«BiodiversiTAT» statt Drohfinger

19.11.2023 | Sepp Zurmühle
Tüüfner_Bär_2023 (13)

Sepp Zurmühle

Der Tüüfner Bär 2023 geht an ein initiatives Team, das den Nerv der Zeit trifft. Die Aktion für Biodiversität freut sich über die Ehre, die ihnen zu Teil wird und sie gleichzeitig zu neuen Taten motiviert. Eigeninitiative, Beteiligung möglichst vieler Menschen und kleine Schritte in die richtige Richtung gehören zum Erfolgsrezept.

Sonntag, 19. November, 11 Uhr: Im Zeughaussaal ist festlich aufgetischt. Die zahlreichen Gäste nehmen Platz. In der rückwärtigen Küche wird eifrig gearbeitet. Das Gewinnerteam darf jeweils die Gäste einladen sowie das Catering und die Musik bestimmen. Veranstalterin ist die Gemeinde. Im Namen der zuständigen Kulturkommission begrüsst Gemeinderat Samuel Fischer die Anwesenden und führt durch die Feier.

Der Tüüfner Bär wird seit 2009 an Personen oder Institutionen verliehen, «die sich in besonderer Weise für die Gemeinde Teufen einsetzen. Es werden nachhaltige und aussergewöhnliche Leistungen gewürdigt, die zum Zusammenhalt der Bevölkerung und zum positiven Ansehen der Gemeinde Teufen beitragen», betont Gemeindepräsident Reto Altherr in seiner Laudatio.

Was von unten wächst

In seiner Laudatio begibt sich Reto Altherr aufs fachliche Glatteis der Biodiversität und versucht der Frage auf den Grund zu gehen, was diese denn überhaupt ist. Und das sei gar nicht so einfach. «Die verschiedenen Definitionen sind alle hochwissenschaftlich und auf Anhieb manchmal kaum zu erfassen.»

Gut erinnert sich der Gemeindepräsident zurück an die Zukunftsworkshops im Herbst 2020. Dort wurden Ideen und Projekte für die Zukunft von Teufen gesammelt. «Vieles zielte in Richtung Infrastruktur und sah damit als Adressat die Gemeinde. Dem Gründungsteam Biodiversität schwebte allerdings etwas Anderes vor. Sie setzen von Anfang an auf den aktiven Einbezug und das Engagement von uns allen. ‘Nur was von unten wächst, habe langfristig Bestand und Erfolg’, war und ist ihre Überzeugung.»

Erdverbundene Realisten

«Folgerichtig haben sie sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. Den Samen ausgebracht damit die Saat aufgeht und später geerntet werden kann. Als erdverbundene Realisten wussten sie von Anbeginn, dass dies viel Zeit und noch mehr Durchhaltewillen braucht. Nicht utopische Ziele standen im Vordergrund, sondern das Wissen, dass jedes noch so kleine Engagement, jede Fläche, die gewonnen werden kann, einen Schritt in die richtige Richtung darstellt.» Reto Altherr zitiert Andreas Kuster: «Es braucht nicht unbedingt riesige Flächen. Viel wichtiger ist, dass diese genug nah beieinanderliegen. So können Tiere, Insekten und Pflanzen von ‘Insel zu Insel’wandern und dadurch besser überleben.»

Private in die Gärten holen

Obschon auch die Gemeinde mit ihren Immobilien einen wesentlichen Beitrag zur Biodiversität leisten könne, und dies auch mit Freude und Engagement tue, sei es unmöglich alles alleine zu stemmen. Die Tüüfner Aktion für BiodiversiTAT mache es auf eindrückliche Weise vor, indem sie private Gartenbesitzerinnen und -besitzer ins Boot (oder eben in die Gärten) hole.

Das Motte des Biodiversitäts-Teams bringe es auf den Punkt: «Alle, die können, sollen versuchen 10 Prozent ihrer Grünfläche biodivers zu gestalten, damit auf diese Weise ein grösseres Netzwerk entsteht.»

Reto Altherr würdigt diesen Weg der heute Geehrten ausführlich. «Subtil und nachhaltig seien sie ans Werk gegangen. Aufzeigen, anhand von Beispielen informieren und motivieren und nicht mit ‘dem Drohfinger’ Angst machen.» Gemeinsam Gärten besuchen, fachsimpeln, Erfahrungen austauschen, sich Inspiration holen, das Kleine bestaunen, um die Augen für die Schönheiten und die Nützlichkeit unserer einzigartigen Natur zu öffnen.

