Sepp Zurmühle
Paul Manser betreibt in Teufen, unterstützt durch seine Familie, im Nebenerwerb einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb nach den Grundsätzen der Permakultur. Beim Hofrundgang am 5. September sind seine Freude und Begeisterung für diese Form der Landwirtschaft, trotz grossen Herausforderungen und Rückschlägen, mit allen Sinnen erlebbar.
Nicht repräsentativ für den Sommer 2021 ist es an diesem Sonntagnachmittag heiss und trocken auf dem Hof von Stephanie und Paul Manser an der alten Speicherstrasse, wo sich eine bunte Schar Interessierte eingefunden hat. Viele haben es mit einer Sonntags-Velofahrt verbunden.
Andreas Kuster – zusammen mit Luzia Andermatt und Mägi Bischof – Mitinitiant der Teufner Aktion für Biodiversität, fragt in seiner kurzen Begrüssung: «Wer beeinflusst eigentlich die Art, wie unsere Nahrungsmittel hier und weltweit produziert werden? Sind es die Regierungen und Politiker, die Bauern, Gärtner, die Saatgut-, Dünger- oder Pflanzenschutzmittelhersteller, der Detailhandel usw., oder wer ist es? Vermutlich sind es alle auf ihre Art, doch den entscheidenden Einfluss haben letztlich wir als Konsumenten, tagtäglich, wenn wir unsere Lebensmittel einkaufen.»
Vielfalt reduziert Risiko
Paul Manser stellt zuerst seine Familie mit seiner Frau Stephanie und den drei Kindern vor. «Das Produzieren der Nahrungsmittel ist das eine, das andere sind die kreative Herstellung von leckeren Gerichten und die Haltbarmachung. Hier ergänzen wir uns hervorragend.»
Gleich zu Beginn stellt Paul Manser klar, dass er diesen Sommer – wegen des nassen und kühlen Wetters – grosse Ernteeinbussen in Kauf nehmen muss. Der Pilzdruck ist hoch und auch die Mäuse sind eine grosse Plage dieses Jahr. «Ich würde euch sehr gerne, wie die letzten Jahre, prächtige Gemüse, Beeren und Obst präsentieren. Leider ist es dieses Jahr nicht so, wie ich es mir wünschen würde. Schaut zum Beispiel dort drüben im Gemüseacker. Vieles sieht doch ziemlich trostlos aus. Bei den Kartoffeln gibt es vor allem kleine.»
Im gleichen Atemzug betont der Landwirt, wie interessant und freudvoll er seine Arbeit in und mit der Natur erlebt. «Ich lerne täglich soviel dazu. Das Zusammenspiel der einzelnen Akteure (Wetter, Pflanzen, Tiere, Boden, Sorten usw.) und ihre gegenseitigen Wechselwirkungen faszinieren und erstaunen mich immer wieder aufs Neue. Der Schlüssel für den Erfolg der Natur über Jahrmillionen und im Kleinen auch für unseren Betrieb ist die Vielfalt. Wenn etwas misslingt, so gelingt dafür etwas anderes besser, je nach Umweltbedingungen.»
Was ist Permakultur?
«Grundlage der Permakultur ist die tägliche Beobachtung. Es geht um ein Denken und Handeln in Zusammenhängen und Kreisläufen». Paul Manser erzählt mit Begeisterung von seinen beiden Besuchen in Österreich beim vielleicht bekanntesten Pionier der Permakultur, Sepp Holzer und seinem Sohn, der nun den Betrieb führt. «Gemäss ihm geht es um ein Agro-Ökologisches Konzept das auf drei Säulen basiert und weltweit funktioniert, wie er in verschiedensten Projekten seit 50 Jahren beweist». Mehr dazu unter www.seppholzer.at.
Säule 1: «Die Natur beobachten und nachahmen. Also nicht eine primär technisch geführte Landwirtschaft, sondern die Natur zeigt, welche Technik – wo und wie – sinnvoll angewendet werden kann, nach dem Motto: Natur führt – Technik folgt».
Säule 2: «Die Flächenbegrenzung des Hofes (oder einer Gruppe von Höfen) akzeptieren. Dies bedeutet: Nur so viele Tiere zu halten, wie deren Hofdünger ökologisch nachhaltig verwendet werden kann.»
Säule 3: «Reflektieren und achtsam hinterfragen, was und wie man etwas macht. Was passt zu meinem Hof? Was mache ich selber gerne? Möchte ich ein Tier oder ein anderes Lebewesen auf diesem Betrieb sein? Wie kann man sich verbessern?»
