Timo Züst
Der Abend war mit Spannung erwartet worden: Nach einem Jahr wieder einmal eine Gesamtschau zum Thema Ortsdurchfahrt Teufen. Eingeladen hatten die Appenzeller Bahnen (AB). Mit dabei waren die Gemeinde und der Kanton. Aber es war der Moderator, Hanspeter Spörri, der sich die Freiheit nahm das Wort des Abends zu küren: Komplexität.
Das Gesamtprojekt Ortsdurchfahrt Teufen mit seinen drei Teilprojekten hat diesen Titel verdient. Aber das „Wort des Abends“ war nicht das einzige Schlagwort. Deshalb – und um die Info-Ladung etwas verdaulicher zu machen – entschied sich die TP für ein Schlagwort-Glossar. Und natürlich startet es mit …
… Komplexität
Das beginnt schon bei den eigentlich sonst so klaren Begriffen: Bauherrschaft, Projektleitung, Investor. Thomas Baumgartner, Direktor der AB, versuchte etwas Licht in die Organisation des Projekts Ortsdurchfahrt zu bringen. Die wichtigsten Rollen fallen dem Bund, dem Kanton, der Gemeinde und der Bahn zu. Der Bund ist gleichzeitig Bewilligungsinstanz und der grösste Financier des Projekts. Das heisst: Er hat das Sagen. Der Kanton bestellt die öV-Leistung, ihm gehört die Strasse und er erteilt der AB die Konzession. Er ist also auch ziemlich wichtig. Die AB hat viele Rollen. Sie stemmt einen Teil der Finanzierung, plant, baut und betreibt im Auftrag von Bund und Kanton die Eisenbahn. Und die Gemeinde? Sie kümmert sich hauptsächlich um die Dorfgestaltung (rund um den Dorfplatz).
Aber nicht nur die Rollenverteilung ist komplex. Auch das Projekt selbst. Es wurde nämlich in drei Teilprojekte unterteilt: „Bahnhof Teufen“, der Kreisel bzw. „Bahnhofkreuzung“ und die Doppelspur bzw. „Dorfzentrum-Stofel“. Alle von ihnen befinden sich in einer anderen Realisierungsphase. Bei allen gibt es noch offene Fragen zu klären. Und alle sind ganz anders.
Verzögerung
Ein Begriff, der im Lindensaal Kritiker, Planer und Befürworter geeint hat: Niemand mag Verzögerungen. Und eigentlich wäre nach der Ablehnung des Kurztunnels im Jahr 2017 ja alles klar gewesen. Denn, so erklärt es Roland Steingruber (Leiter Infrastruktur bei der AB), zwar hat die betroffene Gemeinde in einem sogenannten Plangenehmigungsverfahren (PGV) nach Eisenbahngesetz (EBG) die Möglichkeit, eine Alternative zu präsentieren. Im Fall von Teufen wäre das der Tunnel anstelle der Doppelspur gewesen. Wird diese aber abgelehnt bzw. nicht projektiert, kommt die ursprüngliche Variante zum Zug. Also die Doppelspur. Wenn alles klar ist, warum wird noch nicht gebaut? Dafür gibt es verschiedene Gründe. Entweder ist die Planung wegen einer nötigen Anpassung noch nicht so weit wie gewünscht (Dorfzentrum-Stofel), man wartet auf das die definitive Zusage aus Bern (Bahnhof Teufen) oder es gibt noch Einsprachen zu bereinigen (Bahnhofkreuzung). Der Einfachheit halber deshalb hier eine Jahresübersicht. Wichtig: Sie entspricht den heutigen Annahmen der AB und kann sich noch ändern.
2019
Im Idealfall kommt in den nächsten Wochen die Zusage aus Bern. Dann beginnen die AB Anfang März mit den ersten Arbeiten beim Bahnhof. Das ist wichtig, weil am 11. August das Stellwerk vom „Siemens“ in Betrieb genommen werden soll. Das funktioniert nur mit der nötigen Vorlaufzeit. Verfehlen die AB diesen Termin, müssen sie möglicherweise ein halbes Jahr auf den nächsten Siemens-Termin warten. Klappt es mit dem August-Termin würde der Bahnhof noch im 2019 abgeschlossen. Ausserdem soll 2019 noch folgendes passieren: Auflage des Teilprojekts Dorfzentrum-Stofel (vor den Sommerferien), Start des Plangenehmigungsverfahrens für das Dorfzentrum und falls möglich die Bereinigung der Einsprachen bei der Bahnhofkreuzung inklusive erster Vorarbeiten.
2020
Das Jahr des Bahnhofkreisels. Hier sollen die Hauptarbeiten stattfinden – inklusive Verschiebung der Liegenschaft Dorf 18. Das Plangenehmigungsverfahren für das Dorfzentrum wird sich laut Einschätzung der AB durch das ganze 2020 und Teile von 2021 ziehen.
2021
Ein ruhiges Jahr. Bis auf die Verhandlungen im Rahmen des – genau – Plangenehmigungsverfahrens.
