Das reiche Teufen

06.11.2021 | Timo Züst
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Vor drei Wochen hat die Gemeinde verkündet: Uns geht es finanziell so gut wie eh und je. Für 2022 rechnet sie mit einem Überschuss – und das trotz einer vorgeschlagenen Steuerfussreduktion. Die TP hat darüber mit Gemeinderat Urs Spielmann (Ressort Finanzen) gesprochen. Hinweis: Die öffentliche Informationsveranstaltung findet kommenden Mittwoch statt. Herr Spielmann, Sie sagten uns bereits in einem Gespräch im Sommer 2020: Eine Steuererhöhung stehe nicht zur Diskussion. Corona kommt wohl nicht gegen Teufens Reichtum an … Die Corona-Pandemie ist auch ohnedies in jeder Hinsicht schlimm genug. Trotzdem: Ist eine weitere Reduktion des Steuerfusses (zuletzt 2019 auf 2,8 / jetzt auf 2,7) die richtige Entscheidung? Die mittel- und längerfristigen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind nach wie vor schwer abzuschätzen. Das trifft voll und ganz zu. Trotzdem halten wir eine Reduktion des Steuerfusses um 0.1 Einheiten aus mehreren Gründen für angezeigt und vertretbar. Erstens konnte im Jahr 2020 ein erfreulicher Ertragsüberschuss und eine Vorfinanzierung über CHF 3 Mio. für das neue Sekundarschulhaus gebildet werden. Zweitens rechnet die kantonale Steuerverwaltung auch für das kommende Jahr trotz Corona-Pandemie nicht mit wesentlichen Steuerrückgängen. Und drittens lässt die gesunde finanzielle Situation und namentlich das hohe Eigenkapital einen solchen Schritt als angezeigt erscheinen Das im Jahr 2022 trotz tieferen Steuereinnahmen, hohen Investitionen und einem Verlust von 1.81 Mio. Franken auf operativer Ebene trotzdem ein kleiner Überschuss (+ 0.08 Mio. Franken) resultieren soll, hat mit Zusatzabschreibungen zu tun. Was ist das eigentlich? Und was bedeutet deren «Auflösung»? Als «zusätzlich» werden Abschreibungen bezeichnet, die über die ordentlichen, planmässigen Abschreibungen hinausgehen. Aufgrund der guten Ergebnisse in den letzten Jahren konnten wir derartige Abschreibungen vornehmen. Damit haben wir uns ein finanzielles Polster geschaffen. Auf dieses können wir in allfällig schlechteren Jahren zurückgreifen, indem wir derartige Zusatzabschreibungen auflösen. Diese werden in der zweiten Stufe der Erfolgsrechnung ausgewiesen und beeinflussen die erste Stufe nicht. Anders gesagt: Das sind buchhalterische Reserven. Hat die Gemeinde Teufen davon noch mehr? Wie hoch ist das Eigenkapital heute? Die Bilanz per 31.12.2020 weist nebst dem Jahresgewinn von 260‘000 Franken ein Eigenkapital von knapp 38.25 Mio. CHF aus. Das ist unzweifelhaft ein sehr hoher Betrag und auch die Folge soliden Haushaltens in der Vergangenheit. Man sollte den hohen absoluten Wert allerdings auch im Verhältnis zum Gesamtkapital beurteilen: In dieser Hinsicht rangieren wir mit einem Wert von etwas über 60 Prozent an sechster Stelle aller Gemeinden im Kanton. Sie rechnen nicht nur bei den Investitionen mit höheren Ausgaben. Besonders auffallend: Der Transferaufwand soll wieder um rund 0.46 Mio. Franken steigen. Bereits 2020 hatte er um über 1.1 Mio. Franken zugenommen. Wird diese Position in den nächsten Jahren immer grösser? Es handelt sich beim Transferaufwand um Beiträge an Kanton, Gemeinden und Zweckverbände. Etliche dieser Aufwendungen können wir nur sehr bedingt beeinflussen. Sie erwähnen aber zu Recht, dass der Transferaufwand