Bericht: Matthias Jäger
Demenz hat viele Gesichter. Allen Formen und Krankheitsstadien gemeinsam ist, dass sie nicht nur für die Betroffenen schwierig ist, sondern auch eine grosse Herausforderung für die Angehörigen. Diese müssen ihren eigenen Umgang mit der Krankheit finden. Das führt teilweise zu enormen Belastungen, wie am Themenabend des Forums Palliative Care am 10. November im Kirchgemeindehaus Hörli klar wurde.
Demenz sei eigentlich eine Krankheit der Angehörigen, meinte Präsident Peter Winzeler in seiner Einführung zum Themenabend. Dieser schloss an den Gemeindetag vom November 2015 im Zeughaus an. Er fokussierte auf die Angehörigen und ihren Informationsbedarf.
Der Krankheitsverlauf
Regula Rusconi von der Alzheimer Vereinigung führte die Zuhörer und Zuhörerinnen im vollen Saal kompetent ans Thema heran. Sie sprach vom Krankheitsverlauf, vom unaufhaltsamen Fortschreiten der Krankheit von einer leichten über eine mittelschwere bis hin zu einer schweren Demenz. Auch wenn sich die Krankheit typischerweise über einen Zeitraum von 6-10 Jahren entwickelt, ist der Verlauf nicht vorhersehbar, und es gibt grosse individuelle Unterschiede. Bei einer leichten Demenz ist selbstständiges Leben mit punktueller Unterstützung noch möglich. Bei einer mittelschweren Demenz geht die Fähigkeit verloren, so komplexe Tätigkeiten wie z.B. Kochen verrichten zu können. Trotzdem ist Selbstständigkeit auch in dieser Phase noch teilweise möglich. Erst eine schwere Demenz führt zur umfassenden Pflegebedürftigkeit.
In der öffentlichen Wahrnehmung gehören Demenz und Pflegeheime oft zusammen. Aber weil die Krankheit so viele Gesichter und einen langsamen Verlauf hat, braucht es eben nicht nur Heime, sondern in unterschiedlichen Phasen ganz unterschiedliche Unterstützungsleistungen. Dazu gehören vor allem auch niederschwellige Angebote für die frühen Krankheitsphasen, und Angebote zur Unterstützung und Entlastung von Angehörigen.
Eine Anlaufstelle
Viele Angebote existieren bereits, aber es sind nicht überall dieselben. Für Aussenstehende ist nicht immer einfach zu durchschauen, wer wo was anbietet. Auf diesem Hintergrund richtete die Pro Senectute AR in Zusammenarbeit mit der Alzheimer Vereinigung 2016 die Informationsstelle Demenz ein. Diese ist bei Fragen rund um das Thema Demenz die erste Anlaufstelle. Entweder berät sie selber, oder sie weist Ratsuchende an entsprechende Fachstellen weiter.
Fehlende Tagesstrukturen
Jacqueline Gavrani ist Leiterin dieser Informationsstelle. Sie gab einen Überblick über das existierende Angebot. Dabei sind die Grundangebote wie Spitex und Mahlzeitendienst weitherum bekannt. Diese sind auch flächendeckend zugänglich.
Dasselbe lässt sich von Tagesstätten noch nicht sagen. In Appenzell Ausserrhoden haben das erst die Häuser in Urnäsch, Trogen und Herisau im Angebot. Der Verein mosa!k hat sich das Ziel gesetzt, im Raum SG/AR schrittweise ein Angebot an Tagesstrukturen aufzubauen.
Angehörige nicht vergessen
Jacqueline Gavrani legt Angehörigen besonders ans Herz, auch ihrer eigenen Gesundheit Sorge zu tragen. Bei Überforderung drohe das ganze Unterstützungssystem auseinanderzubrechen. Hilfreich sind Ferien ohne die erkrankte Person, Gesprächsgruppen und Kurse. Die Memory Clinic St. Gallen bietet 3-4 tägige Kurse für Angehörige von Demenzkranken an.
Versicherungsfragen
In Bezug auf die Finanzierung hebt die Referentin hervor, dass grundsätzlich nur die Pflegeleistungen der Spitex über die Krankenkasse abgerechnet werden können. Weitere Leistungen wie Betreuung oder Haushalthilfe finanziert die Krankenkasse nur mit entsprechenden Zusatzversicherungen. Bei Tagesstätten finanziert die Krankenkasse über die Grundversicherung nur den Pflegeanteil. Weitere Kosten übernimmt sie nur mit spezifischer Zusatzversicherung.
Anders sieht es bei Betroffenen mit Anspruch auf Ergänzungsleistungen aus. Je nach Situation können im Einzelfall auch Betreuungskosten durch die Spitex, Haushalthilfen, Tagesstätten, Entlastungsdienste oder Ferienaufenthalte in Pflegeheimen finanziert werden. Demenz führt in fortgeschrittenen Stadien oft zum Anspruch auf Hilflosenentschädigung durch die Sozialversicherung. Im Unterschied zu Ergänzungsleistungen besteht ein solcher Anspruch unabhängig von Einkommen und Vermögen.
Juristische Fragen
Mit dem neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht bekommen Vollmachten und Vorsorgeaufträge eine wichtige Bedeutung. Wer das rechtzeitige Erteilen von Vollmachten verpasst, kann das später nicht mehr nachholen. Dasselbe gilt für Vorsorgeaufträge, die festlegen, wer im Fall einer Handlungsunfähigkeit die Verantwortung übernehmen soll. Liegen keine solche Dokumente vor, muss zwingend die Kesb die notwendigen Entscheide fällen und Beistandschaften errichten.
Der Abend schloss mit dem Dank des Präsidenten an die Referentinnen, die Arbeitsgruppe Event unter Leitung von Astrid Graf, an die Evangelische Kirchgemeinde für die Gastfreundschaft, mit einem Lied von Richi Lusti und mit einem Apéro.
„Er wurde alt und vergass….“
Der Sänger und Gitarrist Richi Lusti aus Rehetobel umrahmte den Abend mit Liedern und Gedichten: Er wurde alt und vergaß was ist. Er wurde alt und wusste nur noch was früher war. Er wurde alt und vergaß was früher gewesen. Er wurde alt und vergaß vorgestern sich selbst. Er wurde jung jetzt, da er auch das Vergessen vergaß. Kurt MartiWeitere Informationen zum Thema
- Infostelle Demenz AR: Tel. 071 890 03 82 (Bürozeiten), www.ar.pro-senectute.ch/de/infothek/infostelle-demenz.html
- Alzheimer Vereinigung: www.alzsga.ch/
- Memory Clinic St. Gallen: www.gesundheitundalter.ch/Home/GeriatrischeKlinik/MemoryClinic
- Verein mosa!k: www.mosaik-demenz.ch
- Verein Palliative Care Teufen: www.forum-palliative-care-teufen.ch