Man scheue sich auch nicht vor kritischen Diskussionen und vor Konfrontation. Der Dialog mit Forst- und Landwirtschaft gehöre genauso dazu, wie der Kontakt mit den politischen Behörden. Der Nutzen von Biodiversität sei unbestritten. Dem entgegen könnten gewisse wirtschaftliche Zwänge und manchmal das persönliche Schönheitsempfinden stehen.

Beispielhaft zeige die Aktion für Biodiversität immer wieder auf, wie schon kleine Veränderungen von Gewohnheiten – nicht zuletzt beim persönlichen Einkaufen – und bei der naturnahen Gestaltung von Gärten und Grünflächen, viel Wirkung erzeugen können.

Eigeninitiative

All diese Aktionen, die das Team Biodiversität in Teufen veranstalte, hätten einen gemeinsamen Hintergrund: Eigeninitiative. Der eigene Beitrag – und mag er im ersten Moment klein erscheinen – sei der Schlüssel zum Erfolg. «Für den Einzelnen ist es manchmal nur ein kleiner Schritt, für die Gemeinschaft zusammen aber ein grosser Fortschritt. Nicht das Warten auf das, was andere tun oder es an die Gemeinschaft delegieren, sondern selber mithelfen, dafür steht das Team Biodiversität», lobt Reto Altherr.

Tüüfner Bär erhalten

«Der Tüüfner Bär ist der Dank für alles bisher Geleistete, aber auch Motivation für die Zukunft: dranzubleiben und weiterzumachen», unterstreicht der Gemeindepräsident der nun die Gewinnerinnen und Gewinner des Tüüfner Bär nach vorne bittet.

Es sind dies Lucia Andermatt, Mägi Bischof, Silvia Droz, Alexander Assmus und Andreas Kuster. Feierlich übergibt Reto Altherr dem Team den Tüüfner Bär. Alle erhalten zudem einen prächtigen Blumenstrauss «aus einheimischen Pflanzen, die danach getrocknet werden können», betont Gemeinderat Samuel Fischer bei der Übergabe.

Im Anschluss an die feierliche Übergabe des Tüüfner Bär äussern sich die einzelnen Empfängerinnen und Empfänger der Auszeichnung.

Fortwährend, lautlos verloren

Kantonsrat Alexander Assmus aus Teufen betont: «Was wir alle zusammen im Siedlungsgebiet – also hier in Teufen, heute und in Zukunft – unternehmen, um den fortschreitenden Verlust an biologischer Vielfalt aufzuhalten, ist von grosser Bedeutung.»

Die Schweiz habe sich zum international gesetzten Ziel von «30 Prozent ökologischer Ausgleichsfläche (Land und Wasser) bis 2030 bekannt». Unser Kanton hingegen schreibe im neuen Regierungsprogramm «von gerade mal 17 Prozent bis 2035».

Es gäbe noch viel zu klären und Kompromisse zu finden. Mit einem Fokus auf die Landwirtschaft allein – obwohl sie eine Schlüsselrolle einnähme – werde das Problem, auch auf politischer Ebene, nicht zu lösen sein. «Deshalb ist es so wichtig, dass jede und jeder von uns bereits jetzt beginnt mit eigenen BiodiversiTATen, dort wo wir selbst etwas tun können.» Assmus betont die Wichtigkeit «die Umwelt vermehrt wieder in unser tägliches Denken und Handeln einzubeziehen, denn biologische Vielfalt geht fortwährend lautlos verloren».

Mit der heutigen Verleihung habe niemand in der Biodiversitäts-Gruppe gerechnet. «Wir fühlen uns geehrt und sind sehr dankbar. Am meisten freuen wir uns, über viele neue und bisherige Unterstützerinnen und Unterstützer für die Sache der biologischen Vielfalt.»

Eine Herzensangelegenheit

Lucia Andermatt erklärt kurz und bündig: «Die Aktion für Biodiversität ist für mich ganz einfach eine Herzensangelegenheit.» Silvia Droz schildert, wie sie aus dem sogenannten Unkraut schmackhafte und gesunde Gerichte herstellt, z.B. Risotto mit Brennnesseln.

Mägi Bischof zückt ein farbiges, gehäkeltes Halsbändchen und bindet es dem (etwas nackt wirkenden) Tüüfner Bär um den Hals. Symbolisch wirft sie dem Gemeindepräsidenten spontan einen grünen Tennisball zu.

