Die Lastwagen waren das Kapital der Guyer-Fuhrhalterei. Kurz nach der Jahrhundertwende war ihr Anblick noch eine Seltenheit. Foto: zVg
Der Startschuss fiel noch im alten Jahr: Die Heidi und Paul Guyer-Stiftung hat ihre Tätigkeit aufgenommen. Die Stiftung verwaltet ein Vermögen von rund 7 Mio. Franken und kann pro Jahr Förderbeiträge in Höhe von bis zu 150‘000 Franken sprechen. Einfach zu verteilen werden diese «Finanz-Geschenke» aber nicht. Denn der Stiftungszweck gibt die Verwendung sehr detailliert vor – inkl. geographischer Begrenzung
Es hat fast 30 Jahre gedauert. Die Gründungsurkunde der Heidi und Paul Guyer-Stiftung wurde am 21. Juli 1992 unterschrieben. Damals betrug das Stiftungskapital nur 5000 Franken. Zu ihrem «Vermögen» von heute rund 7 Mio. Franken kam die Stiftung erst, als Heidi Guyer im Jahr 2015 mit 92 Jahren verstarb. Die Überführung ihres Nachlasses entpuppte sich allerdings als komplexe Aufgabe. Auch, weil ein Teil davon an den ehemaligen Gemeindepräsidenten gehen sollte (mehr dazu lesen Sie hier). Dieser verzichtete zwar schliesslich vollständig. Trotzdem gab es im Nachgang einige juristische Fragen zu klären. «Die Ausserrhoder Stiftungsaufsicht schaltete sich ein und gab uns den Auftrag, alle Dokumente zu überprüfen bzw. die Vermögenswerte zu überführen. Das braucht Zeit. Schliesslich ist das Vermögen der Stiftung nun um ein Tausendfaches höher als noch bei der Gründung.» Das sagte Peter Rösler bei der heutigen Medienkonferenz. Er ist Anwalt, Spezialist für Stiftungsrecht, war Sachverwalter und ist nun Geschäftsführer der Heidi und Paul Guyer-Stiftung. Er ist damit Teil des sechsköpfigen Stiftungsrats. Präsidiert wird dieser amtshalber von Gemeindepräsident Reto Altherr. «Bei der Stiftungsgründung sah man den Gemeinderat als Stiftungsrat vor. Wir kamen aber rasch zum Schluss, dass das im Hinblick auf ‘good governance’ wenig zielführend ist», erklärt er. Ausser ihm sitzt deshalb vom Gemeinderat nur noch Urs Spielmann (Finanzen) im Gremium. Dazu kommen der ehemalige Landammann Hans Höhener, die Zentrumsleiterin der Reha Lutzenberg Monica Sittaro und die Anwältin Nadine Osterwalder (Vize-Präsidentin). Diese sechs Personen werden über die Verteilung des jährlichen Förderbudgets von rund 150‘000 Franken entscheiden. Einfach wird das allerdings nicht.
Der Stiftungsrat (von links): Urs Spielmann (Finanzunternehmer und Gemeinderat), Präsident Reto Altherr (Gemeindepräsident), Nadine Osterwalder (Anwältin), Monica Sittaro (Zentrumsleiterin Reha Lutzenberg), Hans Höhener (ehem. Landammann) und Geschäftsführer Peter Rösler (Anwalt). Foto: tiz
Teufner Bezug
«Die Vorgaben sind klar. Als Stiftungsrat werden wir uns daran halten. Aber es kann schon sein, dass es nicht leicht wird, das Geld unter die Leute zu bringen.» Nadine Osterwalder antwortet auf die Frage, wie streng der Stiftungszweck interpretiert werden muss. Insbesondere die geographische Beschränkung auf das Teufner Gemeindegebiet könnte eine Herausforderung darstellen. «Es wird sich zeigen, wie viele passende Projekte eingereicht werden. Der starke Teufner Bezug muss aber auf jeden Fall gegeben sein.» Die Heidi und Paul Guyer-Stiftung bezweckt die Förderung allgemein wohltätiger Zwecke; die Unterstützung von Tier-, Natur- und Heimatschutz; die Finanzierung und Errichtung, Pflege und den Unterhalt von Erholungsgebieten sowie die Erstellung von Bauten und Anlagen im öffentlichen Interesse für Gemeindeprojekte im Sozial-, Alters-, Gesundheits-, Kultur- und Sportbereich. Nicht erlaubt wären der Bau oder die Vermietung von Wohnungen. «Man sieht: Das Korsett ist ziemlich eng», sagt Reto Altherr. Klar sei auch: Die Stiftung unterstützt nur neue Anliegen. Gesprochen werden dafür grundsätzlich keine wiederkehrenden, sondern einmalige Beiträge. «Wir fokussieren uns auf Projekte, die einen Start und ein Ende haben.» Dafür können rund 150’000 Franken pro Jahr aufgewendet werden. Diese Zahl ergibt sich aus dem Grundsatz des Kapitalerhalts. Das bedeutet: Die Stiftung gibt nur so viel aus, wie sie mit ihrem Vermögen wieder erwirtschaften kann. Im Sinne der Transparenz sollen die Jahreszahlen jeweils auf der Website der Stiftung veröffentlicht werden.
«Einige Gesuche sind bereits eingegangen. Noch ist aber nichts gesprochen», sagt Reto Altherr. Wer sich um einen Stiftungsbeitrag bewerben will, muss ein schriftliches Gesuch mit den nötigen Informationen zu Gesuchsteller, einem Projektbeschrieb, Ausführungen zu Bedeutung und Ziel des Anliegens und einem konkreten Zeitplan sowie den zu erwartenden Kosten einreichen.
Die «Guyers»
Die Erfolgsgeschichte der Guyers beginnt mit Eduard Guyer, Vater von Stiftungsgründer Paul Guyer. Der gelernte Küfer gründete um 1900 mit einem Geschäftspartner eine Weinhandlung in St. Gallen. Zum Transport der schweren Wein- und Spirituosenfässer investierten sie auch in eine Fuhrhalterei. Das Unternehmen war eines der ersten, das bereits kurz nach der Jahrhundertwende über eigene Lastwagen verfügte. Auch deshalb etablierte es sich in der Region als wichtiger Logistikpartner – sogar als offizielle Camionage der SBB. Im Jahr 1946 wurde die Kommanditgesellschaft «Guyer & Schelling» in eine AG überführt, die dann wiederum mitsamt Lastwagen-Flotte an Ruckstuhl Transporte verkauft wurde. Eduard Guyer hatte drei Söhne: Hans, Eduard jun. und Paul. Letzterer übernahm 1956 die Weinhandlung und führte sie bis 1961. Danach wechselte er zu den Saurer Werken, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1984 (er wurde nur 58 Jahre alt) arbeitete. Er und seine Frau Heidi zogen 1962 nach Teufen. Heidi Guyer lebte bis zu ihrem Tod im hohen Alter von 92 Jahren hier. tiz
Hinweis: Die historischen Fotos stammen aus der Sammlung von Ruckstuhl Transporte und dem privaten Archiv eines Guyer-Neffen. Mehr Fotos finden Sie auf der Website der Stiftung.