in den letzten Jahren zugenommen hat. Das ist zum einen höheren Entschädigungen an öffentliche Gemeinwesen geschuldet (z.B. für den öffentlichen Verkehr oder für das Asyl- und Flüchtlingswesen). Zum anderen steigen tendenziell auch die Beiträge an Sonderschulen oder Bibliotheken. Sodann haben auch unsere Zahlungen in den Finanzausgleich zugenommen. In Bezug auf die erwartete Steigerung im kommenden Jahr ist insbesondere der vorgesehene Denkmalpflegebeitrag über 255‘000 Franken an das Kloster Wonnenstein für die Renovation der Kirche zu nennen. Dieser Beschluss untersteht dem fakultativen Referendum. Am 28. November stimmen wir auch über die Pflegeinitiative ab. Egal, ob Initiative oder Gegenvorschlag: Ich vermute, die Gemeinde muss auch in den kommenden Jahren mit steigenden Pflegekosten rechnen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Kosten in der stationären Pflege von verschiedenen Kostenträgern getragen werden. Den Gemeinden kommt dabei die Aufgabe zu, den durch die versicherten Personen und die Sozialversicherungen nicht gedeckten Anteil zu übernehmen. Wie hoch diese Kosten ausfallen, hängt demzufolge vor allem von der Anzahl Personen mit Wohnsitz Teufen ab, die in einem Pflegeheim leben. Auch die «Soziale Sicherheit» und die «Übrige Fürsorge» steigen tendenziell. Das, während Teufens Finanzreserven stetig wachsen. Zeigt sich hier der Wohlstands-Graben? Es scheint mir etwas gewagt, allein aufgrund der Entwicklung der von Ihnen genannten Aufwandpositionen einen derartigen Zusammenhang anzunehmen. Der Aufwand für die soziale Sicherheit war beispielsweise im Jahr 2020 nicht höher als im Jahr 2018. Zutreffend ist, dass wir im Vergleich zu diesen Jahren im Voranschlag 2022 mit erhöhten Kosten rechnen. Das ist im Bereich der sozialen Sicherheit vor allem auf höher veranschlagte Aufwendungen für das Asyl- und Flüchtlingswesen zurückzuführen. In Bezug auf die übrige Fürsorge liegen die budgetierten Aufwendungen für 2022 sogar leicht unter dem entsprechenden Wert im Jahr 2020.       Ein weiterer Graben ist beim Finanzausgleich sichtbar: Besonders im Vergleich zwischen der Gemeinde mit dem tiefsten Steuerfuss (Teufen) und jener mit dem höchsten (Hundwil). Im Kantonsrat wird deshalb über einen „Systemwechsel” debattiert. Wird Teufen mit dem neuen Finanzausgleichsgesetz (ab 2025) vielleicht noch viel mehr abgeben müssen? Zu dieser Frage kann ich Ihnen eine klare Antwort geben: Ja, nach heutigem Stand der Dinge werden wir voraussichtlich ab dem Jahr 2025 nochmals deutlich höhere Zahlungen in den Finanzausgleich leisten müssen. Ist das in Anbetracht des finanziellen Übergewichts von Teufen innerhalb des Kantons der richtige Weg? Teufen stellt immerhin über 40 Prozent des gesamten Finanztopfs. Und inwiefern kann die Gemeinde da mitreden? Zu Ihrem letzten Punkt: Mitreden können unsere Teufener Vertreterinnen und Vertreter im Kantonsrat. Dort wird schlussendlich der Entscheid über das künftige Gesetz betreffend den Finanzausgleich gefällt werden. Sie sprechen sodann die hohe Last an, die wir im Finanzausgleich zu tragen haben. Es ist in der Tat besorgniserregend, dass in kaum einem anderen Kanton eine einzige Gemeinde einen derart grossen Anteil am Finanzausgleich zu schultern hat. Auch die Idee eines Ausserrhodens mit nur vier Gemeinden (Gemeinde Mittelland) wird weiterhin diskutiert. Das ist zwar