Andreas Kuster zeigt sich überrascht, ein bisschen stolz und sehr erfreut über den Erhalt des «Tüüfner Bär». In seinen geradezu philosophischen Ausführungen meint er: «Für viele Dinge, die wir uns wünschen, gibt es praktische, kurze, zweisilbige Wörter, wie z.B. ‘Er-folg, Fort-schritt, Reich-tum, Wohl-stand, Kom-fort’. Wir lernen in der Schweiz von Klein auf, nach Wohlstand bzw. auch nach Reichtum zu streben. Und später im Leben werden wir ermahnt, die Biodiversität, die eventuell darunter gelitten hat, wieder herzustellen.»

Im «Ein-Klang»

Andreas Kuster nutzt die Gelegenheit, sich mit dem Publikum über das Wort «Biodiversität» zu unterhalten. Sie seien ja mehr oder weniger deswegen hierhergekommen.

Wohlstand, sei ein wohlklingendes deutsches Wort mit positiven Assoziationen. «Bi-o-di-ver-si-tät hingegen ist ein komplizierter Zungenbrecher mit 6 Silben, ein Fremdwort aus der Welt der Wissenschaft. Warum gibt es dafür kein gescheiteres Wort?» Und fragt in den Saal, ob jemand einen Vorschlag habe?

Nach einer kurzen Pause fragt Kuster, wie allenfalls das Wort «Ein-Klang» gefalle? Blickend zu den anwesenden Musikanten von Dixiezeller zitiert er Nada Brama: «Die Welt ist Klang.» Das sei bestimmt richtig. «Die Welt ist aber auch Vielfalt. Das ist genauso richtig. Der natürliche Zustand der Welt wäre Vielfalt.»

«Eine Lebensweise im Ein-Klang mit der Natur würde also bedeuten, dass wir bei allem, was wir tun, darauf achten, dass wir die natürliche Vielfalt der Welt nicht stören. Wenn jeder einzelne von uns und wir als Gesellschaft das schaffen, müssen wir uns mit der Biodiversität nicht mehr separat beschäftigen. Diese ist dann der Normalfall».

Für Andreas Kuster ist Ein-Klang die Voraussetzung, um unseren Wohlstand zu behalten.

«Wenn alles gut geht, wird in Zukunft also Ein-Klang herrschen. So lange aber der Begriff nicht besser bekannt ist, heisst unsere Aktion bis auf Weiteres Tüüfner Aktion för Biodiversität».

Neue Projekte

Im Laufe seiner Ausführungen kündigt Andreas Kuster auch neue Projekte an. «Wir fühlen uns nämlich alle noch frisch, haben Ideen und möchten uns – zusammen mit Ihnen – dafür einsetzen, dass auf dem Gemeindegebiet in Zukunft noch mehr grossartige, strahlende, vorbildliche und wegweisende Biodiversitäts-Projekte entstehen.» Mehr darüber berichten würden sie sehr gerne, sobald die Zeit dafür reif sei.

Passender Rahmen

Cornel Thaler (Stör-Koch aus Teufen), unterstützt von seinen Eltern Imelda und Beat Thaler sowie Katrin Sonderegger (ebenfalls Köchin), ist für den Apéro Riche von heute verantwortlich. Cornel Thaler erklärt den Anwesenden, dass er in seiner Küche mit einheimischen und speziell mit wild in der Natur vorkommenden Pflanzen arbeite.

Das scheint bei den Gästen sehr gut anzukommen. Sie lassen sich von den verschiedenen Farben und Geschmäckern gerne verwöhnen. Den Service übernimmt die Kulturkommission.

Seit Beginn der Veranstaltung und bis zum Ende spielen die fünf Musikanten der Formation «Dixiezeller» aus Appenzell den musikalischen Begleitsound. Sie machen dies auf eine sehr diskrete und abwechslungsweise Art, so dass sich die Teilnehmenden wunderbar unterhalten und sich zugleich an den zuweilen sanften und dann wieder richtig fetzigen Tönen erfreuen können. Es spielten: Georg Kegel (ePiano), Hanspeter Masina (Bass), Hansruedi Schneider (Saxophone und Klarinette), Pieder Cadalbert (Saxophone) und Gastschlagzeuger Christian Zünd aus dem Rheintal.

Gegen Schluss der Veranstaltung macht Lucia Andermatt auf die «kleine Feier» der Aktion für Biodiversität im baradies am kommenden Freitag, 24. November, ab 17 Uhr (nicht 11 Uhr, wie fälschlicherweise in der Printausgabe der Tüüfner Poscht zu lesen war) aufmerksam.

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