«Der Fahrplan wird nicht in Teufen gemacht»

12.08.2020 | Timo Züst
Thomas_Baumgartner
AB-Direktor Thomas Baumgartner erklärt die Herausforderungen der Fahrplan-Planung. Fotos: tiz

Kanton, Appenzeller Bahnen und Gemeinde Teufen luden heute Nachmittag zur Medienkonferenz. Das Thema: Ortsdurchfahrt Teufen. So weit, so üblich. Eher überraschend war der Inhalt der Information: Ein Tunnel ist (fast) definitiv vom Tisch.

Hinweis: Unten finden Sie ein «Nachgefragt» mit AB-Direktor Thomas Baumgartner.

«Wir rechnen in Sekunden nicht in Minuten.» Auf dem Bildschirm an der Wand des Teufner Ratssaals erscheint ein ungewohntes Liniendiagramm. Thomas Baumgartner, Direktor der Appenzeller Bahnen (AB), will damit die Herausforderungen der Fahrplansicherheit aufzeigen. Konkreter: Er erklärt den Medienvertretern, warum die AB ohne eine Doppelspur in Teufen die nötigen Anschlüsse in St. Gallen nicht realisieren können. «Die Fahrzeit mit Doppelspur beträgt 29 Minuten. Mit einem einspurigen Tunnel verlängert sie sich auf 34 Minuten. Und wir können nur am Bahnhof Teufen kreuzen.» Die Folge: Die Passagiere verpassen die Anschlusszüge. Bereits heute ist die Situation nicht ideal – das zeigt auch diese Interpellation von Kantonsrat Matthias Tischhauser (FDP/Gais). Der AB-Direktor bestreitet die Probleme nicht. Denn auch in naher Zukunft können die AB die Reiseverbindungen jeweils nur in eine Richtung garantieren. Das bedeutet: Am Morgen sollen die Pendler die Züge nach Zürich erwischen, am Abend die Verbindungen ins Appenzellerland. «Unser Ziel muss es aber sein, beide Fahrtrichtungen identisch gestalten zu können.» Längerfristig sollen die Anschlüsse an das Normalspurnetz sogar halbstündlich sichergestellt werden. Nun zeigt sich aber: Ohne Doppelspur in Teufen ist das unmöglich. Grund dafür ist das neue Schweizer Fahrplan-Angebotskonzept 2035.

Beschwerde hängig

Die IG Tüüfner Engpass hat gegen die Nichtgültigkeitserklärung ihrer Initiative durch den Gemeinderat Beschwerde eingereicht. Diese ist derzeit beim Regierungsrat hängig. Laut Regierungsrat Dölf Biasotto wird diese Beschwerde unabhängig von den heute kommunizierten Entscheidungen behandelt. Als Vorsteher des Departement Bau und Volkswirtschaft trat er diesbezüglich aber in den Ausstand.

Keine Abstimmung

Der Tonfall hat sich geändert. Bisher war Regierungsrat Dölf Biasotto (Vorsteher Dep. Bau und Volkswirtschaft) beim Thema ODT in Teufen stets kooperativ aufgetreten und hat sich für einen basisdemokratischen Weg ausgesprochen. Anders heute. «Wir müssen verantwortungsbewusst handeln.» In diesem Fall bedeutet das: Die AB und der Kanton verlangen von der Gemeinde Teufen, die geplante Abstimmung vom 27. September über den Projektierungskredit für einen Tunnel und die Doppelspur (konsultativ) abzusagen. Die Legitimation dafür liefert die Tatsache, dass der Kanton Hauptbesteller der Regionalverkehrsleistungen der AB ist. «Wie Sie sich denken können, ist uns diese Entscheidung nicht leichtgefallen. Aber wir dürfen Teufen nicht über etwas abstimmen lassen, das nicht umsetzbar ist.» Auslöser dieser ungewohnten Vorgehensweise ist das Angebotskonzept 2035. Es löst seinen Namensvetter mit der Endung «2025» als Planungsinstrument für den Schweizer Schienenverkehr ab. Das für die AB entscheidende Dokument des Konzepts wurde am 30. März 2020 publik. Es enthält die Ankunfts- und Abfahrtszeiten des Fernverkehrs und der wichtigsten S-Bahnen. Für die AB sind zwei Fahrplanwechsel entscheidend: Dezember 2020 und 2034. «Unser Ziel ist es, ab 2035 die halbstündlichen Anschlüsse an die Züge von und nach Zürich anbieten zu können», sagt AB-Direktor Thomas Baumgartner. Möglich sei das aber nur mit einer Teufner Doppelspur-Lösung. Der Grund: Die Züge sind schneller und können flexibler kreuzen. «So müssen sie in St. Gallen nicht sofort los, wenn der von Teufen ankommt und umgekehrt muss der in Teufen auch nicht warten.» Diese Verbindungen bzw. die Fahrplansicherheit der Appenzeller Bahnen gewichten Appenzell Ausser- sowie Innerrhoden und St. Gallen höher als die Lokalinteressen von Teufen. «Deshalb haben die Kantone die AB mit der Ausarbeitung eines Fahrplan-Entwicklungskonzepts mit Ausrichtung auf das neue Angebotskonzept 2035 der SBB beauftragt», sagt Dölf Biasotto. Dieses Konzept bildet die Grundlage für den Entscheid, die Teufner Abstimmung zu stoppen. Noch wird das Doppelspur-Projekt aber nicht beim Bundesamt für Verkehr (BAV) eingereicht. Man will erst auf Nummer sicher gehen.

