In der Tüüfner Poscht vom August 2012 wurde ausführlich auf die Geschichte des Hauses Alter Bahnhof und seines Vorgängerbaus, den Schwarzen Bären, eingegangen. Glück und Suchen machen es nun möglich, zwei weitere Episoden aus der Vergangenheit der beiden Gebäude zu erzählen – einerseits zum vielseitigen Eigentümer des Schwarzen Bären, andererseits zum Hôtel des Alpes.
Thomas Fuchs*
Eine Warenetikette auf einem Tschako erzählt eine Geschichte
«Mathias Oertlÿ / zum Baeren in Teufen bei St. Gallen / lifert / manckerlei Militaire Requisiten und / verfertiget aller Gattung Mode-Kappen Elastiques / und / Pelzwaren» – auf diese Weise gab sich um 1835 der umtriebige Teufner Gewerbler auf einer Warenetikette zu erkennen. Sie befindet sich auf einem der seltenen Objekte aus dem einheimischen Handwerksschaffen vergangener Zeiten. Entdeckt wurde sie bei Inventarisierungsarbeiten im Museum Herisau.
Die sorgfältig gestaltete Warenetikette ist auf der Innenseite eines Militär-Tschakos aufgeklebt. Gedruckt wurde sie von der Lithographischen Anstalt Sommerlatt in Konstanz. Am oberen Rand gibt sie Einblicke ins Sortiment von Oertli, vorab der «Militaire Requisiten»: Kopfbedeckungen vom Zweispitz bis zum Tschako, Degen, Fahnen, Schulterpatten.
An den Seiten halten zwei Bären Umhängetaschen und zivile Hüte in den Pfoten. Die Tiere nehmen Bezug auf Oertlis Haus in Teufen, den Schwarzen Bären. Mathias Oertli (1792–1852) hatte den Gasthof Schwarzer Bären, zu dem auch eine Bäckerei gehörte, 1827 vom Schwiegervater erworben. Das grosse Gebäude schloss den Dorfplatz gegen Westen ab und bildete zusammen mit der Sonne (1836 Abbruch zugunsten von heutigem Gemeindehaus und Schulhaus) und dem Hecht (Hechtstrasse 2) ein Dreieck von repräsentativen Gasthöfen rund um den Dorfplatz.
Kürschner, Hutmacher, Bäcker, Gastwirt
Oertli war gelernter Kürschner und Hutmacher und betrieb dieses Gewerbe offenbar neben dem Gasthaus und der Bäckerei weiter. Im Gasthof dürfte ihn seine Gattin Anna Elisabeth Waldburger (1782–1839), mit der er seit Juni 1816 verheiratet war, wesentlich unterstützt haben. Aus ihrer Hinterlassenschaft vermachte Oertli 1839 der Gemeinde Teufen 100 Gulden, was auf komfortable finanzielle Verhältnisse schliessen lässt.
1846 gab er den Bären wegen gesundheitlichen Problemen auf und übersiedelte an die Oberdorfstrasse in Herisau. Die Garnitur an der Vorderseite des Tschakos verrät uns, bei welcher Armeeeinheit sein Träger Dienst getan hatte. Die schlecht sichtbare Seidenkokarde in silber und schwarz zeigt den Kanton Appenzell Ausserrhoden an, der Pompon mit grüner Kugel und goldener Flamme sowie das Messingschild mit der grossen Zahl verweisen auf die Scharfschützen- Kompanie 1. Leider fehlen dem Tschako die metallenen Kettenbänder.
Der aus Leder und Filz gefertigte Tschako setzte sich während den Napoleonischen Kriegen in fast allen europäischen Heeren als Kopfbedeckung für Fusstruppen, leichte Kavallerie und Artillerie durch, denn er bot besseren Schutz als die vorher getragenen Filzhüte. Auch der Kanton Appenzell Ausserrhoden schaffte im frühen 19. Jahrhundert für seine Truppen solche Kopfbedeckungen an, wobei er sich in der Formgebung an französischen und russischen Vorbildern orientierte.
1858 musste der Schwarze Bären dem Bau der neuen Hauptstrasse weichen. Als Ersatzbau entstand 1861/62 das Gasthaus zu den Alpen, das heutige Haus Alter Bahnhof (Bibliothek). Vor einigen Monaten ist es gelungen, ein Foto des einstigen Hotels für die Ortsgeschichtliche Sammlung Teufen zu erwerben. Es zeigt uns zum ersten Mal das Gebäude in seiner ursprünglichen Nutzung als Hotel. Die sonst erhaltenen Bilder aus dem 19. Jahrhundert zeigen das Gebäude bereits in seiner Zweitnutzung als Bahnhof und Post- und Telegrafenamt (ab 1889).
In der Mitte des Gebäudes ist das grosse Hotelschild mit der Hausanschrift zu erkennen: «Kur- Gasthaus zu den Alpen HOTEL des ALPES» lautet der Schriftzug. Entstanden sein muss das Foto nach dem April 1869, denn damals bekam Hotelbesitzer Johann Jakob Zürcher (1815–1885) die Bewilligung, längs der Strasse «ein Gärtchen mit Ziersträuchern und Schattenplätzchen» anzulegen.
Das Stereobild
Im Gegenzug erhielt die Gemeinde die Erlaubnis, während dem Oktobermarkt die Stände bis auf vierzehn Fuss an den Laternenpfahl vor dem Hotel zu stellen. Aufgrund des eher ungepflegten Zustandes des Vorplatzes könnte das Foto auch erst nach der Schliessung des unrentablen Hotels im September 1882 gemacht worden sein.
*Thomas Fuchs ist Leiter der ortsgeschichtlichen Sammlung der Gemeinde Teufen