Boden unter den Füssen

20.06.2020 | Timo Züst
renzo_zürcher
Renzo Zürcher (links) vor einem Edelweiss-Flieger mit seinem ehemaligen Vorgesetzten. Foto: zVg Die Corona-Pandemie traf die Fluggesellschaften besonders früh und besonders hart. Und es wird wohl noch einige Zeit vergehen, bis der Flugbetrieb wieder «normal» verläuft. Zu spüren bekam das auch der 37-jährige Pilot Renzo Zürcher. Seit März war er nicht mehr in einem echten Cockpit. Immerhin: Bald geht es wieder los. Herr Zürcher, wann war Ihr letzter Flug? Am 17. März. Ein Kurzstreckenflug nach Madeira in Portugal. Danach blieben unsere 16 Flieger mehr oder weniger am Boden. Mehr oder weniger? Nun, es gab aufgrund der Pandemie einige Sonderflüge. Zum Beispiel die Rückholflüge von denen in den Medien zu lesen war. Dabei flog Edelweiss auch Destinationen an, die wir sonst nie ansteuern. Einer unserer Flieger war sogar in Australien. Gab es noch andere Sonderaufgaben? Passagierflugzeuge wurden auch für Frachtflüge eingesetzt. Das betraf auch uns. Mittlerweile sind aber sowohl die Rückholaktionen also auch die Frachtflüge wieder Geschichte. Edelweiss ist eine Ferien-Airline. Sie fliegen also eigentlich nur Tourismus-Ziele an. Genau. Das gilt für nähere Ziele wie Portugal, Spanien oder Ägypten und für weiter entfernte Destinationen wie die Malediven oder Florida. Welche Route fliegen Sie? Das ist der grosse Vorteil bei Edelweiss: Ich darf hier sowohl den Airbus «A320» für kurze Strecken als auch den «A330» für Langstrecken fliegen. Meistens steuere ich die näheren Ziele an aber ab und zu bin ich auch für ein paar Tage auf Mauritius. Das muss schön sein … Sehr! Das Fliegen an sich ist schon ein Highlight. Ich freue mich wirklich jedes Mal, wenn ich wieder abheben kann. Aber wenn man dann auch noch vier Tage in Florida verbringen darf, bevor man wieder zurückfliegt, ist das natürlich sensationell. Wenn die Flieger gerade nicht «grounded» sind: Wie oft sind Sie unterwegs? Im Schnitt sind es 15 Einsätze pro Monat. Ein Einsatz beinhaltet immer den Hin- und Rückweg. Wenn ich auf einer Kurzstrecke unterwegs bin, komme ich immer am gleichen Tag wieder in Zürich an. Das bedeutet, ich kann zuhause in Teufen übernachten. Das schätze ich sehr. Als ich Sie gestern Vormittag zu erreichen versuchte, waren Sie grad im Simulator. Als Flug-Ersatz? Nicht ganz. Jeder Pilot ist verpflichtet alle sechs Monate seine Typenprüfung für den Flieger, den er steuert, im Simulator erneut abzulegen. Das heisst, wir alle verbringen jedes Jahr mindestens vier Tage im Simulator. Bei mir sind es aber noch mehr, da ich auch noch als Instruktor arbeite. Ging das auch während Corona? Nein, auch die Trainings- und Simulator-Stunden durften nicht durchgeführt werden. Das bedeutet, wir haben nun einen «Stau». Immerhin wurden die Fristen von der Aufsichtsbehörde um vier Monate verlängert – das gibt uns etwas Luft.

Zur Person

Der 37-jährige Renzo Zürcher lebt mit seiner Frau Fabienne und ihrem 5-jährigen Sohn Henri in Teufen. Nach der Pilotenschule bei der Swiss (Aufnahmeprüfung war noch bei der «Swissair») begann er vor 14 Jahren in der zivilen Luftfahrt zu arbeiten. Nach nur 1,5 Jahren bei der Fluggesellschaft «Hello» (ging Konkurs) wechselte er zu «Edelweiss». Seither steuert er für die Lufthansa-Tochter sowohl Kurz- als auch Langstreckenflüge und arbeitet zudem als Flugsimulator-Instruktor.
Sie haben also noch eine Art zweites Standbein. Trotzdem: Haben Sie sich in den vergangenen Monaten Sorgen um Ihren Job gemacht? Die Edelweiss-Airline ist Teil der grossen Lufthansa-Gruppe. Vor der Krise standen wir aus wirtschaftlicher Sicht zum Glück sehr gut da. Ich wusste also, dass wir etwas Schnauf haben. Aber klar, ich kam schon ins Grübeln. Schliesslich hat die Luftfahrt so etwas noch nie erlebt. Und die finanzielle Belastung durch Leasingraten für die Flugzeuge, Abgaben an die Flughäfen, Löhne, Infrastruktur etc. ist gewaltig. Man las diesbezüglich ja nicht nur Positives. Die finanzielle Unterstützung der Swiss durch den Bund wurde teilweise scharf kritisiert. Stimmt. Aber eigentlich ist die Sache klar geregelt. Das Geld darf die Schweiz ja unter keinen Umständen verlassen. Es kommt also den mehreren Tausend Mitarbeitenden der Schweizer Airlines zugute. Und das ist aus meiner Sicht sehr sinnvoll. Wenn wir schon bei Kritik sind: Vergangenes Jahr war Flugscham das grosse Thema. Wie stehen Sie dazu? Natürlich habe ich das Thema in den Medien auch verfolgt. Mich dazu zu äussern, ist aber nicht ganz einfach. Schliesslich lebe ich von der Fliegerei. Aber ich bin schon der Meinung, man sollte versuchen, die Emissionen so stark wie möglich zu reduzieren. Glücklicherweise werden die neuen Flugzeugtypen immer sparsamer. Mittlerweile wird wieder geflogen. Wann heben Sie ab? Am 4. Juli fliege ich endlich wieder – und zwar nach Tromsø in Norwegen. Ich freue mich riesig. Glauben Sie, der Flieger wird voll sein? Das ist schwierig abzuschätzen. Ich vermute, der Sommer ist mehr oder weniger gelaufen. Die meisten werden sich alternative Feriendestinationen in der Nähe gesucht haben. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass es danach bald wieder anzieht. Und die Buchungsübersicht sieht derzeit gar nicht schlecht aus. Ich glaube, die Schweizer sind langsam ferienhungrig und wollen mal wieder ans Meer. tiz

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