Definitive Entscheidung Anfang 2021

«Das Edikt hätte gestern freigegeben werden sollen. Es war in der Druckerei bereits angemeldet.» Auch Gemeindepräsident Reto Altherr wurde überrascht. In der ersten Sitzung nach den Ferien beschäftigte sich der Gemeinderat statt mit der 3. Lesung des Edikts mit dem Schreiben des Kantons, das ihm die Durchführung der Abstimmung untersagt. Keine aufbauenden Neuigkeiten: «Sie können sich die Gemütslage des Rats vorstellen. Wir haben alles versucht, die festgefahrene Situation zu lösen und hätten dem Stimmvolk nur zu gerne den Projektierungskredit unterbreitet.» Nun bleibt der Gemeinde nichts anderes übrig, als die neue Realität zu akzeptieren. Und dazu gehört: Eine Tunnellösung ist vorerst vom Tisch. Der definitive Entscheid soll aufgrund einer weiterführenden Studie gefällt werden, die die AB in Auftrag gegeben hat. Dabei wird die Fahrplan-Planung noch einmal intensiv geprüft, um Fehler zu verhindern. Über die Ergebnisse wird voraussichtlich Anfang 2021 informiert. Treten dabei keine massiven Fehler zutage, wird das Doppelspur-Projekt eingereicht. Und AB-Direktor Thomas Baumgartner erwartet keine Überraschungen: «Natürlich gehen wir davon aus, dass die Studie unsere Annahmen bestätigt. Sonst hätten wir die heute kommunizierten Schritte nicht unternommen.»

Nachgefragt bei Thomas Baumgartner


Herr Baumgartner, lassen Sie mich ketzerisch sein: Ist Ihnen der Kragen geplatzt?

Ich bin grundsätzlich ein geduldiger Mensch. Aber wenn ich die Argumentationen der Tunnelbefürworter in den letzten Monaten verfolgt habe, musste ich manchmal schon die Stirn runzeln. Teilweise werden übergeordnete Probleme und Realitäten einfach komplett ignoriert. Aber ich habe schon immer gesagt: Die Hauptfrage bei einem Tunnel ist die Finanzierung und …

… und Sie haben auch immer gesagt, dass Sie mit der Doppelspur eine grössere Fahrplansicherheit haben.

Richtig. Das war jeweils meine zweite Kernbotschaft.

Nun, Sie sagten, das entscheidende Dokument der Angebotskonzept 2035 sei Ende März erschienen. Warum erfolgt dieser Schritt erst jetzt?

Wir konnten mit unserer Angebots- bzw. Fahrplanplanung erst im Frühling 2020 beginnen. Das Konzept 2035 hätte eigentlich viel früher fertig sein müssen. Diese Verspätung hat sich auch auf uns ausgewirkt. Wir konnten erst wirklich planen, als wir die Ankunfts- und Abfahrtszeiten hatten. Davor waren wir «blind». Die Folge war, dass wir dem Kanton Mitte Juni unsere Erkenntnisse schicken konnten.

Lassen Sie mich noch einmal nachhaken: Sie wussten aber schon länger, dass eine Doppelspur mehr Sicherheit bringt als ein Tunnel. Und Fahrplanänderungen gibt es immer wieder. Warum also nicht von Anfang an dieser Weg?

Das stimmt, die Doppelspur gibt uns mehr Sicherheit. Aber weder wir von der AB noch der Kanton sind erpicht darauf, Teufen etwas aufzudiktieren, das nicht unbedingt nötig ist. Wir haben deshalb bewusst gewartet, bis wir ganz sicher waren, dass es ohne Doppelspur nicht geht.

Und der Kanton war sofort im Boot?

Ja. Es war allen Beteiligten schnell klar, dass eine Einspurbahn in Teufen keine Zukunftslösung ist. Das gilt auch für St. Gallen und Appenzell Innerrhoden. Mit einem Tunnelbau fixiert man die Streckenführung de facto auf 100 Jahre. Und wir hätten die Anschlüsse bereits im Jahr 2035 nicht mehr sicherstellen können.

Gehen wir davon aus, die Studie wird Ihre Einschätzung bestätigen und Sie reichen im kommenden Jahr das Doppelspur-Projekt ein. Wann wird gebaut?

Ich vermute, das Verfahren wird relativ lange dauern. Ich rechne nach wie vor mit vielen Einsprachen.  Sie werden das Projekt zwar nicht verhindern, dessen Umsetzung aber verzögern können.

Könnte es sein, dass für diese Zeit doch noch Sicherungsmassnahmen nötig werden?

Ich hoffe es nicht. Diese weiteren Bauarbeiten möchte ich der Teufner Bevölkerung wirklich nicht auch noch zumuten. Aber dafür sind wir natürlich auch auf die Unterstützung des Projekts Doppelspur angewiesen. Wird es ewig mit Einsprachen torpediert, müssen wir vielleicht doch noch nachrüsten.

Noch kurz zu Corona: Wie stark gingen die Passagierzahlen zurück?

Wir sind stark gestartet. Im Januar lagen die Zahlen noch deutlich über dem Vorjahr. Dann kam aber der Einbruch. Inklusive Juli liegen die Zahlen bisher rund 29 Prozent unter dem Vorjahr.

 

 

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