2022, 2023 und 2024
In diesen drei Jahren soll die Doppelspur bzw. das Teilprojekt Dorfzentrum-Stofel umgesetzt werden. Dazu wird es in zwei Bausaisons eingeteilt. Die intensivere ist die zweite. Dabei soll es laut Gesamtprojektleiter Arthur Hitz zu einem fünfmonatigen Unterbruch des Bahnverkehrs mit Busersatz kommen. Ausserdem wird 2023 auch noch einmal Hand an den Kreisel gelegt. Das ist nötig, weil er noch auf die Doppelspur nach- bzw. umgerüstet werden muss.
Kosten
Zwar hatte Thomas Baumgartner mit der Anspielung auf den erfolgreich abgeschlossenen Ruckhaldetunnel „ein Tunnel kann auch günstiger werden als gedacht“ versucht, die Stimmung etwas aufzulockern. So wirklich gelang es ihm aber nicht. Ein Grund dafür waren die revidierten Gesamtkosten. Die drei Teilprojekte sollen insgesamt 53,3 Millionen Franken kosten. Die Aufteilung: 15,14 Mio. Franken für den Bahnhof (Kanton 0,55 Mio. / Gemeinde 0,67 Mio.), 4,34 Franken für den Kreisel (Kanton 2,05 Mio. / Gemeinde 0,7 Mio.), 1,66 Mio. Franken für die Verschiebung von «Dorf 18» (genaue Aufteilung noch unklar) und 32,16 Mio. Franken für Doppelspur bzw. Dorfzentrum-Stofel (genaue Aufteilung noch unklar). Diese Gesamtsumme sorgte für Unmut im Saal. Das deshalb, weil im Jahr 2017 noch von 36,8 Mio. Franken die Rede war. AB-Infrastrukturleiter Roland Steingruber erklärte die Differenz mit einer langen Liste nachträglich eingefügter Projektelemente: Technikgebäude beim Bahnhof, Zugang Ost, Kreiselbau in zwei Etappen, Verlängerung der Doppelspur (musste aus geometrischen Gründen vom Stofel weiter in Richtung Niederteufen verlängert werden) und die Verschiebung von „Dorf 18“.
Gewerbe
Wie wenig das Teufner Gewerbe von der Doppelspur hält, hat sie kürzlich mit der Publikation der Medienmitteilung „Doppelspur Teufen – Halt auf Verlangen“ unterstrichen. Entsprechend oft erwähnten die AB-Vertreter auch, dass bei der Bauplanung sehr grossen Wert auf das Sicherstellen der Zufahrt zu den Gewerbeliegenschaften gelegt werde. Aber Gesamtleiter Arthur Hitz betrieb keine Augenwischerei: „Ja, es wird während des Baus der Doppelspur zu Einschränkungen kommen. Das wollen wir gar nicht klein reden. Es wird Einbahnlösungen brauchen, Umwege müssen gefahren werden. Mal dort durch, dann wieder andersrum. Das wird wild aussehen.“ Er versprach aber, dass das Gewerbe auch während der Bauphase angehört würde. „Beim Bau des Bahnhofs Stadelhofen haben wir mit einem Baustellen-Kaffee gute Erfahrungen gemacht.“ Übrigens: Gearbeitet werden soll von 6 bis 22 Uhr, in zwei Schichten, von Montag bis Samstag. So halte man die Bauzeit so kurz wie möglich.
Marschhalt
Es war der FDP-Kantonsrat Urs Alder, der den Begriff während der Fragerunde ins Spiel brachte. „Das Projekt hat eine solche Komplexität angenommen, dass Teufen das nicht bewältigen kann.“ Ausserdem stosse man bereits jetzt überall auf Widerstand. Das gebe keine „gfreuti Sach“. Deshalb forderte er einen Marschhalt. Für rund zehn Jahre. Währenddessen könne eine Kosten-Nutzen-Analyse gemacht werden. Er erntete Applaus. Weniger erfreut war Regierungsrat Dölf Biasotto. „Die Doppelspur in Teufen ist ein ganz wesentliches Element der Durchmesserlinie. Und steht im Regierungsprogramm ganz oben. Einen Marschhalt – das muss vollkommen klar sein – gibt es nicht.“
Tunnel
Auf den Marschhalt folgt der Tunnel. Auf der einen Seite (Zuhörer) wurde eine erneute Abstimmung mit dem jetzigen Hintergrundwissen gefordert. Auf der anderen (Kanton & AB) wurde auf die beiden ablehnenden Abstimmungen verwiesen. Der Ball flog hin und her. Die Ausgangslage blieb gleich.
Einsprachen
Selten melden sich Einsprecher an einer öffentlichen Versammlung zu Wort. Hier waren es gleich drei. Köbi Brunschwiler und Jeannette Eisenhut sind Urheber von zwei der drei hängigen Einsprachen gegen den Bahnhofkreisel und sagten: Wir sind nicht der Grund für die Verzögerung. Man sei bereit, die Einigung zu unterzeichnen. Man warte bloss auf Post. AB-Direktor Thomas Baumgartner gab den Ball weiter: „Auch wir warten. Solche Verfahren brauchen einfach ihre Zeit.“ Der dritte Einsprecher ist die Gemeinde. Sie kämpft für einen direkten Fussgängerzugang von der Ostseite. Präsident Reto Altherr betonte noch einmal, dass es dem Gemeinderat um die Volksbedürfnisse gehe.