«Der Pfarrer weigerte sich, uns zu trauen»

06.11.2017 | Erich Gmünder
emmi walter hohl
Yvonne und Peter Graf lernten sich beim Skifahren kennen. Foto: EG
Erich Gmünder Die Zwiste zwischen Reformierten und Katholiken sind 500 Jahre nach der Glaubensspaltung im Appenzellerland kein Thema mehr; das geht aus dem Gespräch mit den Theologen der beiden Landeskirchen klar hervor. Doch so ungetrübt war das Verhältnis bis vor wenigen Jahrzehnten noch nicht. Daran erinnern sich ältere Bewohnerinnen und Bewohner. Für eine Gruppe von Menschen waren diese Zeiten eine besondere Belastung: Jene, die oft entgegen dem Willen ihrer Eltern oder Pfarrer einen Menschen der anderen Konfession heiraten wollten. Sie brauchten viel Mut, um zu ihrer Liebe und zu ihrem Entscheid zu stehen. Nicht alle, die wir angefragt haben, wollten darüber reden. Zwei Paare, die in einer sogenannten Mischehe leben, erklärten sich dazu bereit und erzählen freimütig über die damaligen Schwierigkeiten und über ihren eigenen Weg, den sie gefunden haben, um mit den Divergenzen zwischen den Konfessionen zu leben.

«Nöd dass du mer denn no e Katholischi heibringsch!»

Yvonne und Peter Graf lernten sich beim Skifahren kennen – genau genommen, weil es vorerst nicht dazu kam: Peter hatte die Skis ans Reiseziel im Wallis geschickt, dort trafen sie nicht ein. Dafür hatte er Zeit. Und da Yvonne noch nicht top motiviert war zum Skifahren, taten sie sich zusammen und gingen spazieren. Schliesslich, als die Skis eingetroffen waren, verbrachten sie die Tage auf der Skipiste und tauschten beim Abschied ihre Telefonnummern aus. Das kurz zusammengefasst der Yvonne und Peter Graf der Beginn ihrer Bekanntschaft, die schliesslich zur Hochzeit führte. Da war allerdings die Tatsache, dass er reformiert und sie katholisch war. Gerne wollten sie ökumenisch heiraten. Der zuständige, katholische Pfarrer im St.Galler Quartier St.Otmar war dazu nicht bereit. Verschiedene andere Pfarrämter wurden abgeklappert, erfolglos. Schliesslich sprang der damalige HSG-Studentenpfarrer Richard Thalmann ein und nahm den beiden in der katholischen Kirche Rotmonten das Eheversprechen ab. Die Konfession war in der Jugend von Peter in der Stadt St.Gallen sehr wohl ein Thema: Einerseits, weil es damals nur katholische, von Orden geführte Kindergärten gab, die ihm verwehrt waren, anderseits die geschlechtergetrennte Benutzung der Dreiweihern, wofür wohl die katholische Kirche verantwortlich war. Und seinen ersten Schulschatz durfte er nur heimlich treffen: Sie war katholisch und besuchte die Flade (kath. Mädchensekundarschule). Der Vater habe jeweils zu sagen gepflegt: «Nöd dass du mer denn no e katholischi heibringsch!» Darüber können sie heute schmunzeln. Denn als es schliesslich soweit war, sei die unterschiedliche Konfession kein Thema mehr gewesen. Bei Yvonnes Eltern auch darum nicht, weil bereits sie eine Mischehe eingegangen waren. Das junge Paar, das 1975 nach Niederteufen zog und 1979 im Schützenberg ein Haus baute, entschloss sich, die Kinder reformiert zu erziehen – die Diskriminierung der Frauen und insbesondere die rigide Haltung der katholischen Kirche zur Frage der Empfängnisverhütung, aber auch die Angstmacherei mit Fegefeuer und Teufel hätten da wohl den Ausschlag gegeben, erinnern sie sich. Peter engagierte sich zehn Jahre lang in der Kirchenvorsteherschaft, wo der Baufachmann für das Ressort Bau verantwortlich zeichnete. In seine Zeit fiel auch der Bau des Kirchgemeindehauses Hörli. Yvonne war 10 Jahre im Vorstand der kath. Frauen- und Müttergemeinschaft tätig. Die beiden Söhne engagierten sich als Leiter im Cevi. Auch Yvonne fühlte sich in der evangelischen Kirche wohler, was auch mit der damaligen personellen Situation in der katholischen Pfarrei Teufen zu tun hatte. Mit Stefan Staub habe sich das aber zum Guten gewendet. Heute besucht das Paar abwechslungsweise die Gottesdienste in den beiden Kirchen und schätzt die Offenheit und Weltzugewandtheit der beiden reformierten Pfarrerinnen und des katholischen Pfarreileiters. Die gelebte Ökumene in Teufen beurteilen sie schlicht als «super».