bloss eine ferne Zukunftsvision. Aber nehmen wir mal an, es würde zum Zusammenschluss kommen. Was wäre Ihr Ansatz für die Festlegung des Steuersatzes im Mittelland? Wie Sie richtig sagen, ist diese Idee mit nur vier Gemeinden momentan eine Option unteren mehreren. Die Kantonsregierung hat modellhafte Berechnungen zum Steuerfuss bei den fusionierten Gemeinden vorgenommen. Je nachdem ob die Fusion Spareffekte mit sich bringt oder nicht, ist gemäss diesen Berechnungen für eine fusionierte Gemeinde Mittelland mit einem Steuerfuss in der Grössenordnung von 3.10 bis 3.26 Einheiten zu rechnen. Wenn diese Berechnungen zutreffen, dann entspräche dies also gegenüber unserer heutigen Situation einer happigen Steuererhöhung. Würde Teufen dann nicht wichtige Einzahler verlieren? Auf diese Frage kann ich Ihnen ehrlicherweise keine klare Antwort geben, weil dies jede und jeder Steuerpflichtige für sich selbst entscheiden müsste. Aber klar ist auch, dass mir die Aussicht auf eine derartige Steuererhöhung Sorgen bereitet. Die Gemeindebehörden haben sich mit der bisherigen Finanzpolitik immer bemüht, nebst anderen wichtigen Rahmenbedingungen (z.B. Infrastruktur) auch im Steuerbereich wettbewerbsfähig zu bleiben. Es ist jedenfalls klar, dass der Wohnsitzverbleib von gewichtigen Steuerzahlern für den künftigen Entwicklungsspielraum der Gemeinde von massgeblicher Bedeutung ist. Noch einmal zurück zum Budget 2021: Es soll auch kräftig investiert werden (fast 20 Mio. Franken). Grösste Positionen sind die neue Sek (11.89 Mio. Franken) und der Anschluss an die ARA Au (2.10 Mio. Franken). Dabei handelt es sich um Projekte mit jahrelanger Vorlaufzeit. Etwas provokant gefragt: Sollte eine Gemeinde mit der Finanzkraft Teufens nicht noch deutlich mehr neue und zukunftsorientierte Projekte anstreben? Sie erwähnen zu Recht die beiden grössten Projekte im nächsten Jahr, die zusammen rund 14 Mio. Franken ausmachen werden. Der Voranschlag 2022 beläuft sich aber auf Nettoinvestitionen in der Gesamthöhe von fast 20 Mio. Franken Mit anderen Worten: nebst den von Ihnen genannten Grossprojekten sind nochmals 6 Mio. Franken für weitere Projekte vorgesehen. Darunter finden sich weitere zukunftsorientierte Projekte wie die Erschliessung der Aussengebiete mit Glasfaser oder der Fernwärmeverbund Landhaus, um nur zwei weitere Vorhaben zu nennen. In diesem Zusammenhang darf ich auch darauf hinweisen, dass sich die Schweizerische Handelszeitung vor Kurzem bei unserem Gemeindepräsidenten gemeldet hat, weil sie Teufen in einem Ranking zur attraktivsten Gemeinde in der Ostschweiz erkoren hat. Im Urteil der Zeitung verfügen wir über eine ausgezeichnete Infrastruktur. Zum Abschluss noch eine Zukunftsfrage: Für 2020 gingen Sie von einem Überschuss von 17‘300 Franken (vor Ergebnisverwendung) aus. Am Ende resultierte ein Plus von 3.74 Mio. Franken. Ein Traumergebnis, das sich seit Jahren wiederholt. Wird es ewig so weitergehen? Wird Teufen einfach immer reicher? Eine solche, etwas hochtrabende Annahme zu treffen, würde meinem Naturell gänzlich widersprechen. Ein perpetuum mobile gibt es nicht. Das trifft auf die Ökonomie genauso zu wie auf die Physik. Wir gehen sehr gut gerüstet in die Zukunft, das stimmt. Wir müssen aber der weiteren Entwicklung weiterhin Sorge tragen und jeden Tag unser Bestes geben.

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