Bitte nicht hamstern

04.03.2020 | Timo Züst
Claudia_Michel
Claudia Michel mit einem «hausgemachten» Händedesinfektionsmittel. Noch sind einige Fläschchen verfügbar. Foto: tiz Timo Züst Während die Medien im Live-Ticker über neue Corona-Fälle berichten, kämpfen Apotheken und Drogerien mit einem Kunden-Ansturm. Das gilt auch für die Drogerie Michel. Weil das Händedesinfektionsmittel nach kurzer Zeit nicht mehr lieferbar war, stellte man hier kurzentschlossen selbst welches her. «Es ging los wie die Feuerwehr. Ich war eigentlich noch gar nicht so richtig auf Betriebstemperatur.» Geschäftsführer Hanspeter Michel erinnert sich zurück an den 25. Februar. Montag ist Ruhetag in der Drogerie Michel. Dieser Dienstag war deshalb der erste Betriebstag nach dem Alarm-Bericht über das Coronavirus in der Tagesschau. «Wir wurden wirklich überrannt. Ab 8 Uhr morgens.» Nach wenigen Stunden war klar: Es braucht mehr Händedesinfektionsmittel. Also kontaktierte Hanspeter Michel die Lieferanten. Zu seinem Erstaunen hiess es bereits damals: Nicht mehr lieferbar. «Ich wusste, dass unsere Vorräte bei diesem Ansturm nicht mehr lange halten würden. Ich musste reagieren.» Er entschied sich kurzerhand, selbst ein Desinfektionsmittel zu mischen. Für den Drogisten, der diverse Präparate herstellt, eigentlich kein Problem. Nur: «Während wir produzierten, wurden die Fläschchen gleich wieder verkauft. Teils mussten wir uns beeilen, um noch die Etiketten draufkleben zu können.» Nachschub wird knapp Das hauseigene Desinfektionsmittel der Drogerie Michel ist eine Art Kopie des bekannten «Sterillium». Für dessen Herstellung benötigt Hanspeter Michel hauptsächlich Isopropanol, ein sogenannter sekundärer Alkohol, und Glycerin. «Ich habe noch einmal die Literatur konsultiert, um sicher zu gehen, dass diese Mischung das Coronavirus auch wirklich abtötet.» Selbstverständlich ist das nämlich nicht. Denn bei Viren gibt es sogenannte «unbehülte» und «behülte». Letztere sind deutlich widerstandsfähiger. Das Coronavirus gehört zu dieser Kategorie. «Das Mittel trägt unser Logo. Ich wollte also kein zweitklassiges Produkt herstellen, das nicht potent ist oder die Hände austrocknet.» Diesen Standard zu halten, wird in der zweiten Wochen der Corona-Hysterie aber immer schwieriger. Denn mittlerweile sind nicht einmal mehr die Grundzutaten für das Desinfektionsmittel lieferbar. Gestern hat Hanspeter Michel die letzten Reste aufgebraucht. Ist diese Fläschchen-Serie verkauft, wird auch er ausgeschossen sein. Zumindest bis die Zutaten wieder lieferbar sind. Keine Atemschutzmasken «Masken? Ach, die sind schon lange weg. Und von Nutzen wären sie ohnehin nur für Infizierte.» Seit das Coronavirus die Schweizer Schlagzeilen dominiert, hat Hanspeter Michel täglich rund 100 Kundinnen und Kunden mitgeteilt, dass Atemschutzmasken leider ausverkauft seien. «Man versucht dabei natürlich jeden Kunden so zu behandeln, als wäre er der erste, der fragt.» Nervlich seien er und sein Personal bisher noch nicht an die Grenzen gestossen. Aber physisch waren die letzten eineinhalb Wochen sehr fordernd. «Wir kamen ab und zu schlicht nicht mehr nach.» Inmitten dieses Tumults nahm er sich aber wann immer möglich trotzdem die Zeit, seine Kundschaft zu beraten. Denn insbesondere beim Thema Atemschutzmasken hätten sich falsche Vorstellungen lange gehalten. Als Gesunder so einen Schutz zu tragen, mache eigentlich kaum Sinn. Erstens sind die Augen weiterhin ungeschützt, zweitens müsste die Maske sowieso alle paar Stunden gewechselt werden und drittens ist die Wahrscheinlichkeit einer Schmierinfektion (Türklinke, Bankomat, Nastuch, Händeschütteln, etc.) viel höher. «Ich rate deshalb allen zu den einfachen Massnahmen: regelmässiges Händewaschen und Hände nicht ins Gesicht.» Stärkung und Hamsterkäufe In Zeiten des drohenden Coronavirus gehen in der Drogerie Michel aber nicht nur Desinfektions-Fläschchen über den Tresen. Auch Mittel zur Stärkung des Immunsystems haben Hochkonjunktur. «Normalerweise besteht unsere Kundschaft zu 90 Prozent aus Stammkunden. Momentan kommen aber viele, die ich im Laden noch nie gesehen habe.» Ein grosser Teil von ihnen fragt nach Stärkungsmitteln wie Zink-Tabletten oder Echinaforce. Davon sein bisher zum Glück noch mehr als genug vorhanden. Und Michel kann auch hier auf eigene Präparate zurückgreifen. Zu einem möglichen Engpass könnte es aber bei anderen Medikamenten kommen. Das bereitet auch Hanspeter Michel Sorgen. «Wenn die Leute anfangen Ibuprofen oder Paracetamol zu hamstern, weil das alles in China hergestellt wird, kann es irgendwann knapp werden. Und dann fehlt es den Leuten, die es wirklich brauchen.» Einmalige Panik Hanspeter Michel arbeitet seit 25 Jahren als Drogist. Seit 10 Jahren führt er zusammen mit seiner Frau Claudia die Drogerie Michel in Teufen. In dieser Zeit hat er einige Grippewellen und Epidemien (Schweinegrippe oder SARS) miterlebt. Die Corona-Hysterie hat ihn aber trotzdem überrascht. «So eine Massenpanik habe ich noch nie erlebt. Das ist schon erstaunlich. Insbesondere, weil das Virus für weit über 80 Prozent der Bevölkerung harmlos ist.» Eine Tatsache, die er auch seinen Kunden gegenüber so oft wie möglich erwähnt: Wer gesund und nicht in hohem Alter ist, muss sich vor diesem Virus nicht fürchten. «Ich will die Ansteckungsgefahr und die Krankheit nicht herunterspielen. Aber die aktuelle Reaktion ist völlig übertrieben.» Übrigens: Haben Sie schon das unterhaltsame Werbevideo der Drogerie Michel im Stil von «Fischer Bettwaren» gesehen? Nicht? Das haben Sie etwas verpasst. Für etwas Auflockerung bitte hier klicken.

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