«Ich arbeite viel mit Erdwällen und achte darauf keine offenen Flächen zu haben. Das heisst die Bodenabdeckung mit Heu oder anderen, natürlichen Mulchmaterialien ist wichtig. Einerseits bleibt der Boden darunter auch im Sommer schön feucht (was dieses Jahr nicht nötig war) und anderseits drängt es die Beikräuter (Unkräuter) zurück. Zudem begünstigt es die Entwicklung der Bodenlebewesen. So wird unser Boden (d.h. unsere Grundlage) ständig besser und aktiver. Auch hier lautet das Zauberwort ‘Vielfalt’. So sollen in einer Handvoll humusreicher Erde mehr Lebewesen tätig sein, als es Menschen auf der ganzen Welt gibt…»
Paul Manser verwendet verschiedene Maschinen auf seinem Hof, u.a. einen Lamborghini (Traktor). «Zwei Maschinen würde ich jedoch am liebsten ganz weglassen. Es sind dies der Trimmer und die Bodenfräse; eben gerade wegen den unerwünschten Nebeneffekten für die Lebewesen. Aus Zeitnot sehe ich mich gezwungen, sie ab und zu noch einzusetzen, um den Nutzpflanzen den Vorzug zu lassen.»
Tiere sind zentral
Paul Manser verwendet keinen zugekauften Dünger auf seinem Hof. Einerseits kommt Komposterde zum Einsatz, anderseits sind die äusserst wertvollen Ausscheidungen der verschiedenen Tiere (Pferde, Hühner, Schweine…) sehr willkommen. «Alles gehört zusammen und bildet einen natürlichen Kreislauf, wenn Vielfalt und Menge stimmen.»
Die Attraktion des Nachmittags sind die jungen Ferkel. «Jö sind die herzig. Sie schimmern goldig im Sonnenlicht, wie bereits die halbwüchsigen Schweine im Freilauf!» Mutter Lili säugt acht zweiwöchige Junge und die dunklere Elsa hat deren sechs. Diese sind vor zehn Tagen geboren. Die beiden Mütter sind reinrassige, beinahe ausgestorbene, kroatische Turopolje Schweine. Reinrassig würden die Ferkel in etwa zwei Jahren zu schlachtreifen Tieren heranwachsen. «Dies ist einfach nicht wirtschaftlich. Der Konsument ist sehr wohl bereit mehr zu bezahlen für Bio, aber nicht das X-fache. Deshalb haben wir einen Duroc-Eber gekauft. Damit verkürzt sich die Mastzeit der Jungen auf ca. ein Jahr (immer noch zweimal solang, wie in heutigen Schweinemastbetrieben) und die Qualität des Fleisches ist hervorragend.»
Die Schweine werden in Freilandhaltung gehalten. Nach dem Abernten des Gemüsefeldes im Herbst fressen sie zuerst die Pflanzenreste. In wenigen Wochen pflügen sie den ganzen Boden um, fressen Schnecken und Engerlinge, vertreiben die Mäuse und düngen die Erde. «Sepp Holzer spricht gar von ‘Mitarbeitergesprächen’, wenn er in seine Felder geht», meint Paul Manser mit einem Lächeln. Dies gelte nicht nur für die Schweine, sondern auch für anderen Tiere und im weiteren Sinne für alle Lebewesen des Ökosystems.
Auch Hühner nehmen einen wichtigen Platz ein auf dem Hof. Sie liefern Eier und Fleisch, fressen Schnecken, scharren und düngen den Boden. Neben den Appenzeller Barthühnern (ProSpecieRara), welche im Durchschnitt täglich acht Eier pro 14 Tiere legen, läuft gegenwärtig der Versuch mit einjährigen Legehennen aus Mastbetrieben. Deren Leben soll verlängert werden. Ob und unter welchen Voraussetzungen es sich wirtschaftlich auch auszahlen wird, möchte Paul Manser herausfinden.
Viele Fragen
Es wurde viel gefachsimpelt auf dem Biohof von Mansers an diesem Nachmittag. Schier unendlich schienen die Fragen der Anwesenden zu sein. Was wirkt gegen Mäuse, Schnecken, Läuse, Füchse, Krähen? Was gegen falschen und echten Mehltau? Was ist überhaupt der Unterschied? Im Rahmen dieses Beitrages können die vielen Erfahrungen und Hausmitteli gar nicht aufgelistet werden. Es zeigt jedoch wie anspruchsvoll, vielschichtig, aber auch interessant und erfüllend ein Nutzgarten sein kann.
Wenn man auch wirtschaftlich davon leben möchte, und dies ist das längerfristige Ziel der Familie Manser, dann sind die Herausforderungen sehr gross. «z.B. Vlies aus Schafwolle wirkt sehr gut gegen Schnecken. Das natürliche (in der Schweiz meist Abfall-)Material zersetzt sich später langsam, nährt und düngt wiederum den Boden. Doch der Preis ist gegenwärtig noch höher als der Verkaufserlös des auf dieser Fläche wachsenden Gemüses», erklärt Paul Manser und stellt gleichzeitig fest: «Trotz allen Schwierigkeiten und Rückschlägen bin ich davon überzeugt, dass der Weg einer künftigen, für Generationen nachhaltigen Landwirtschaft und Gesamtökologie, in diese Richtung führt. Ich würde mir persönlich einen vermehrten und offenen Dialog zwischen den Bauern aller Produktionsrichtungen und den Konsumenten wünschen. Es betrifft uns letztlich alle und dies auf der ganzen Welt.»
Nächste BiodiversiTAT?
Während der Herbst- und Wintermonate meldet sich die Aktion für Biodiversität mit kurzen Beiträgen in der Tüüfner Poscht. Im Frühjahr geht’s weiter mit den BiodiversiTATen.