einfach zur rechten Zeit am richtigen Ort sein und reagieren.» Diesen Kalender gibt Hans Zürcher heuer schon zum sechsten Mal heraus – in einer Auflage von rund 600 Stück. Dazu kommt noch der «Tüüfner» Kalender. Für 2019 erschien dieser bereits zum zehnten Mal. Die Idee für den ersten Kalender hatte Hans Zürcher anlässlich seiner Foto-Ausstellung in der Bibliothek Teufen im Jahr 2009. Er dachte dabei an eine Alternative zum Kauf eines teuren Grossformat-Fotos. Und er traf damit einen Nerv: «Das schlug ein wie eine Bombe. Ich musste ständig Kalender nachbestellen.» Auch abseits seiner Kalender finden Hans Zürchers Fotografien immer wieder einen Weg an die Öffentlichkeit. Sei es als Ansichtskarten, Panorama-Fotos auf den Hauben des Anker- Schuppels oder als Grundlage für die internationalen Werbeinserate der berühmten Galerie von Bruno Bischofberger. Langweilig wird es Hans Zürcher übrigens auch bei der 1000sten Kuh nicht: «Auf Wanderungen entdecke ich immer wieder Orte, bei denen ich beispielsweise denke: «Das wäre eine gute Position, um eine Alpabfahrt im Bild festzuhalten.» Ausserdem habe er längst noch nicht alle Viehschauen und Chlausenschuppel besucht. Und im Notfall könnte er immer auf seine Königsdisziplin zurückgreifen: den Schnappschuss.
Steckbrief
Geboren: 19. Oktober 1955
Heimatort: Speicher Familie: Verheiratet mit Margrit, drei Söhne, drei Grosskinder
Beruf: Gelernter Hochbauzeichner und Zimmerpolier, heute bei den Sankt Galler Stadtwerken im Bereich geografisches Informationssystem tätig
Lieblingsessen: Chäshörnli mit Zwiebelschwitzi
Lieblingsgetränk: ein gutes Glas Wein
Buch auf dem Nachttisch: Begegnungen von Ernst Hohl
Hobbys: Grosskinder, Wandern, Biken, Schneeschuhlaufen, Skifahren, Gärtnern, Pilzen, Fotografieren