
Seit 60 Jahren führt Teufen eine Debatte über die Lösung für die Verkehrsprobleme im Dorf. Neben einem Ersatz der Bahn durch einen Busbetrieb wurde auch immer wieder über ganz verschiedene Tunnelvarianten diskutiert. Am 18. Januar 2015 wird diese Debatte vermutlich für immer respektive für die nächsten Jahrzehnte abgehakt.
Thomas Fuchs
Die Ende September 1889 eröffnete «Appenzeller Strassenbahn» von St. Gallen nach Gais nutzte, wie ihr Name sagt, wo immer möglich die bestehende, damals von Fussgängern, Reitern, Fuhrwerken und Radfahrern frequentierte Staatsstrasse. Einzig die Stadt St. Gallen erlaubte dies nicht. Es war die erste Bahn in der Schweiz, die auf diese Weise die Kosten für den Bau eines eigenen Trassees einsparte.
Mit dem nach 1900 einsetzenden Autoverkehr bahnten sich dann allerdings Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern an, die absehbar machten, dass irgendwann neue Lösungen gesucht werden müssen. Pièce de résistance bei den folgenden Sanierungen blieb bis heute die Situation im Dorf Teufen.
Busersatz bereits 1928 diskutiert?
Ein erstes Gutachten zur Umstellung von Bahn- auf Busbetrieb erstellte 1928 Ingenieur Robert Hohl aus Kilchberg. Er kam zu einem positiven Befund. Sein Konzept sah den Ersatz der Züge durch elf Busse mit 30 Sitzplätzen und fünf Lastwagen mit einer Ladekapazität von 5 Tonnen sowie diverse Anhänger für den damals noch sehr wichtigen Gütertransport vor. Die LKWs sollten an den Wochenenden dank aufsetzbaren Karosserien ebenfalls als Busse eingesetzt werden können.
Die Frage «Bahn oder Bus … das ist hier die Nuss» erregte die Gemüter heftig.
Die Bahndirektion war jedoch nicht überzeugt davon, auf diese Weise die Frequenzspitzen der Wochenende und Schulferien bewältigen zu können. Sie entschied sich für die Elektrifizierung, welche im Januar 1931 abgeschlossen werden konnte. Aus der «Appenzeller Strassenbahn» (ASt) wurde die «Elektrische Bahn St. Gallen-Gais-Appenzell» (SGA).

Ernsthafter stand die Umstellung auf Busbetrieb, einem gesamtschweizerischen Trend folgend, in den 1960er-Jahren zur Debatte. Der rasch zunehmende Autoverkehr führte an neuralgischen Stellen, insbesondere im Dorf Teufen und in der Lustmühle, zu unhaltbaren Zuständen. Die Frage «Bahn oder Bus … das ist hier die Nuss» erregte die Gemüter heftig.
Der Arbeitsgemeinschaft der Busfreunde gelang es, ihr Anliegen bis ins Bundeshaus zu bringen. Dies bewog Bahnbefürworter im November 1970 zur Lancierung einer Unterschriftensammlung, um Druck auf die zögerlich agierende Kantonsregierung zu machen. Binnen Monatsfrist kamen 572 Unterschriften zusammen.
Bahnverlegung nach Süden oder Norden?
Als Alternative zu einer Sanierung der Bahnstrecke und zum Busersatz wurde in den frühen Sechziger Jahren auch eine komplett neue Linienführung geprüft. Der Kantonsingenieur liess ein Projekt ausarbeiten, das auf dem Abschnitt von der Lustmühle bis zum Egglirank eine Bahnverlegung nach Süden vorsah – weg von der Staatsstrasse auf ein neues Eigentrassee. Die Blatten wäre mit einem Kurztunnel unterfahren worden. Von der neuen Haltestelle unterhalb der Fabriken im Egglirank hätte ein weiterer Tunnel unter dem Pfarrhaus und der Speicherstrasse hindurch (Gremmtunnel) direkt in den tiefer gelegten Bahnhof Teufen geführt. Ebenfalls unterirdisch wäre es bis zur Linde Richtung Bühler weitergegangen.
Das Bundesamt für Verkehr genehmigte das Projekt am 1. Oktober 1962. Anstelle der südlichen Bahnumfahrung wurde von 1969 bis 1973 die Umfahrungsstrasse gebaut. Zudem erfolgte die Sanierung der Bahnstrecke, indem die Geleise sukzessive neben die Strasse verlegt und die Zahnstangenabschnitte mit Ausnahme der Ruckhalde eliminiert wurden. Parallel dazu erfolgte der Ausbau der bestehenden Hauptstrasse.
Gremmtunnel?
Aus dem Weg ging man den teuren Tunnelprojekten an der Ruckhalde und im Dorf Teufen. Da sich für die problematische Situation im Teufner Dorfkern keine wirkliche Verbesserung ergab, machte der Gremmtunnel vom Stofel bis zum Bahnhof Teufen später wieder von sich reden. Empfohlen hatte ihn erstmals 1952 das Zentralbüro für Landesplanung. In den heftigen Debatten um Bahnsanierung oder Busersatz in den Sechziger und Siebziger Jahren begrüsste der Teufner Gemeinderat den Gremmtunnel ausdrücklich. Um eine wirkliche Fahrzeitverkürzung nach St. Gallen zu erreichen, wünschte er sich noch zwei weitere Kurztunnels nördlich des bestehenden Trassees im Gebiet Niederteufen/Lustmühle.

In den frühen 1990er Jahren schien die Tunnellösung auf dem Weg zur Realisierung. Im Auftrag der kantonalen Bau- und Strassenkommission und der Appenzeller Bahnen hatte die Elektrowatt Ingenieurunternehmung AG von 1984 bis 1991 detaillierte Grundlagen erarbeitet. Die Gemeinde Teufen hatte sich mit einer eigenen Planungskommission intensiv eingebracht. Die Diskussion um die Tunnellierung dominierte die politische Agenda des Jahres 1991 in der Gemeinde Teufen.
Eine Repräsentativumfrage der Appenzeller Zeitung ergab zunächst 47 Prozent Tunnelbefürworter und 30 Prozent Gegner; 23 Prozent der Antwortenden waren noch ohne Meinung. Im Mai reichte die im Vorjahr gegründete politische Gruppierung «pro tüüfe» eine von 642 Personen unterzeichnete Petition ein, die eine Konsultativabstimmung über die Grundsatzfrage «Tunnel ja oder nein» forderte.
Der Gemeinderat machte geltend, dass der Entscheid über das Tunnelprojekt laut Eisenbahngesetz allein beim Bund liege. Er sicherte aber zu, eine differenzierte Volksbefragung durchführen zu lassen. Mit dieser betraute er das Institut für Tourismus und Verkehrswirtschaft der Hochschule St. Gallen (HSG). Auch im Frühjahr 1992 kämpfte «pro tüüfe» mit grossem Engagement weiter gegen das Tunnelprojekt.
Konsultativbefragung mit eindeutigem Ergebnis
Die von der HSG durchgeführte Umfrage ergab den hohen Rücklauf von 1765 ausgefüllten Fragebogen. Rund zwei Drittel sprachen sich gegen eine Tunnelierung aus. Am häufigsten wurde mit dem schlechten Kosten-Nutzenverhältnis argumentiert. Die positive Auswirkung auf die Fahrzeiten und die Verkehrsverbesserung für das Dorf spielten eine untergeordnete Rolle.
Auf Ansuchen des Gemeinderates wurde darauf im Mai 1992 die Tunnelprojektierung sistiert. Die Studien wanderten ins Archivgestell. Die Situation im Dorf blieb weiterhin gefährlich.


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