«Hettsch meh übercho, wenn du e Katholischi ghürote hettsch.»

Emmi Hohl-Tobler, geb. 1926, und Walter Hohl, geb. 1931, leben seit 57 Jahren in Teufen in ihrem Haus am Wettersbüelweg. Foto: zVg.
Mägi Walti Walter Hohl wuchs katholisch auf, seine Frau reformiert. Deswegen habe es in den 57 Jahren ihrer Ehe aber nie Probleme oder Differenzen gegeben. Gegenseitige Achtung und Anerkennung waren wichtiger als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche. Kennengelernt haben sie sich bei einer zufälligen Begegnung auf der Strasse, weil Walter Hohl auf Emmi Tobler zuging und sie nach dem Grund für ihren braungebrannten Teint fragte. Sie hatte kurz zuvor das Breithorn in Zermatt bestiegen und wie es sich herausstellte, war er gerade von einem Tourenleiterkurs im Wallis zurückgekehrt. Beide teilten die Leidenschaft für die Berge – ein guter Anfang für die weitere Entwicklung ihrer Beziehung. Dem Ehepaar wurden ein Sohn und eine Tochter geschenkt und Emmi und Walter Hohl betreuten viele Jahre ein spanisches Mädchen, zu welchem sie noch heute einen sehr guten Kontakt pflegen. Pfarrer waren gegen die Ehe Der Entscheid zu heiraten stiess nicht überall auf Verständnis. Die Eltern von Walter Hohl erzogen ihre sieben Kinder sehr religiös, obwohl sein Vater auch aus einer Mischehe stammte. Er war sehr strenggläubig und hatte sogar einen eigenen Beichtvater. Der empfahl ihm, der Hochzeit fernzubleiben. Die beiden heirateten am 7. Mai 1960 in der reformierten Kirche in Stein. Wie Walter Hohl erzählte, kam sein Vater dann doch an das Fest, er «het aber nie meh öppis dezue gsät.» Auf Emmi Hohls Seite wurde die Religion nicht so stark gewichtet. Härter sei es für sie gewesen, als sie vom damaligen reformierten Pfarrer Zellweger in Teufen die Auskunft erhielt, er traue keine gemischten Paare. Walter Hohl führte damals ein Gespräch mit dem katholischen Pfarrer Selva. Auf seine Frage, was geschehe, wenn er protestantisch heirate, sagte der Pfarrer, dass er von den Sakramenten ausgeschlossen würde. Auf seine weitere Frage: «Und vor Gott?», kam spontan die Antwort: «Der ist vermutlich etwas grosszügiger.» Bei einer Tante durfte das junge Paar den Wunschzettel abgeben; das Geschenk war schliesslich ein Salatsieb, mit der Bemerkung «Du hettsch meh übercho, wenn du e Katholischi ghürote hettsch.» Daniel Hohl, der Grossvater von Walter Hohl, war 42 Jahre lang Nachtwächter in Teufen. Auch er war reformiert und heiratete die katholische Katharina Signer «Bösse Fränze Trine» aus Haslen. Sie sei in ihrem Dorf fast gesteinigt worden für diesen Frevel, erzählt Walter Hohl. Walter und Emmi Hohl besuchen je nach Anlass beide Kirchen in Teufen, vor allem an Festtagen oder wenn z.B. die Jodler im Gottesdienst mitwirken. Mit der Hierarchie in Rom haben beide grosse Mühe, und mit dem Zölibat oder auch dem Ausschluss von Frauen vom Priesteramt sind sie überhaupt nicht einverstanden. Beide leisten noch des öfteren Freizeitarbeit und Fahrdienste für die Bewohnerinnen im Kloster Wonnenstein. Seit Jahrzehnten beginnt ihr Alltag mit einem gemeinschaftlichen Morgengebet und der Abend endet mit einem persönlichen Dankgebet – vielleicht mit ein Grund, dass sie immer noch ein so gutes Leben haben dürfen.

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